10.12.2019
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Sechs Tage Sandkasten, Dörte mittendrin!
Oman Desert Marathon 2019
Sechs Tage Sandkasten, Dörte mittendrin!
Zeitraum: 16. bis 21. November 2019
Ort: Oman, Bidiyah bis ans Arabische Meer
Länge: 165 km
Etappen: 6
Belag / Terrain: Sand und zwar weicher Sand und sehr weicher Sand (der ‚hard sand‘ aus dem Roadbook war irgendwie nicht da)
Startnr. 530
Zeit total: 36:06:15
Platzierung: overall 33 aus 50 Startern, Frauen 8 aus 17, AK 1, aber keine AK Wertung
Der ursprüngliche Plan für meinen 2019 Ultralauf war, im Rahmen der 4deserts Serie Ende September nach Chile zum Atacama Crossing zu fahren. Nachdem aber klar wurde, dass ich nach einer Trainingspause bis dahin nicht genügend fit sein würde, musste ein anderer Plan her. Nach einem Telefonat mit meinem Lauffreund Jerry war klar: dieses Jahr geht es in den Oman zum Oman Desert Marathon!
Den vollen Bericht lest ihr hier:
Donnerstag, 14. November 2019. Beim Einstieg in den Flieger nach Mascat komme ich zufällig mit einem Kanadier ins Gespräch. Auch Kevin ist auf dem Weg zum Oman Desert Marathon und hat wie ich ein Zimmer im Radisson gebucht. Da ich zuvor dort den kostenlosen Shuttleservice angefordert habe kommen wir beide dort um 21:30 Uhr Ortszeit an und ich beziehe ein luxuriöses Zimmer, bei dem schon das Bad größer ist als manches Hotelzimmer, was ich in meinem Leben bewohnt habe. Ich schlafe wunderbar (Bett, weißes Leinen!) und genieße am nächsten Morgen das wohl beste Frühstücksbuffet meines Lebens, inklusive frisch zubereiteter Dosa, mein indisches Lieblingsessen.
Ich treffe einen Marokkaner im Lauf T-Shirt, es ist Rachid Almurabity, mehrfacher Gewinner des Marathon de sable, ODM und weiterer Wüstenrennen. Der Typ ist eine Legende und dabei total entspannt. Ich verabschiede mich mit einem ‚See you at 10:30‘ – zu der Zeit soll uns der Bus abholen und zum Basecamp nach Bidiyah bringen – da sagt er: ‚No, we are leaving now, you have not checked out?‘ Ah, Omani time, Omani organization, ich renne auf mein Zimmer, schmeiße alle Sachen in den Koffer und bin 10 Minuten später am Bus. ‚We can go?‘ ‚No!‘, sage ich ‚I came with a canadian guy, he doesnt know about the changed timing’. Letztendlich werden noch vier Starter auf ihren Zimmern angerufen, eingesammelt und 20 Minuten später sind wir auf dem Weg zum Flughafen, wo Tommaso, der Co-Organsiator, mit einer weiteren Gruppe Teilnehmer wartet.
Bis Bidiyah sind es gut 200 km, wir fahren auf einer Autobahn, von der man als Deutscher nur träumen kann, alles ist neu, der Belag schlaglochfrei, es herrscht wenig Verkehr, wir kommen zügig voran. Nach gut 2 1/2 Stunden Fahrt müssen wir umsteigen in SUVs um über Sandpisten und eine steile Düne (an der prompt einige Autos hängenbleiben) ins Basiscamp zu gelangen. Mitten in der Wüste stehen in einem umzäunten Bereich Berberzelte, es gibt einen großen, luftig gebauten Essensraum und in kleinen, lehmverputzten Verschlägen zwischen den Zelten befinden sich einfache Bäder. Sie bieten ein westliches WC, ein Waschbecken und eine Duscharmatur und da sie oben offen sind kann man beim Zähneputzen den Wüstenwind spüren.
Zusammen mit Emmanuelle, einer Ingenieurin aus Marseille, beziehe ich ein Zelt und wir sind entzückt. Es ist mit zwei echten Betten und kleinen Beistelltischen ausgestattet, hat ein einfaches Licht und einen Teppichboden und wir freuen uns über die Aussicht, noch eine Nacht zivilisiert schlafen zu können. Wie cool ist das denn?
Beim Abendessen machen wir Bekanntschaft mit Rob aus UK und Sune aus Dänemark, es gibt frisch gekochtes Essen, wir sitzen auf Kissen auf der Erde an den niedrigen Tischen und mampfen uns durch das omanische Buffet. Dann geht’s ab in die – ja – Betten! Noch einmal ein Bett, eine Decke, eine ebene Unterlage genießen. Luxus pur!
Stage one: The Rocks
Das warm-up mit der Wüste
16.11.19
Distanz: 20 km
Start 08:30
Am nächsten Morgen klettern wir wieder in die SUVs und fahren 20 Minuten bis zum Startpunkt. Da am 18. November Feiertag ist und drei Tage durchgefeiert wird gibt es ein offizielles Programm. Es gibt eine erfreulich kurze Zeremonie mit Fahnen schwenken, Kamelen und Pferden, dann geht es endlich an den Start! Um 8.30 Uhr fällt der Startschuss und alle rennen los, sofort erstmal einen Anstieg hoch. Die heutige Etappe ist mit 20 km die kürzeste, sozusagen das warm-up. Sie führt über einen breiten Track, eine unbefestigte Straße, auf der die einheimischen Zuschauer noch kilometerlang neben uns her fahren, alle anfeuern und begeistert zuwinken. Denn außer uns Langstrecklern starten auch noch etliche lokale Teilnehmer eines Halbmarathons und einige Kinder im 3km kids run und ich finde, es ist mächtig was los in der Wüste.
Wie erwartet ist es heiß, aber erträglich, der Rucksack und der Sand erlauben nicht gerade den flüssigsten Laufstil, aber es geht voran. Rechts und links türmen sich Dünen und es geht, und so wird es über die ganze Woche bleiben, eigentlich immer irgendwie hoch oder runter. Irgendwo steht ein Kamel rum, ansonsten Sand bis zum Horizont, unter, neben mir, nur der Himmel strahlt blau über allem und die Sonne zeigt, was sie so drauf hat strahlungstechnisch. Als vor mir vier junge Männer nebeneinander gehen – ganz offensichtlich Teilnehmer des Halbmarathons – überhole ich sie nach der Ansage ‚Gentlemen, I am going to overtake you!‘. Als ich locker an ihnen vorbeitrabe und sie sehen, dass ich deutlich älter und auch noch mit einem Rucksack bepackt bin, fangen sie spontan wieder an zu rennen, aber es nützt nichts; flugs bin ich vorbei und lasse sie hinter mir. Gute Vorbereitung ist halt alles!
Ich laufe ein Stück mit Hayam aus Ägypten bevor ich auch sie zurücklasse und nach knapp vier Stunden ist die Finish Line erreicht. Erste Etappe: check! Mit Autos werden wir ein kurzes Stück in die Dünen gefahren zu Camp 1, wo uns, Höhepunkt des Luxus‘, eine Dusche erwartet. Die ganze Woche über werden wir einen Tanklaster voller Wasser dabei haben und damit die Möglichkeit, uns ein wenig frisch zu machen.
Wir schlafen in traditionellen Zelten aus Wolle, die geräumig sind und in denen man stehen kann. Der Boden ist mit Teppichboden ausgelegt und das wird auch bei jedem Camp so bleiben, so dass wir das ganze Rennen über, wo wir uns irgendwann wie in Sand, Schweiß und Staub mariniert fühlen werden, zumindest Sand arm logieren können.
Ein Umstand, den man bei fortschreitenden Schwächen in der persönlichen Hygiene durchaus zu schätzen weiß. Heute ist es warm, so bleibt die Zeltfront komplett offen. Sune ist mit mir zusammen in Zelt 2 untergebracht, wir richten uns ein, Essen einen Happen, quatschen ein wenig und ruhen uns aus, ich döse rum, Rob guckt vorbei, und da ich – als Höhepunkt von Dekadenz und Luxus – ein paar Espresso Sticks dabei habe, verkünde ich: ‚I am going to open the German Café!‘ und lade Rob und Sune zum Instant Espresso ein. Was für ein Genuss!
Rob findet, er gehört in unser Zelt und zieht zu uns um. Es stellt sich raus, dass Sune sein T-Shirt mit ‚Club 100‘ (für 100 absolvierte Marathons) nicht umsonst trägt. Er ist bisher 150 Marathons gelaufen (im Schnitt läuft er jedes zweites Wochenende einen) und hat sich das Hemd redlich verdient. Wir quatschen noch ein wenig übers laufen und beschließen, unser Zelt ‚Tent Hygge House‘ zu nennen.
Die Italiener, die zuvor da waren, sind zu ihren Landsleuten gezogen und das französische Paar, welches immer für sich ist, logiert in der anderen Zelt Ecke. Wir haben massig Platz. All diese Reorganisation findet organisch statt, dem Veranstalter ist alles recht, man ist da sehr entspannt. Emmanuelle schaut vorbei, sie ist mit Kevin, Fran und Hayam untergebracht und fühlt sich gut. Am Abend essen wir unser gefriergetrocknetes Trekkingfood (maximale Kalorien bei minimalem Gewicht), ich verkünde: ‚Only 145 km to go!‘, was allgemein als enorm motivierend aufgefasst wird (Ja dann! Sind wir ja schon fast da!) und nachdem es dunkel wird liegen alle im Nu in ihren Schlafsäcken. Mein Körper fühlt sich gut an auf der aufblasbaren Matte für 20.- von Amazon und obwohl es windig ist liege ich kuschelig in meinem Yeti Schlafsack, alles ist fein.
Die Matte hatte ich kurz vor der Abreise spontan geordert. Ich wollte mal eine bequemere Variante ausprobieren als die faltbare Matte von Globetrotter, die ich sonst immer hatte (die hatte ich in der Gobi, einem Rat von Rafael Fuchsgruber folgend, verkürzt um Gewicht zu sparen. Das Resultat war, dass ich natürlich an den Füßen gefroren und das Ding direkt in Ulan Bataar gelassen habe). Aber 120,- bis 160,- für eine Matte von Sea-to-Summit fand ich doch ein wenig übertrieben und dachte mir, ich probiere mal eine einfache Lösung. Bingo! Als Sune sich neben mir auf seiner teuren Isomatte umdreht klingt das wie ein heraufziehendes Naturereignis, es ist extrem laut. Ha! Denke ich, meine Matte hat nur einen Bruchteil gekostet und macht nur ein Drittel so viel Lärm!
Stage two: The Caravan
Bin ick zum Wandern hier oder zum Laufen?
17.11.19
Distanz: 25 km
Start: 06:30
Was ich wirklich mag am ODM ist die Tatsache, dass wir früh starten, um 06:30, was mir als Frühaufsteherin entgegenkommt. Ich mag das morgendliche Licht und die Stimmung in der kurzen Phase des Sonnenaufgangs wenn alles so mild aussieht. Und natürlich ist es bis 08:00 Uhr von den Temperaturen her angenehm und bis 10 Uhr erträglich, so dass das Laufen in der gnadenlosen Mittagshitze kürzer ist.
Was für uns Westler gewöhnungsbedürftig ist, sind die widersprüchlichen Angaben im Roadbook und im gelegentlich stattfindenden Briefing. Das Roadbook spricht von 20km, tatsächlich werden wir heute aber 25 km vor uns haben und die ersten ‚richtigen‘ Dünen erwarten uns.
Die Markierungen beim ODM werden über große, weithin sichtbare Flaggen vorgenommen, die ca. alle 500 m aufgestellt und im Grunde weithin sichtbar sind (außer der Wind steht gerade so ungünstig, dass man nur den schmalen Mast in der Ferne sieht und nicht den wehenden Stoff). Da es zunächst über kleine Dünen geht sind die nächste und übernächste Fahne gut sichtbar und ist es ein wenig wie eine Schnitzeljagd oder ein Pfadfinderspiel. Was ist der kürzeste, schnellste oder bequemste Weg zur nächsten Flagge? Das mit 50 Leuten besetzte Starterfeld ist recht übersichtlich und die schnellen Läufer geraten rasch außer Sicht, und so finde ich mich – endlich! – alleine in den sanften kleinen Dünen, die wie eine Achterbahn aus Sand immer hoch und runter gehen und hoch und runter und ich gehe hoch und laufe runter, gehe hoch und laufe runter und mache so langsam, aber sicher, Strecke. CP 1: check! Wasser aufnehmen und weiter und durch! CP 2: check, nochmal Wasser auffüllen – oh, diese ‚easy flasks‘ von Raidlight sind einfach Mist! Um nochmal einige Gramm Gewicht zu sparen hat der französische Ultralauf-Ausrüster die weichen easy flasks entwickelt. Leider kann man sie entweder nicht aufschrauben oder nicht vernünftig zuschrauben und sie halten nicht dicht und dann muss man sich fast den Arm ausrenken oder sogar den Rucksack absetzten um sie in den Fronttaschen zu verstauen. Alles nervig und fummelig.
Ich lerne sie während des Rennens hassen. Letztendlich kosten sie mich über das gesamte Rennen mindestens 20 min Zeit und damit verliere ich 2 Plätze im Klassement der Frauen!
Zum Ende der Etappe gibt es, quasi als Vorgeschmack auf die morgige Strecke, schon mal eine größere Düne, die über mehrere Stufen steil ansteigt und viel Muskelkraft erfordert. Als ich im Camp ankomme ist es noch früh, das Zelt ist schon aufgebaut, die Duschen nicht. Eigentlich wollte ich mich frisch machen und auch die Klamotten mal durchziehen, aber der Tanklaster trifft erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit ein, als ein frischer Wind aufkommt und da mag ich mich nicht mehr duschen und die Wäsche würde auch nicht trocken werden. Ich spendiere mir drei Feuchttücher aus meinem Notvorrat und nachdem wir alle schon im Schlafsack liegen und vergebens auf ein briefing warten welches die Frage klärt ob wir morgen um 08:30 (wie im Roadbook vermerkt) oder um 06:30 (‚normale Startzeit‘, auch im Roadbook, aber an anderer Stelle vermerkt) loslegen, stellt Sune den Wecker auf 05:30, wir machen um halb neun das Licht aus und schlafen.
Stage three: The Rising Action
I feel like a runner again!
18.11.19
Distanz: 27 km
Start: natürlich um 06:30!
Das Höhenprofil dieser Etappe offenbart höhere Ausschläge und in der Beschreibung von stage 3 heißt es: Dies ist die schwierigste Etappe! Wer die schafft, der schafft auch das ganze Rennen! Na gut, denken alle: ‚Let’s go!‘
Ja, es wird steil und ja, es wird anstrengend und doch: es ist schön, so schön, dass ich finde, das Wort ‚atemberaubend‘ ist zu schwach um die Landschaft zu beschreiben. Es gibt die Weite der Wüste, die wie gemalte, vom Wind gestaltete typisch geriffelte Oberfläche des Sandes, immer wieder kleines Strauch- und Buschwerk, von dem ich nicht weiß, wovon es existiert in dieser an Wasser so armen Gegend und es gibt insgesamt sieben Anstiege auf ca. 90m hohe Dünen, die schon ordentlich in die Beine gehen.
Eine Zeit lang begleite ich Imad aus Syrien, der schon lange in Europa lebt und ein überzeugter Fan von Diktator Assad ist (das behaupte ich mal, nachdem mir dessen Gesicht von Imads Handy und von seiner Syrienfahne, die er irgendwie immer dabei hat, entgegengrinst), ein Umstand, der mich dann das Weite suchen lässt. Man sieht halt wieder, dass jemand persönlich durchaus nett und freundlich sein kann und zugleich so grausige Ansichten hegen kann – ja, es macht mir zu schaffen. Aber in einer Phase, wo wir beide etwas schwächeln (ich denke, ich bin noch nicht warm, ehrlich), helfen wir uns gegenseitig auf die Dünen rauf und das ist einfach gut. Ich merke, dass ich je länger wir unterwegs sind, umso mehr Energie bekomme und lasse Imad bald hinter mir.
Die Dünen sind auf der Wind abgewandten Seite steil, der Sand dort sehr locker (weil nicht vom Wind komprimiert), dafür geht es auf der anderen Seite über etwas härteren Sand, der besser trägt, lange Strecken hinunter. Ich breite die Arme aus wie ein Kind, das simuliert zu fliegen und singe vor mich hin, es ist ein großartiger Spaß! An jedem Anstieg klingt mir das letzte Telefonat mit Jerry in den Ohren: ‚Du brauchst keine Stöcke, auch an den Dünen kann man gut hochlaufen‘. Mein Lieber, keine Ahnung, wie du zu dieser Einschätzung kommst, aber nächstes Mal nehme ich die Dinger mit! – Ich meine, sie sind ja im Oman, aber ich habe sie im Koffer im Camp in Biddiyah zurückgelassen…..
Dann habe ich die letzte, schier riesige Düne erklommen und sehe auf der anderen Seite unten im Tal einen Wüstentrack, auf dem weit entfernt jemand nach rechts läuft. Ein Blick rundum zeigt: die Flaggen weisen zunächst nach links um nach einem Umweg auf den Track zu münden. Um sicher zu gehen, dass wir nicht abkürzen (wer würde denn so was machen?!) stehen auf der Strecke mehrere Autos mit ODM Logo, also keine Chance, hier zu schummeln. Der Veranstalter ermahnte uns am Morgen: No derivations! You have to stay close tot he flags! – woraufhin mir Emmanulle berichtete, am ersten Tag sei sie nicht auf dem Track, sondern nah an den 50m entfernt stehenden Flaggen gelaufen und hätte die Anweisung bekommen, doch bitte die ‚Straße‘ zu nehmen 😉
Also trabe ich erst nach links, biege an der nächsten Flagge im rechten Winkel rechts ab und 80 m weiter nochmal, passiere dabei die Autos, in deren Schatten sitzend sich eine Gruppe Organisatoren entspannt. Auf mein ‚It’s not working, you cant make the desert rectangular!‘ winken sie nur freundlich ‚Yes, go, go!‘, ich winke zurück und sehe vor mir: eine fast ebene Strecke mit – natürlich! – weichem Sand. Also verfalle ich in einen leichten Jog, den ich nur kurz für Gehpausen unterbreche. Überhole Hayam, freue mich, dass ich mal wieder rennen kann, versuche, die Hitze zu ignorieren, zutzel mein Wasser leer und werfe immer wieder einen Blick auf meine Uhr. Um Akku zu sparen habe ich das GPS ausgeschaltet. Da die Uhr meine normale Schrittlänge kennt, kann sie normaler weise die zurückgelegte Distanz auch ohne GPS Signal mit großer Präzision bestimmen. Hier klappt das nicht. Durch den Sand und den Rucksack (und evtl. auch die Hitze, ich meine, wäre ja vorstellbar, oder?) behindert, mache ich kleinere Schritte und muss die Angaben der Uhr entsprechend korrigieren.
Wenn sie verkündet, ich hätte 12km zurückgelegt, sind es real 10km. Da die Uhr jetzt schon mehr als 30 km anzeigt werde ich unruhig. Ich kann weit sehen, aber nirgends Anzeichen eines Camps entdecken und zum Glück auch keine Flagge, die mich wieder auf einen Hügel treibt. Ist die Etappe doch länger als 25km? Und wieso kommt da jetzt noch ein Check Point? Dann wird mir klar: das ist kein CP, das ist das Tagesziel! Hurra! Also Gas geben und in einem durchrennen! Ich werde mit Cheers und Geheule empfangen, jemand drückt mir eine Flasche kaltes Wasser in die Hand, Fran ist vor mir angekommen und wartet auf Hayam, die wenige Minuten nach mir einläuft. Wir sind bester Stimmung und klatschen uns ab. ‚I feel like a runner again today after all that hiking yesterday!‘ strahle ich.
Das Camp ist hinter der steil neben uns aufragenden Düne und wir haben die Wahl: wir können hinlaufen oder einen Lift im Auto bekommen. Johlend entscheiden wir uns für das Vehikel und fegen mit heulendem Motor über den lockeren Sand nach oben. Hinter dem Dünenkamm erstreckt sich ein weites Tal und beim Näherkommen sehen wir, dass das Camp noch recht, nun ja rudimentär, aussieht. Kaum ausgestiegen werden wir mit der Nachricht begrüßt, dass es erst zwei Zelte gibt, weil der LKW mit den anderen Zelten im Sand stecken geblieben ist. Dafür bläst ein ordentlicher Wind.
Also setze ich mich in den Sonnen- leider nicht Windschatten eines Zeltes und mixe mir erstmal meinen Refresher Drink. Ich bin müde und döse im Sitzen einige Minuten vor mich hin. In den Zelten ist es stickig-warm und Läufer sitzen oder liegen schlafend im Sand. Der Wind wird immer stärker und zu einem leichten Sandsturm, so dass wir irgendwann doch alle drinnen sind. Alles ist träge und natürlich möchte jeder duschen, Klamotten wechseln und warmes Wasser haben um ein Essen zubereiten zu können – aber da es das nicht gibt und Widerstand gegen die Realität nichts nützt, sitzen alle geduldig, vor Dreck und Schweiß starrend auf dem Boden. Ich mache Witze, dass wir jetzt alle unseren Anwalt anrufen könnten und als Rob fragt: Was würdest du ihm sagen? Und ich antworte: dass er herkommen und eine Schippe mitbringen soll, machen wir weitere Scherze (‚Wir könnten doch die 10 km bis zum LKW laufen und dort das Camp machen‘) und nehmen es leicht. Wie gesagt, nützt ja nix, deswegen schlecht drauf zu kommen. Also warten wir geduldig, während der Sand langsam unsere Zelte, unsere Rucksäcke, unsere Körper erobert. Gehen in die Dünen um zu pinkeln (was eh hygienischer ist als die aufblasbaren Dixieklos, die wir mit uns rumschleppen). Bis plötzlich Fabienne, die weit vorne platzierte Schweizerin (sie wird das Rennen auf Platz 2 beenden) in die Ferne deutet und ruft: ‚Camione! Camione!‘ Sofort kommt Leben in die Truppe. Der LKW wird begrüßt wie ein lange vermisstes Familienmitglied. Rasch machen sich die indischen Arbeiter daran, den Heißwasserboiler aufzubauen und andere beginnen mit dem Errichten weiterer Zelte. Nach 45 min sitze ich mit Rob und Sune in dem Zelt welches wir kraft unseres gemeinsamen Beschlusses Zelt 2 nennen, ich steige aus den Laufklamotten in mein Camp-Shirt, blase meine formidable Matratze auf und freue mich, dass wir eine Schicht Teppich zwischen uns und dem Sand haben. Dann mache ich mir eine Kleinigkeit zu essen, bringe meinen Körper mit etwas Wasser in Kontakt und als dann der Wind nachlässt schlage ich jede Menge Sand und Staub aus meinen Sachen und denke: alles ist gut! Ein Gefühl tiefer Zufriedenheit durchdringt mich.
Stage four: The Virgin Dunes
Einblicke
19.11.19
Distanz: 28 km
Start: 06:30
Heute ist der letzte Tag der Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag und um unseren Gastgebern eine Freude zu machen, formen wir morgens vor dem Start eine 49, was aus der Drohnenperspektive aufgenommen sehr schön und sauber ausgeführt aussieht.
Dann jagen wir los! Es geht den nächsten Dünenkamm hoch und dahinter erstmal einige Kilometer den Wüstentrack vom Tag zuvor lang. Meine Beine sind frisch, ich fühle mich gut, noch ist es nicht zu heiß, ich komme voran. Dann biegt die Strecke nach links ab und es geht wieder querfeldein – ach nein querwüstenein.
Weiter vorne sehe ich Said, den Organisator, mitlaufen. Er ist barfuß und wechselt zwischen laufen und gehen ab. Irgendwann habe ich ihn eingeholt und wir laufen einige Kilometer zusammen. Ich frage ihn, wie er auf die Idee zu diesem Rennen gekommen ist, er erzählt mir von seinen Beweggründen (Leute laufend in der schöne Wüste Omans zusammenbringen), seiner Vorarbeit (drei Jahre besuchte er Etappenrennen um sich Information und Inspiration zu holen) und den Veränderungen, die er vornehmen will (2021 im Februar wird es die nächste Auflage in veränderter Form geben). Er ist ein angenehmer Gesprächspartner, unaufgeregt wie alle Omanis die ich erlebe, was er sagt hat Tiefgang und ich merke zum wiederholten Mal, wie viel Herz in diesem Lauf steckt. Das ist immer wieder und an verschiedenen Stellen spürbar und hier wird mir klar, dass das auch dem Umstand geschuldet ist, dass der Hauptorganisator und die treibende Kraft hinter dem Rennen, so viel Herz darein legt. Es geht nicht in erster Linie um ein Business, es geht um die Menschen. Ich verspreche ihm, dass ich von meinen positiven Eindrücken und Erfahrungen berichten werde und hoffe, dass mehr Menschen die Möglichkeit wahrnehmen, diesen fantastischen Lauf zu erleben.
Kurz nach CP1, wir bewegen uns wieder in ‚kleindünigem‘ Terrain, verlässt mich Said um eine schräg stehende Flagge zu richten und ich laufe alleine weiter. Es wird langsam heiß. Ab heute wird die trockene Hitze der ersten Tage von einer feuchten Hitze abgelöst. Obwohl wir anstatt 35° oder 36° nur noch um die 32° oder 33°C haben, fühlt es sich heißer an.
Bei einer schon morgens vor dem Start gemessenen Luftfeuchte von 99% kann der Körper kaum Schweiß verdunsten. Die Wärme staut sich auf der Haut, in den klammen Klamotten und scheint alle Poren zuzudrücken. Die Dünen werden höher und steiler und als mir vor CP 2 das Wasser ausgeht und ich einen leichten Kopfschmerz bemerke denke ich, dass ich mich am Checkpoint mal 5 Minuten hinsetzen muss. In den Schatten. Als ich dort ankomme macht sich Oliver gerade wieder auf den Weg. Er ist US Amerikaner, kommt ursprünglich vom Klettern und hat die ‚seven summits‘ gemacht. Der MdS im Februar war sein erster Ultra. Ihm gefällt diese Art zu laufen und er hatte mich in den vergangenen Tagen mehrfach über die racing the planet Rennen in der Gobi und der Atacama ausgefragt . Er macht sich auf den Weg, ich fülle meine Flaschen im Sitzen (Schatten, yeah!) auf, atme durch und merke, wie es mir sofort besser geht.
Rob ist auch hier und wir entscheiden uns, gemeinsam weiter zu gehen. Ein guter Entschluss! Die Unterhaltung lenkt uns von der Hitze ab, die nun ungehindert auf uns niederballert, und natürlich auch von dem – weichen – Sand, über den wir uns bewegen. Wir haben eine Strecke mit mittelhohen Dünen zu bewältigen bevor wir über einen längeren Downhill (eigentlich Downdune) auf einen Pfad kommen, der uns durch ein Tal führt. Wir gehen die Anstiege, laufen bergab und in der Ebene und kommen einigermaßen zügig voran. Als wir bei Kilometer 27 wieder steil eine Dünenflanke hinaufgelotst werden, reicht mir Rob einen seiner Trekking Poles und wir pflügen uns gemeinsam ins Ziel. High Five! We did it!
Am nächsten Tag erwartet uns die Marathon Etappe, die erst am Nachmittag starten wird. Daher sind wir in diesem Camp länger als in den anderen. Der Aufbau der Duschen (ich brauche dringend Wasser auf meinem Körper) verzögert sich, so dass ich irgendwann zum Tanklaster gehe, mich unter den Auslaufstutzen hocke und diesen aufdrehe. Wunderbar! Großartig! Ein unbeschreibliches Gefühl. Die Laufklamotten habe ich auch durchgezogen und hänge sie außen am Zelt auf damit Sonne und Wind sie trocknen können.
Dann mache ich einen Ausflug in die Wüste.
Sitze.
Schaue.
Mache nichts.
Bin einfach da.
Spüre den Wind.
Die Sonne.
Sitze.
Bin.
Zurück im Camp und damit in der Zivilisation werde ich sofort gebeten, Interviews zu geben. Einmal wollen die Omanis ein paar Statements in Deutsch von mir haben, dann plant das griechische Team ein längeres, auf Englisch geführtes Gespräch mit mir.
‚So, how do you manage metally out there in an Ultra? Is there a trick?‘ – ‚Well‘ sage ich ‚You have to bear in mind that everything is temporary. I might feel bad now, but if I wait – for five minutes, half an hour or an hour – it will change. It might get worse…….but eventually it will improve. The trick is to not allow your mind to tell you because it feels bad now it‘s going to be like this forever.‘ Die zwei Filmemacher sind entzückt von meinem tiefgründigen, philosophischen und mit so großer Geste vorgetragenen Statement und es ist klar: das wird mich einholen…….
Gegenüber von Zelt 2, dem Hygge House, ist das medical tent. Unsere Ärztin und die Physiotherapeutin, Clodagh und Morag , beide aus UK (oder Irland?), sitzen neben ihrem Zelt, sind jederzeit ansprechbar. Im Moment haben sie nicht viel zu tun, aber die beiden jungen französischen Podologen, Violainethe und Jérome, haben eine Warteschlange vor ihrer ‚Praxis‘ und versorgen hauptsächlich Blasen an den Füßen. Auch hier herrscht trotz der konzentrierten Arbeit eine leichte Atmosphäre. Interessanter weise sind die wehleidigsten Patienten die jungen Männer!
Kevin kommt auf dem Weg zur Fußbehandlung vorbei, winkt, ‚Going to get blister treatment!‘ –‚Ah‘, sage ich ‚You are going for medical entertainment‘ Er lacht und winkt. Eine halbe Stunde später hat er fachmännisch versorgte Füße, die in Socken stecken und ist auf dem Rückweg zu seinem Zelt.
Nach Einbruch der Dunkelheit wird neben dem Wasserboiler ein Bildschirm aufgestellt. ‚Results! Results!‘ geht ein Ruf durchs Camp. ‚What’s going to happen?‘ fragt Rob verschlafen. ‚Result entertainment!‘ sage ich, ‚Let’s check how we are doing!‘
Nach einigen Bildern von der Tagesetappe, bei der die italienische Gruppe beim Sichten eines jeden ihrer Gruppenmitglieder mit einem lauten Freudenschrei antwortet, erscheint eine Excel Tabelle. Als mein Name auftaucht bin ich geschockt. Platz 23 gesamt und 7. Frau. Das muss ein Fehler sein. Ich bin nicht so schnell und ich gehöre zu den älteren hier. Glück gehabt, denke ich noch. Die 20 schnellsten Läuferinnen und Läufer sollen beim Marathon morgen eine Stunde nach dem Hauptfeld starten. Das fehlt mir noch! Ich bin sehr froh, dass ich früher auf die Strecke gehen darf, schon um 15 Uhr.
Briefing!
Warum? Um 16 Uhr ist es doch weniger heiß. Ja, aber wir werden erst nachts im neuen Camp ankommen und am folgenden Morgen um 8 Uhr startet die letzte Etappe. Früher im Ziel heißt früher ins Bett, mehr Schlaf, fitter für den letzten Tag. Ganz einfach.
Stage five: The Stars
Desert, dunes & darkness or I am he maniac
20.11.2019
Distanz: 42 km
Start: 15 Uhr
Der Morgen der Marathon Etappe beginnt mit Ausschlafen und einem entspannten Frühstück. Nicht eine Handvoll Müsli in meiner Titantasse anrühren und dann löffelweise essen während ich den Rucksack packe, sondern Outdoor breakfast. Mit Fran, Hayam und Kevin sitze ich auf einem harten Stück Sand (!) auf einer Düne. Während ich in Ruhe Milchreis mit Himbeeren löffle und einen Espresso trinke, scheint mir die Sonne auf die Arme und ich unterhalte mich entspannt mit den anderen. Dann sitzen wir einfach und schauen in die Wüste. Es ist wunderbar ruhig.
Den Vormittag nutzen wir noch um ein wenig zu dösen, letzte Dinge am, im und um den Rucksack zu ordnen. Alle Kleidung ist klamm, auch die, die im Rucksack war über Nacht. In der Sonne wird das zwar wieder besser aber ich höre zum Teil leises Fluchen über feuchte Socken. Dabei hatte ich schon zu Beginn des Rennens die Parole ausgegeben ‚Alles, was trocken sein soll, muss nachts in den Schlafsack!‘ Das habe ich so gemacht mit mein Equipment ist einwandfrei. In feuchten Socken in die Schuhe erhöht die Gefahr von Blasen enorm, das ist allen klar.
Um 13 Uhr esse ich mein Peronin-Power-Müsli. Es hat über 800 kcal und schmeckt scheußlich. Kaufe ich nie wieder. Während wir uns fertig machen, Stulpen anziehen, Schuhe zubinden, den Rucksack auf guten Sitz überprüfen, filmt das Kamerateam unsere Aktivitäten.
Um Viertel vor drei stehe ich am Start. In den letzten Tagen habe ich zum Ende der Etappen, wenn ich merkte, dass die Energie nachlässt, meinen LifeTuner eingesetzt. Der LifeTuner, das kleinste Magnetfeldsystem der Welt, unterstützt in erster Linie den Biorhythmus. Mit seiner Hilfe habe ich ohne Jetlag schon ab der ersten Nacht im Oman an den neuen Rhythmus angepasst geschlafen. Um Energie zu mobilisieren stellte ich ihn im Rennen meist auf Programm 5 oder 6 ein, was anregend ist, während ich nachts auf Programm 2 die Regeneration unterstützte. Heute mache ich ein Experiment: ich wähle Programm 6 aus und stelle die Zeitautomatik auf acht Stunden ein. Ich weiß, dass das evtl. riskant ist, denn zu lange oder zu intensiv angewendet macht das Teil bei mir schon mal vegetative Symptome, will heißen, mir wird etwas flau im Magen. Aber ich fühle mich gut und will es ausprobieren, ob es mich mit einem dauernden Energiefluss durch die Nacht trägt.
Rob und ich wollten zusammen laufen, aber wo ist er? Zwei Minuten bevor es losgehen soll kommt er atemlos angerannt, das Startsignal fällt und er rennt sofort weiter. Hui! Da muss ich mich beeilen, wenn ich da dranbleiben will. Er rennt, als gäbe es jetzt und hier nicht die längste Etappe des Rennens, sondern als wären wir irgendwo zum Abendessen verabredet und müssten bald da sein. Die kurzen Strecken, auf denen der Sand wirklich mal hart ist, laufen wir flott und ich genieße das Gefühl eines Untergrundes, der nicht nachgibt. Leider sind diese Abschnitte nur wenige Meter lang, aber es macht so viel Spaß!
Das Licht ist heute etwas gedämpft, ab und zu gibt es leichte Wolken, ein angenehmer Wind weht, die Weite der Wüste ist beeindruckend und Rob und ich machen gut Strecke. Auf einem Dünenkamm holt er seine Kamera raus und mit einer ausladenden Geste drehe ich mich um meine Achse und rufe ‚May I present to you: the Omani Desert! A poem made into a landscape!‘ Es ist toll.
Rob hat mir seine beiden Poles gegeben. Zum Glück, schon ohne rennt er mir fast weg. Er ist begeistert ‚It feels so free today without the poles!‘ Ja, denke ich, es fühlt sich so gut an MIT den Dingern. Der Sand ist weich, manchmal auch sehr weich, bei jedem Schritt sinken wir ein. Damit das Navigieren in der Nacht nicht zu schwierig wird (und weil der Veranstalter bestimmt keine Lust hat, Leute aus den Dünen pflücken zu müssen), folgt die Marathonstrecke einem Track. Im Grunde geht es also nur gerade durch die Wüste. Aber so einfach ist es nicht. Insgesamt haben wir 1.500 Höhenmeter Aufstieg und 1.500 HM Abstieg zu bewältigen, oder, vereinfacht ausgedrückt: es geht immerzu hoch und runter und so gut wie nie flach geradeaus.
Ich spüre, dass Rob heute schneller ist und er fragt mich, ob es ok ist wenn er ab dem nächsten Dünenkamm alleine voraus läuft und mir dafür die Poles überlässt? Ein guter Deal, der uns beide glücklich macht. Er startet durch und ich pflüge durch die Wüste. Bergauf gehe ich, bergab laufe ich. Der weiche Sand rutscht unter den Füßen weg, das Laufen ist anstrengend. Aber mit den Stöcken stabilisiere ich meinen Geradeauslauf und gewinne mehr Vortrieb. Ich habe unglaublich viel Energie und pflüge durch die Wüste.
Die Dämmerung ist kurz und solange ich noch genügend Lichtreflexion auf dem Sand habe will ich ohne Kunstlicht laufen, aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, dass ich die Stirnlampe einschalte. Anstatt der Flaggen haben wir riesige Flutlichter, die als Markierungen dienen und den Weg weisen, außerdem geht es eh immer den Track lang.
Ich habe das Gefühl, Energie ohne Ende zu haben. Obwohl das Laufen so mühsam ist, der Weg immer auf und ab geht. Es ist mir egal. Ich laufe die Wüste unter mir weg, ich pflüge mit den Stöcken durch den Sand. Ich überhole Leute, die sonst vor mir laufen und als ich im Dunkeln an CP 2 ankomme sagt die Ärztin: ‚Dorte (sie kann das ö nicht aussprechen), is it already you? You are so strong today!‘ Ich nicke, fülle ungeduldig mein Wasser auf und bin wieder unterwegs. Total fokussiert. Ich will laufen, nur laufen, will die Kilometer fressen und vorwärts kommen.
Nachtmarathon! Das klingt romantisch, mysteriös, besonders. Ich mag die Nachtluft, die Dunkelheit, genieße es, zwischendurch die Lampe auszuschalten und den unglaublichen Nachthimmel über mir zu sehen. Sterne, riesig, funkelnd, die Milchstraße – es ist sehr beeindruckend! Und zugleich habe ich diese Ungeduld, dieses Getriebene und will nur weiter kommen, die Kilometer abhaken, ankommen. Für diese Etappe habe ich das GPS angeschaltet, diesen Luxus gönne ich mir, ich habe eine kleine Powerbank mit und kann die Uhr nach dieser Strecke nochmal aufladen. So weiß ich diesmal präzise, wie viel ich gelaufen bin und – noch wichtiger, wie viel ich noch vor mir habe. Irgendwann fliegt Rachid an mir vorbei – das sieht so leicht aus bei ihm! Dann überholt mich ein junger Omani, wir quatschen einen Moment, er zeigt sich beeindruckt von mir, vor allem als sich herausstellt, dass ich so alt wie seine Mutter bin. Er gibt mir ein Thumbs up bevor er in der Nacht verschwindet. Dann laufe ich wieder alleine, kämpfe mit dem Sand, wechsele immer wieder die Seite wenn ich denke, dass es da drüben ein wenig leichter zu laufen aussieht. Eine bekannte Gestalt kommt vorbei. ‚Sune is it you?‘ ‚Yes! What are you doing on the track, come here‘ Er tippelt und tänzelt um Büsche und Dünen und sucht sich seinen Weg neben der Straße. Das ist nicht kürzer, aber weniger langweilig und deswegen mache ich das auch.
Ich laufe wie enthemmt, wie eine Maschine, ich arbeite die Strecke ab, ramme die Poles in den Sand und fühle mich, jetzt schon seit Stunden, kraftvoll und nicht zu stoppen.
Ab Kilometer 30 wird es langweilig. Ich meine, das Konzept ‚Wir rennen des Nachts durch die Wüste‘ habe ich verstanden. Die Strecke ist gleichförmig, das Sichtfeld ist auf den Radius der Stirnlampe begrenzt, es passiert nichts Neues. Ich sehe einige Käfer krabbeln, sonst passiert nichts. Keine Schlange, kein Skorpion scheint Dienst zu haben.
Kilometer 40! Es geht leicht bergauf. Das ist mir egal, ich laufe. Der Sand stiebt unter den Füßen, die Stöcke halten mich stabil, weiter, weiter, es muss doch bald vorbei sein. Wo ist das Camp? Ich will nur noch ankommen. Jetzt merke ich den Effekt des LifeTuners, mein Magen fühlt sich etwas flau an, mir wird leicht übel. Der Witz ist, dass mich das nicht langsamer macht. Es ist beides da: Übelkeit und Energie. Da halte ich mich doch an die Energie!
Um 23:30, nach 8,5 h erreiche ich das Camp. Das klingt langsam – einen Straßenmarathon laufe ich in der halben Zeit – angesichts der Umstände ist es recht flott.
Müde und zugleich überdreht steuere ich das erstbeste Zelt an. Hier scheint alles etwas chaotisch. Wahrscheinlich war die Zeit für Abbau, Transport und Aufbau des Camps zu kurz und man hat angefangen, Dinge irgendwo hinzustellen, wo man gerade war. Heißes Wasser gibt es gegenüber, aber wo sind die Klos? – Egal. Ich gehe eh lieber in die Wüste. Rob und Oliver sind bereits im Camp, Rob kam eine Stunde vor mir rein. Ich sortiere meinen Kram, breite mein Schlaflager aus und weiß, ich muss mich duschen, so verklebt und verschwitzt kann ich mich nicht hinlegen. Ich fühle mich, als ob ich eine einen Zentimeter dicke Schicht aus Schweiß, Feuchtigkeit, Sand, Staub und irgendwelchen unangenehm reichenden Dingen aus meinem Körper auf der Haut habe. Undenkbar, so schlafen zu gehen. Der Tanklaster ist da, aber keine Duschen angeschlossen. Er steht beleuchtet in Sichtweite der Zelte. Mir ist alles egal. Nur in Unterwäsche wasche ich mich und gehe zum Wechseln der Klamotten danach hinter die nächste Düne. Dann liege ich im Schlafsack. Neonlicht scheint herein, nicht sehr wüstenromantisch. Die Längsseite des Zeltes ist offen um etwas Luft zirkulieren zu lassen, nebenan läuft bis 2 Uhr nachts ein Generator. Trotz Ohropax lässt mich der Lärm nicht schlafen. Als ich am nächsten Morgen doch halbwegs erfrischt erwache und in die feuchten Klamotten steige (was so unangenehm ist wie es klingt) treffe ich Sune. Er hat weiter hinten campiert. Da versuchten die Arbeiter bis 2 Uhr nachts die Toiletten aufzustellen, wozu sie einen LKW laufen liefen. Dann dachte man sich, dass eh alle in die Dünen gehen und um 8 Uhr wieder weg sind und sie ließen ihre Arbeit unvollendet.
Aber die Stimmung ist gut! Es ist nur noch eine Etappe bis zum Ziel, verkünde ich optimistisch. Only 23k to go!
Es wird ein Höllenritt.
Stage six: The White Sands Of The Arabian Sea
Die Todesdünen
21.11.19
Distanz: die längsten 23km meines Lebens
Start: 08:00 Uhr
Der letzte Tag! Die letzte Etappe bei einem Mehr Tage Rennen ist immer etwas Besonderes. Auf der einen Seite bin ich jetzt richtig in dem Rhythmus laufen, ausruhen, essen, schlafen , laufen drin und könnte das noch weitere Tage durchziehen, auf der anderen Seite ist alles seit dem Start auf das Erreichen des Ziels fokussiert, auf die letzten Meter, das Überschreiten der Ziellinie und das Loslassen, was nach einem so langen Wettkampf auch in einem emotionalen Loslassen und Frei-sein mündet.
Heute denke ich ‚Ja, ok, da waren einige verdammt steile und im Grunde senkrechte Anstiege im Roadbook verzeichnet, aber was soll schon passieren, es ist die letzte Etappe und nachdem alles bisher so smooth lief, wird das hier auch noch klappen‘. Die Beine sind gut, ich überlege, meinen Rucksack noch leichter zu machen, indem ich meine 20.- Isomatte hierlasse. Als ich rumfrage, ob die irgendwer gebrauchen kann (die omanischen Athleten haben z.T. schlechte Ausrüstung), reagiert unsere sonst so freundliche Ärztin mit einem ‚It’s a self-sufficient race, you have to carry your stuff till the end:‘ ‚Yes, I agree, but I personally had sufficiently from y matress‘. Schließlich geht sie an eine junge Omanin, die sich über den Ausrüstungsgegenstand freut und kein Problem darin sieht, die gut 400 g zusätzlich zu tragen.
Eine Stunde vor dem Start gibt es im Nachbarzelt Trubel. Eine Italienerin hat sich ein Band in der Leiste gerissen und wird auf einer Trage zu einem Fahrzeug des Roten Halbmonds gebracht und abtransportiert. Ich werde Marisha einige Tage später am Flughafen sehen, wo sie zwar im Rollstuhl sitzt, aber ungebrochen optimistisch ist. Alles wird ausheilen und sie wird wiederkommen, versichert sie mir.
Vor dem letzten Start gibt es das letzte Briefing. Wir sollen es langsam angehen lassen, die ersten 10 km seien easy, danach würde es hart werden und die letzten 8 km seien wirklich schwer. Na, nützt ja nix, was weg muss, muss weg. Tatsächlich zeigt sich der Beginn der Etappe mit sanften Wellen, flach, nichts Schwieriges, wenn man vom obligatorischen weichen Sand mal absieht. Ich bin langsamer als am Tag zuvor. Habe ich es doch übertrieben, zu viel Kraft im Marathon gelassen? Sogar das meist walkende französische Ehepaar überholt mich. Nach einigen Kilometern schwenkt die Strecke aus der Ebene eine enorme Düne hinauf. Oben geht der Blick in einen steil abfallenden Trichter, den wir glücklicherweise umrunden dürfen und auf der nächsten Düne erwartet uns CP1. Ich fülle Wasser auf und bin mal wieder von den easy flasks genervt, die fummelig im Handling sind. Fran und Hayam sind kurz vor mir los, als ich noch mit den Behältern beschäftigt bin, kurz darauf hole ich sie ein. Dann beginnen wir unsere Wüstenexpedition. Mit dem nächsten steilen Anstieg betreten wir einen abgeschiedenen und kaum besuchten Teil der Wüste. Die Dünen hier sind so steil, das Gebiet für Fahrzeuge so unzugänglich, dass uns schnell klar wird, wie selten Menschen hier eindringen. Schier endlos reiht sich eine Riesendüne an die nächste. Mit großzügigen, weiten Tälern dazwischen, aber Flanken, die so steil sind, dass wir nun senkrecht an ihnen hochkrabbeln.
Diese Anstiege sind extrem kräftezehrend und frustrierend. Man nimmt das eine Bein 30cm hoch und tritt in den Sand, rutscht daraufhin 26cm nach unten, wiederholt die Prozedur mit dem anderen Bein usw. D.h. obwohl man andauernd und mit großer Kraft auftritt, kommt man faktisch nicht voran. Der Sand rutscht einfach weg und wenige Meter zu überwinden dauert schier unendlich lange. Anfangs laufe ich die weiten Downdune Abschnitte noch, irgendwann erscheint mir auch das zu viel. Es kommt eine Düne nach der anderen, die Sandberge türmen und türmen sich. Weiter nach links sehe ich am Horizont die Telegrafenmaste an der Küstenstraße.
Das Roadbook zeigte, dass wir eine ganze Zeit parallel zur Straße laufen bevor wir endlich abbiegen dürfen. Zu wissen, die Straße ist einige Kilometer entfernt nach links, aber die Fahnen weisen nur voraus, ist frustrierend. Wie beim Wellenreiten müssen wir die Sandkämme überwinden. Inzwischen laufen die Franzosen, Fran, Hayam und ich in einer losen Formation, bei der jeder mal vorne ist oder hinten, je nachdem wie schnell wir die Dünen erklettern und wie gut wir sind, den besten Weg zur nächsten Fahne zu finden.
Dann entdecken wir in einem Tal ein Feld aus Felsgestein. Als wir dieses überqueren stellen wir fest, dass es porös und voller Muscheln ist. Ok, das Meer ist einige Kilometer entfernt, aber wie kommen die hierher? Schnecken und Muscheln in der Wüste? Es ist ein sehr abgefahrenes Bild und ein eindrückliches Erlebnis. Trotzdem kann ich mich nicht überwinden, im Rucksack nach dem sanddicht verpackten Smartphone zu suchen um Fotos zu machen, ich will nur weiter. – Eine Erklärung für diese geologische Besonderheit liefert uns Kevin Tage später, als er am Flughafen in Mascat einen Geologen trifft. Der Fels war vor 80-90 Mio. Jahren Meeresboden, der durch tektonische Plattenbewegung jetzt in der Wüste nach oben gedrückt wird. Wie gesagt, wirklich abgefahren!
Plötzlich spüre ich einen Tropfen im Gesicht, dann einen zweiten. Für eine Minute regnet es in der Wüste. Die Tropfen bilden dicke Perlen im Sand, den sie sofort binden. Es sieht aus, als hätte man einen feuchten Pinsel genommen und die Wüste mit Wasser benetzt. Es hat etwas Magisches. Die wenigen Pflanzen wehen im Wind, als wollten sie möglichst viel des kostbaren Wassers einfangen, ich nehme die Mütze ab, um meine Haare mit Wasser zu benetzen – dann ist es schon wieder vorbei.
Hayam schleppt sich hinter mir durch den Sand und Fran, ihre Teamkollegin, die Musik hört und singend vor mir herläuft, wartet auf dem Gipfel einer Düne auf sie. Als ich keuchend aufschließe strahlt sie mich an und deutet auf die wirklich atemberaubende Sicht rundum.
Dann kommt der letzte Checkpoint! Mitten auf dem Anstieg zu dieser Düne liegt einer der beiden Griechen, die mich gestern interviewt haben und fotografiert unseren mühsamen Aufstieg. Ich habe eine Methode entwickelt, die ich ‚Dunefisting‘ nenne, bei der ich meine Fäuste senkrecht in den Boden ramme, was einfacher ist als mit der Handfläche. Als ich auf seiner Höhe bin wende ich mich ihm zu ‚I hate it!‘ Wir haben beiden meine gestrigen Worte im Sinn und lachen. Ja, mir ist schon klar, dass ich im Moment ein bisschen sehr mit dem nörgelnden Teil identifiziert bin, aber hey, es ist sauanstrengend und es ist wie es ist! Das blöde Gefühl wird schon wieder weggehen. Irgendwann.
Oben steht Jérome und schenkt Wasser aus. ‚Last Checkpoint!‘ ruft er mir zu. Ich nehme die easy flasks heraus und kann auch mit großer Kraft eine der beiden nicht öffnen. Wir lassen sie unter den 5 anwesenden Männern kreisen, keiner schafft es. Ich bin genervt. Eigentlich dürfen wir keine Wasserflaschen vom CP mitnehmen, das hieße, dass ich mit nur 600 ml auf die letzten Kilometer gehe. Klingt nicht verlockend. Jérome überlegt kurz und erlaubt mir dann eine Halbliterflasche mitzunehmen und sie im Ziel ordnungsgemäß zu entsorgen, was ich ihm verspreche.
Fran lacht mich an: It’s just another hour, then we are done!‘ ‚I wont make it in an hour.‘ ‚Well, then it‘s an hour and a half‘ ‚I wont be done in an hour and a half‘ ‚Ok, then it’s two hours‘ ‚Two hours? Yeah, that‘s realsitic‘ Damit hat Fran meine schlechte Laune aufgelöst. Es sind noch 8 Kilometer bis ins Ziel und sogar in dem wahnsinnig langsamen Tempo, das wir im Moment draufhaben bin ich in zwei Stunden auf jeden Fall da. Dieses neue Mindset gibt mir Kraft und ich laufe mit mehr Energie los. Alleine. Die Franzosen sind noch nicht da und Fran will auf jeden Fall die letzten Kilometer mit Hayam zusammen laufen.
Die Idee, dass ich in zwei Stunden am Meer bin (und wenn ich erstmal da bin, bin ich auch schnell drin, schließlich habe ich morgens schon meine Badeklamotten unter den Laufdress angezogen) beflügelt mich. Jeden Kilometer, den ich absolviere, hake ich ab. Als ich die 20 überschritten habe, juble ich laut ‚Nur noch drei!‘ Es fühlt sich gut an!
Und dann, endlich, steht die nächste Fahne weiter links und erlaubt mir, Richtung Meer zu schwenken. Ich kann es nicht sehen, aber zu wissen, es ist da, hinter den Telegrafenmasten, gibt mir einen Punkt, auf den ich mich konzentrieren kann. Es wird flacher, eine einfache Hütte steht im Sand, in der Nähe liegt ein Schafskadaver, weit vor mir sehe ich einen Läufer. Den werde ich nicht mehr einholen. Schade, jetzt, wo die Energie zurück ist, hätte ich Lust auf ein kleines Wettrennen. Kommt jetzt die Straße? Nein, noch eine Düne, noch eine….Menno! Dann sehe ich die Straße, überquere laufend den Asphalt und denke, wie ungewohnt das ist, einen Boden zu haben, der nicht wegrutscht. Drüben kann ich jetzt die Spitzen der Fahnen erkennen, die das Ziel markieren und höre Musik.
Ich laufe, laufe die letzte Düne hinunter, über Felsen, durch Sand, laufe und laufe, biege in die Zielgasse ein, sehe die Menschen hinter dem Zielbogen, die mich anfeuern, nehme meine Mütze ab, schwenke sie und lege unter Juchhu Rufen die letzten Meter zurück. Geschafft!
I DID IT!
Eine große Freude durchströmt mich.
Sofort stehe ich vier Fotografen gegenüber, Said gratuliert mir, ich bekomme eine Medaille umgehängt und während wir Fotos machen frage ich ihn, auf die Dünen weisend und eine große Höhe andeutend ‚Said, why do you hate us?‘ ‚I dont hate you, I dont hate you!‘ Wir lachen befreit, ich bin einfach nur ausgelassen und voller Energie. GESCHAFFT! Denke ich immer wieder, geschafft! Ich habe es geschafft!
‚Get some food, go for a swim and take a rest‘ kommt die Ansage und genau das mache ich. Essen, Fotos machen für meine Sponsoren und dann ziehe ich die feuchten, riechenden X-Bionic Sachen aus, schäle mich aus den Kompressionsstulpen und stürze mich ins Meer. Es ist wunderbar! Das Wasser ist warm, weich, die Wellen genau richtig. Ich schwimme und plansche ein wenig. Als ich rauskomme wasche ich unter dem Tanklaster, der glücklicher weise immer noch dabei ist, das Salzwasser ab, ziehe mir das Finisher-T Shirt an und freue mich. Klatsche mich mit den anderen ab. Jeder ist froh, es geschafft zu haben, es ist eine Mischung aus Ausgelassenheit und Zufriedenheit, loslassen, genießen.
Dann kommt die Nachricht, dass Kevin sich verlaufen hat. An einer Stelle ist er, anstatt sich Richtung Meer zu wenden, wieder ins Landesinnere gelaufen. Ich sehe, dass die Organisatoren sich Sorgen machen. Mit zwei Autos fahren sie los. Zum Glück finden sie einen Zugang in den schwierigen Teil der Wüste, machen ihn ausfindig und setzen ihn auf die richtige Spur. Er kommt als Letzter ins Ziel und wird von allen versammelten Läufern enthusiastisch gefeiert. Alle sind drin! Alle, die heute Morgen starteten, haben das Ziel erreicht! Well done! Rachid hat – wie erwartet – den Gesamtsieg geholt. Er ist einfach gut!
Der Rest ist schnell erzählt: Mit Bussen geht es zurück ins Camp nach Bidiyah, wo wir um 20 Uhr ankommen. Mir ist es nun zu kühl zum Duschen und ich vertage das auf den nächsten Morgen. Nachts wollen Emmanuelle und ich unsere feuchten Schlafsäcke im Zelt trocknen, als es anfängt zu regnen und der Regen auch ins Zelt dringt. Die vorher feuchten Schlafsäcke sind jetzt nass (trocknen am nächsten Tag aber ganz schnell in der Sonne).
Ich erwache um 6 Uhr (in einem BETT!) mit dem Gedanken ‚Wie war dieses Lied von Patti Smith? People take a shower?‘ Ich beschließe, dass es Zeit ist für eine Dusche, für DIE Dusche! Und so geschieht es. Haare waschen, einseifen, alles inklusive. Es ist wunderbar.
Tagsüber machen wir einen Ausflug zum Wadi Bani Khalid, wo es grün ist und wir in den schmalen Schluchten glasklares Wasser sehen. Am Abend steigt im lokalen Fußballstadion die Verleihung der Preise. Es gibt eine große Bühne, Flutlicht, ein Rahmenprogramm. Emmanuelle ist Dritte geworden! Sie ist geschockt, wir freuen uns alle für sie. Danach gibt es ein opulentes Buffet, auch mit vegetarischen Spezialitäten, eine letzte Nacht im Zelt und am nächsten Morgen fahren wir zum Airport. Hier erfahre ich endlich meine Platzierung. Platz 33. overall und 8. Frau! Ich bin echt stolz.
Am Airport gehen Sune und ich frühstücken, hängen etwas rum, loggen uns ins WLAN ein und nehmen Kontakt zur Welt außerhalb der Wüste auf. Leider können wir im Flieger nicht zusammen sitzen. Ich habe allerdings in Franziska, Masterstudentin der Politikwissenschaft und auf dem Rückweg von einem Praktikum in der Deutschen Botschaft in Mascat, eine tolle Nachbarin mit der ich mich angeregt unterhalte und noch einiges Interessantes über den Oman lerne.
In München habe ich nur wenig Zeit, der Flug nach Düsseldorf geht 45 Minuten nach Ankunft dort. Ich fahre mit Sune zum nächsten Terminal und dann verabschiedet er mich: ‘You are more in a hurry than me, go!‘ Ich betrete die Rolltreppe und jogge, langsam, gleichmäßig und mühelos nach oben, biege noch einmal ab, bin am Gate und kann sofort das Flugzeug boarden. Alles im Fluss!
In Düsseldorf holt mich Uwe ab, wir fahren sofort zum Inder, wo ich Berge esse. Das bleibt noch einige Tage so. Insgesamt habe ich im Oman und in den Tagen danach 2kg verloren, wie bei all den Rennen zuvor auch. Aber ich fühle mich körperlich nicht müde. Die erste Woche laufe ich nur kurz und regenerativ, ab der zweiten Woche steige ich langsam wieder ins Training ein. Ich bin großartig in Form!
Danke an alle, die diesen Lauf möglich gemacht haben! Allen voran an Said Alhajri, der mit Herz das Rennen organisiert hat. Aber auch Dank an die ganze Crew, die uns betreut und angespornt und nach Kräften unterstützt hat. Es war eine großartige Erfahrung!
Danke an BioKat und NorSan für ihr Sponsoring! Mehr gleich unter Ausrüstung!
Wie habe ich trainiert? Ich habe keinen strikten Plan, sondern ein Gerüst, wie ich über mehrere Monate mein Training intensiviere. Dazu gehören kurze, schnelle und natürlich auch lange Läufe (aber nicht mehr als 30km) und das Tragen eines Rucksacks, bei dem ich das Gewicht langsam steigere. Ich mache meist 4 bis 5 Laufeinheiten in der Woche und ein- bis zweimal EMS Training bei Body Street zum Muskelaufbau. Ich weiß, dass die Studienlage zur Wirksamkeit dieses Trainings unklar ist, meine Erfahrung damit ist jedoch positiv und ich habe es aus diesem Grund in mein Training integriert. Da ich keine Vierzig mehr bin (mein Standardspruch im Rennen: I am not fourty any longer!) brauche ich genügend Regeneration und plane einen, teilweise zwei Ruhetage je Woche ein. Wenn ich wie mit dem Drachenlauf oder dem Bottroper Herbstwaldlauf Wettkämpfe vor dem Etappenrennen habe plane ich die als Training, d.h. es geht da nicht um die Zeit, sondern es ist eine Intensiv-Einheit. Man muss Prioritäten setzen und kann nicht überall maximal fit sein.
Wen es interessiert, hier ist eine Aufstellung der von mir verwendeten Ausrüstung
- • Schlafsack Yeti Passion III Yeti hatte uns über den LDRC Little Desert Runner’s Club die letzten beiden Jahre gesponsert und deswegen habe ich den Passion III. Ein noch leichterer hätte es auch getan, es war nachts nicht kalt
- • Glymnis Camping Isomatte Wie gesagt, €20,- über Amazon, leicht, bequem, die richtige Wahl, würde ich sofort wieder kaufen, mit integriertem Kopfkissen – wie cool ist das denn?!
- • Raidlight Responsiv 25L habe ich über die spanische Firma trekk inn bestellt und für um die €100,- bekommen (kostete mal €170.- oder so, ist das Modell vom letzten Jahr), eine Nr. kleiner wäre auch gegangen, aber gab‘s nicht oder wäre teurer gewesen. Wiegt wenig, trägt sich gut – aber die easy flasks…..die habe ich direkt bei Raidlight reklamiert und immerhin eine Antwort und eine Gutschrift bekommen
- • X-Bionic twyce Hose und Shirt Da ich nicht mit Rafael und dem LDRC unterwegs war, gab es kein Sponsoring von X-Bionic. Ich habe das Set bei Amazon bestellt. Blau war am preiswertesten und ich mag blau….. Der Schnitt wurde dieses Jahr verbessert, das Material ist toll temperaturausgleichend und ich mag enganliegende Kleidung. Die Armlinge sind auch von X-Bionic, ich schätze es, dass sie so multifunktional sind: Sonnenschutz, Kälteschutz, mit Wasser getränkt kühlen sie, abends kann ich ein T Shirt damit aufrüsten, ich würde nie ohne Armlinge auf ein multi-stage-race gehen!
- • Hoka one one Clifton Der ist schon 2 Jahre alt, war gut! Kombiniert mit den auch schon 2 Jahre alten Sandgamaschen von Raidlight.
- • Socken X-Bionic und Injinji 2 Paar X-Bionic und 1 Paar injinji, damit kann man immer spielen. Bin z.T. mit 2 Socken übereinander, z.T mit einem Paar gelaufen. Früher bin auch mit Wrightsocks gelaufen, die haben bereits 2 Schichten, aber nachdem ich damit in der Gobi eine Blase bekam (ich bekomme sehr selten Blasen) hat meine Zuneigung gelitten
- • Royal Bay Kompressionsstulpen Die habe ich mal vor Jahren beim Berlin Marathon entdeckt. Leicht, unglaublich langlebig – mit diesen blauen hier war ich schon 2017 in Namibia – unschlagbar günstig, meine absoluten Lieblingskompressionsstulpen
- • Lyo food Machen Trekking food ohne Chemie, in Bio-Qualität und auch vegetarisch. Mein Standardabendessen ist Barley Risotto with Avocado Mousse
- • Basismüsli Schneekoppe von Aldi Süd Ja, ernsthaft. Aldi Süd, von denen ist auch die Cashew-Cranberry-Mischung, von der ich immer eine Packung dabei habe. Und ungezuckerte getrocknete Ananas
- • Davert Mühle instant Mahlzeiten Habe ich bei dm entdeckt. Wiegen 67g, geben ca. 230 kcal, also sind im Grunde nur ein Snack. Habe ich als Mittagessen genommen wenn ich im Camp war. Da kann ich nach der Anstrengung nur wenig essen und diese Mahlzeiten waren genau richtig! Bio, ohne Konservierungsstoffe oder Geschmacksverstärker, vegetarisch, viele Sorten, mache ich wieder
- • Ultra Sports Riegel Während der Etappe
- • Power Bar Riegel Während der Etappe
- • Xenofit Riegel Während der Etappe
- • Xenofit Pulver Vertrage ich besser als den Buffer von Ultrasports, den ich früher benutzt habe. Schmeckt etwas säuerlich und frisch, habe ich in JEDES Wasser gemischt und alle paar Minuten getrunken während ich draußen war
- • Refresher von Ultra Sports Direkt nach Ende der Etappe. Frisch, schmeckt gut, mag ich
- • SanOmega vegan Das beste Omega 3 Öl, das ich kenne! Ich nehme es seit 3 Jahren regelmäßig und habe wirklich eine Flasche mitgenommen. Entzündungshemmend, Herz schützend, Regeneration unterstützend, ein tolles Produkt! Gibt es aus Fischen oder vegan aus Mikroalgen gewonnen. Sprecht mich für mehr Infos gerne an, ich habe mich viel mit Studien und der Biochemie der Omega3 Öle beschäftigt. Oder wendet den Rabattcode EM423 bei Bestellungen unter www.norsan.de an
- • LifeTunerW von BioKat Dieses Teil wiegt nur 45g und ist meine Geheimwaffe und bei allen Ultras dabei. Ich nutze ihn, um bei Bedarf das System hochzufahren oder um die Regeneration zu unterstützen und auch um bei Fernreisen den Jetlag zu mildern. Bei Bedarf wirkt er auch schmerzstillend oder entzündungshemmend. Kein Doping! – auch hier, kontaktiert mich bei Interesse, oder nutzt den Code DOERTE25 und erhaltet damit 25,- Rabatt auf den Preis von 375,- Hier ist der link: www.bio-kat.de/shop
- • Garmin forerunner 235 Diese Uhr habe ich für das Rennen in Namibia 2017 gekauft. Nach 1,5 Jahren (am Tag nach dem Berlin Marathon) ging sie kaputt, ich reklamierte und bekam eine neue. Herzfrequenzmessung am Handgelenk, guter Akku, schöne Uhr, würde ich wieder kaufen
Die nächsten Termine und mehr Infos zum Rennen, auch massig Fotos und kleine Youtube Clips unter www.marathonoman.com Die Filme von Stage 5 und 6 zeigen auch mich. Fotos und Filme sind unter news zu sehen.
Für weitere Fragen stehe ich zur Verfügung unter Schreinert@berlin.de
© 08.12.2019 Dörte Schreinert