Stage four: The Virgin Dunes
Inhaltsverzeichnis
Stage four: The Virgin Dunes
Einblicke
19.11.19
Distanz: 28 km
Start: 06:30
Heute ist der letzte Tag der Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag und um unseren Gastgebern eine Freude zu machen, formen wir morgens vor dem Start eine 49, was aus der Drohnenperspektive aufgenommen sehr schön und sauber ausgeführt aussieht.
Dann jagen wir los! Es geht den nächsten Dünenkamm hoch und dahinter erstmal einige Kilometer den Wüstentrack vom Tag zuvor lang. Meine Beine sind frisch, ich fühle mich gut, noch ist es nicht zu heiß, ich komme voran. Dann biegt die Strecke nach links ab und es geht wieder querfeldein – ach nein querwüstenein.
Weiter vorne sehe ich Said, den Organisator, mitlaufen. Er ist barfuß und wechselt zwischen laufen und gehen ab. Irgendwann habe ich ihn eingeholt und wir laufen einige Kilometer zusammen. Ich frage ihn, wie er auf die Idee zu diesem Rennen gekommen ist, er erzählt mir von seinen Beweggründen (Leute laufend in der schöne Wüste Omans zusammenbringen), seiner Vorarbeit (drei Jahre besuchte er Etappenrennen um sich Information und Inspiration zu holen) und den Veränderungen, die er vornehmen will (2021 im Februar wird es die nächste Auflage in veränderter Form geben). Er ist ein angenehmer Gesprächspartner, unaufgeregt wie alle Omanis die ich erlebe, was er sagt hat Tiefgang und ich merke zum wiederholten Mal, wie viel Herz in diesem Lauf steckt. Das ist immer wieder und an verschiedenen Stellen spürbar und hier wird mir klar, dass das auch dem Umstand geschuldet ist, dass der Hauptorganisator und die treibende Kraft hinter dem Rennen, so viel Herz darein legt. Es geht nicht in erster Linie um ein Business, es geht um die Menschen. Ich verspreche ihm, dass ich von meinen positiven Eindrücken und Erfahrungen berichten werde und hoffe, dass mehr Menschen die Möglichkeit wahrnehmen, diesen fantastischen Lauf zu erleben.
Kurz nach CP1, wir bewegen uns wieder in ‚kleindünigem‘ Terrain, verlässt mich Said um eine schräg stehende Flagge zu richten und ich laufe alleine weiter. Es wird langsam heiß. Ab heute wird die trockene Hitze der ersten Tage von einer feuchten Hitze abgelöst. Obwohl wir anstatt 35° oder 36° nur noch um die 32° oder 33°C haben, fühlt es sich heißer an.
Bei einer schon morgens vor dem Start gemessenen Luftfeuchte von 99% kann der Körper kaum Schweiß verdunsten. Die Wärme staut sich auf der Haut, in den klammen Klamotten und scheint alle Poren zuzudrücken. Die Dünen werden höher und steiler und als mir vor CP 2 das Wasser ausgeht und ich einen leichten Kopfschmerz bemerke denke ich, dass ich mich am Checkpoint mal 5 Minuten hinsetzen muss. In den Schatten. Als ich dort ankomme macht sich Oliver gerade wieder auf den Weg. Er ist US Amerikaner, kommt ursprünglich vom Klettern und hat die ‚seven summits‘ gemacht. Der MdS im Februar war sein erster Ultra. Ihm gefällt diese Art zu laufen und er hatte mich in den vergangenen Tagen mehrfach über die racing the planet Rennen in der Gobi und der Atacama ausgefragt . Er macht sich auf den Weg, ich fülle meine Flaschen im Sitzen (Schatten, yeah!) auf, atme durch und merke, wie es mir sofort besser geht.
Rob ist auch hier und wir entscheiden uns, gemeinsam weiter zu gehen. Ein guter Entschluss! Die Unterhaltung lenkt uns von der Hitze ab, die nun ungehindert auf uns niederballert, und natürlich auch von dem – weichen – Sand, über den wir uns bewegen. Wir haben eine Strecke mit mittelhohen Dünen zu bewältigen bevor wir über einen längeren Downhill (eigentlich Downdune) auf einen Pfad kommen, der uns durch ein Tal führt. Wir gehen die Anstiege, laufen bergab und in der Ebene und kommen einigermaßen zügig voran. Als wir bei Kilometer 27 wieder steil eine Dünenflanke hinaufgelotst werden, reicht mir Rob einen seiner Trekking Poles und wir pflügen uns gemeinsam ins Ziel. High Five! We did it!
Am nächsten Tag erwartet uns die Marathon Etappe, die erst am Nachmittag starten wird. Daher sind wir in diesem Camp länger als in den anderen. Der Aufbau der Duschen (ich brauche dringend Wasser auf meinem Körper) verzögert sich, so dass ich irgendwann zum Tanklaster gehe, mich unter den Auslaufstutzen hocke und diesen aufdrehe. Wunderbar! Großartig! Ein unbeschreibliches Gefühl. Die Laufklamotten habe ich auch durchgezogen und hänge sie außen am Zelt auf damit Sonne und Wind sie trocknen können.
Dann mache ich einen Ausflug in die Wüste.
Sitze.
Schaue.
Mache nichts.
Bin einfach da.
Spüre den Wind.
Die Sonne.
Sitze.
Bin.
Zurück im Camp und damit in der Zivilisation werde ich sofort gebeten, Interviews zu geben. Einmal wollen die Omanis ein paar Statements in Deutsch von mir haben, dann plant das griechische Team ein längeres, auf Englisch geführtes Gespräch mit mir.
‚So, how do you manage metally out there in an Ultra? Is there a trick?‘ – ‚Well‘ sage ich ‚You have to bear in mind that everything is temporary. I might feel bad now, but if I wait – for five minutes, half an hour or an hour – it will change. It might get worse…….but eventually it will improve. The trick is to not allow your mind to tell you because it feels bad now it‘s going to be like this forever.‘ Die zwei Filmemacher sind entzückt von meinem tiefgründigen, philosophischen und mit so großer Geste vorgetragenen Statement und es ist klar: das wird mich einholen…….
Gegenüber von Zelt 2, dem Hygge House, ist das medical tent. Unsere Ärztin und die Physiotherapeutin, Clodagh und Morag , beide aus UK (oder Irland?), sitzen neben ihrem Zelt, sind jederzeit ansprechbar. Im Moment haben sie nicht viel zu tun, aber die beiden jungen französischen Podologen, Violainethe und Jérome, haben eine Warteschlange vor ihrer ‚Praxis‘ und versorgen hauptsächlich Blasen an den Füßen. Auch hier herrscht trotz der konzentrierten Arbeit eine leichte Atmosphäre. Interessanter weise sind die wehleidigsten Patienten die jungen Männer!
Kevin kommt auf dem Weg zur Fußbehandlung vorbei, winkt, ‚Going to get blister treatment!‘ –‚Ah‘, sage ich ‚You are going for medical entertainment‘ Er lacht und winkt. Eine halbe Stunde später hat er fachmännisch versorgte Füße, die in Socken stecken und ist auf dem Rückweg zu seinem Zelt.
Nach Einbruch der Dunkelheit wird neben dem Wasserboiler ein Bildschirm aufgestellt. ‚Results! Results!‘ geht ein Ruf durchs Camp. ‚What’s going to happen?‘ fragt Rob verschlafen. ‚Result entertainment!‘ sage ich, ‚Let’s check how we are doing!‘
Nach einigen Bildern von der Tagesetappe, bei der die italienische Gruppe beim Sichten eines jeden ihrer Gruppenmitglieder mit einem lauten Freudenschrei antwortet, erscheint eine Excel Tabelle. Als mein Name auftaucht bin ich geschockt. Platz 23 gesamt und 7. Frau. Das muss ein Fehler sein. Ich bin nicht so schnell und ich gehöre zu den älteren hier. Glück gehabt, denke ich noch. Die 20 schnellsten Läuferinnen und Läufer sollen beim Marathon morgen eine Stunde nach dem Hauptfeld starten. Das fehlt mir noch! Ich bin sehr froh, dass ich früher auf die Strecke gehen darf, schon um 15 Uhr.
Briefing!
Warum? Um 16 Uhr ist es doch weniger heiß. Ja, aber wir werden erst nachts im neuen Camp ankommen und am folgenden Morgen um 8 Uhr startet die letzte Etappe. Früher im Ziel heißt früher ins Bett, mehr Schlaf, fitter für den letzten Tag. Ganz einfach.