Wilde Hunde, wilde Mirabellen, wildes Camping – Mikroabenteuer vor der Haustür!

Oder, in Zahlen: 2 Frauen, 72 Stunden, 108 Kilometer und 66-Seen

Vorgeschichte

Als ich 2016 überlegte, mit Rafael Fuchsgruber und seinem Little Desert Runner’s Club nach Namibia auf meinen ersten Ultra zu gehen bat ich ihn, mir Kontakt zu einer Frau zu verschaffen, mit der ich mich austauschen könnte, um einzuschätzen, ob das was für mich ist (vor allem, ob ich das schaffe, ohne zu krepieren). So trat Magda in mein Leben und schon nach dem ersten gemeinsamen Abendessen wussten wir, dass wir uns regelmäßig sehen wollen. Und genau das machen wir seither auch wenn ich in Berlin bin.

2020 wollte sie im September einen 1.000 km Lauf machen (ja, so etwas gibt es – beides, so einen langen Lauf und Menschen, die so etwas machen) und dieser wurde gecancelt. Ich dagegen hatte monatelang mit einem total bescheuerten Epstein-Barr Virus zu kämpfen und war deswegen nicht traurig, dass keine Rennen stattfanden – ich konnte meinen Kadaver maximal einige Kilometer durch die Gegend schleppen. Als sie mich anrief, um mir zu sagen, dass ihr Rennen verschoben sei und sie sich jetzt betrinken würde, schlug ich ihr vor: ‚Lass uns 2021 einfach unser eigenes Ding machen – warum brauchen wir einen Veranstalter, der uns Fähnchen an den Weg stellt? Wir können doch selber irgendwo rumrennen und uns einfach nur freuen, weil der Wald so schön ist.‘ Am nächsten Tag schrieb sie mir: ‚Also gestern, als ich betrunken war, fand ich deine Idee schon gut, aber heute, wo ich nüchtern bin, gefällt sie mir noch viel besser!‘

Damit war das Ding klar: wir würden 2021 selbstorganisiert was machen!

Der 66-Seen-Weg

Tag 1, Freitag, 30. Juli 2021

Der 66-Seen-Weg ist ein 444km langer Rundweg um Berlin. Er startet in Potsdam, aber wir finden es langweilig, die erste Etappe durch die Stadt zu laufen und entschließen uns, mit dem RE nach Wustermark zu fahren und dort in die 2. Etappe einzusteigen. Magda hatte am Vorabend noch Ärger mit einem Mofafahrer der bis spät dauerte und bittet, dass wir noch nicht superfrüh starten. Wir treffen uns kurz vor 11:00 Uhr am Berliner Hauptbahnhof und nehmen die Bahn nach Wustermark. Im Rucksack habe ich ein Tarp, eine Bodenplane, Isomatte, Schlafsack, Regenjacke und Wechselklamotten, 2 Moskitonetze, die ich noch besorgt habe und ein wenig Lebensmittel.
Gesamtgewicht etwas über 5 kg.

Um 12:00 Uhr starten wir bei bestem Sommerwetter. 66 Seen, wir kommen – let’s go!
Zunächst geht es immer am Havelkanal entlang, die Landschaft ist offen, wir müssen gelegentlich eine Autobahn unterqueren oder eine Landstraße kreuzen, dann wird es hektisch und laut. Zwischendurch genießen wir die Wärme der Sonne und die Stille am Wasser und treffen so gut wie niemanden. Außer, nun ja, einmal, direkt nachdem wir bei Zeestow wieder in den Weg einsteigen und urplötzlich drei Frauen und fünf Hunden gegenüberstehen, die uns ankläffen und uns anspringen – also zunächst nur die Hunde……

Wir bleiben sofort stehen und erwarten, dass die Tiere zurückgerufen werden, aber nichts dergleichen passiert. Als Magda ihre Stöcke schützend vor sich stellt um sich gegen die Attacke einer sie aggressiv ankläffenden und anspringenden Handtasche abzuschirmen, rastet die Besitzerin aus. Unsere mehrfach ausgesprochenen Bitten, die Tiere zurückzunehmen werden mit Drohungen und hysterischem Gekreische beantwortet. Wir sind ratlos. Wie geht man mit solchen Menschen und den Verlängerungen ihrer sozialen Inkompetenz um? Mein Freund Andreas Meyhöfer würde zwar sagen ‚Keine Gewalt ist manchmal auch keine Lösung‘, aber wir reißen uns am Riemen und ziehen weiter, ohne die gesamte Bagage im Kanal ein mütchenkühlendes Bad nehmen zu lassen. Dieses Erlebnis bleibt glücklicherweise unsere einzige blöde Erfahrung auf dem gesamten Trip. Alle anderen Menschen, die wir treffen erweisen sich als freundlich und hilfsbereit.

Kurz darauf finden wir die ersten von vielen weiteren wild wachsenden Mirabellen am Wegesrand und schlagen uns die Bäuche voll. Das Leben ist gut!

Wir erreichen Brieselang, was nachmittäglich-verschlafen in der Sonne liegt und ziehen weiter nach Schönwalde. Auf diesem Stück haben wir teilweise das Gefühl, dass der 66-Seen-Weg lange nicht mehr begangen wurde. Das Gras steht hoch, Ranken schneiden in die Beine, wir sehen niemanden, scheuchen eine Schar Rebhühner auf und laufen kilometerlang am Havelkanal lang ohne Zeichen von Menschen zu sehen.

Gegen 17 Uhr sind wir in Schönwalde und beschließen, am Schlossgut Schönwalde Pause zu machen. Eine ausgezeichnete Idee! Der Grillkäse mit hausgemachtem Pesto ist köstlich, das lokale Bier frisch und wir versprechen, wiederzukommen.
Der nächste Abschnitt führt uns durch Wald und Feuchtgebiete. Die Mücken stürzen sich auf uns und wir wälzen uns in Autan, um sie davon abzuhalten, uns aufzufressen.

Da wir beide einen therapeutischen Hintergrund haben (Magda ist Fachärztin für Psychotherapie) unterhalten wir uns über medizinische Fragen (jaja, auch das Scheiß C-Thema) und obwohl wir aufgrund unserer Geschichte und Erfahrung z.T. unterschiedliche Einschätzungen haben können wir unsere Gedanken austauschen, hören der anderen zu und nehmen uns ernst. Was für eine angenehme Erfahrung!

Gegen 19 Uhr erreichen wir das Zentrum von Hennigsdorf, holen uns schnell im Drogeriemarkt neue Getränke und beschließen, ruhig noch ein Stück zu laufen. Es ist hell, wir haben noch Power. Hinter Hennigsdorf verläuft der Weg auf einem Radweg parallel zur stark befahrenen Landstraße und uns nervt der Autoverkehr.
Da wir schlecht einen spontanen Beitrag zur Verkehrsberuhigung leisten können schwenken wir auf einen Weg parallel zum Seeufer ein, das ist zwar länger, aber schöner zu laufen. Außerdem erkennt Magda, dass sie hier bereits mal unterwegs war und sich auskennt. Es kommen nur einige Radfahrer vorbei und wir lassen den Straßenlärm hinter uns. Und laufen. Und laufen. Langsam sinkt die Sonne und die Frage kommt auf: Wo campen? Rechts der Straße gibt es nach wenigen Metern einen Zaun, der den Zutritt zur Stolper Heide versperrt, auf dem schmalen Stück dazwischen können wir schlecht sichtgeschützt unser Tarp aufspannen. Links, Richtung See, ist der Boden sofort voller Unterholz, es wimmelt von Mücken und der Untergrund ist schlicht ungeeignet. Also weiter. Wir umrunden das Wasserwerk. Laut. Weiter. Irgendwo muss es doch mal besser werden!
Es ist inzwischen gegen 21 Uhr und im Grunde müssten wir jetzt Lager machen. Als wir uns der A111 nähern und die Autos und LKW mit Karacho über unsere Köpfe hinwegdonnern hat Magda eine Idee: ‚Lass uns an der Marina in Hennigsdorf fragen, ob wir da auf der Wiese übernachten können, ich war schonmal mit dem Boot da und die Leute sind nett.‘ – Fein! Wir sind jetzt müde und beide wortkarg, das Tempo ist nicht mehr ganz so hoch wie zu Beginn der Etappe. Dunkel ist es inzwischen auch. Glücklicherweise findet sich Magda sofort zurecht und wir sind um 22 Uhr an der Marina. Der Hafenmeister ist schon im Bett, aber eine freundliche Frau erlaubt uns, auf der Wiese zu campen.

Wir bauen im Dunkeln das Tarp auf, hängen die Moskitonetze ein, nutzen das WC der Gaststätte und legen uns dreckig, verschwitzt und total mit uns und der Welt zufrieden in die Schlafsäcke. 38 km haben wir runtergerissen. Was für ein Tag!

Tag 2, Sonnabend, 31. Juli 2021

Ich erwache und mein Blick fällt durch die offene Rückseite des Tarps auf ein Tier, welches zum Wasser rennt, ein Tier, welches sich mit fließender Eleganz bewegt, ein Tier, welches ich in Deutschland noch nie in der freien Natur gesehen habe: ein Otter. Whow! Ich bin geflasht und sofort hellwach. Eine Inspektion der Duschräume ergibt, dass ich einen Token bräuchte, um an eine heiße Dusche zu kommen und finden niemanden, der mir zwei solcher Dinger verkaufen würde. Aber wir sind am Wasser, es muss doch hier irgendwo eine Möglichkeit geben, mal einen kurzen Dip zu nehmen? Und klar, ganz am Ende des Geländes gibt es einen Einstieg in den Kanal. Ich schmeiße die Klamotten ab, tauche meinen Körper ins Wasser – ah! Ist das gut! – komme raus, rubble mich ab und bin im Nu wieder sozialkompatibel und dezent gekleidet. Als Magda auf meine Empfehlung kurz darauf auch ein Bad nimmt, kommt ein Anglerboot vorbei. Die Leute winken, was soll sie machen? – Winkt sie halt zurück 😉

Es gibt einen Picknickplatz mit einem riesigen Tisch und Bänken, alles unseres jetzt! Magda nimmt ihren Jetboil -Kocher in Betrieb, ein saugutes Teil, wir teilen uns ein Traveller Müsli und meine wunderbaren Bio-Espressosticks, bauen unser Camp ab und sind um 10:00 Uhr wieder unterwegs.

Birkenwerder ist das nächste Ziel. Wir durchqueren es zügig und nicht ganz auf der vorgesehen Route. Die Beschilderung des Weges ist nicht durchgehend, bzw. nicht durchgehend gut. Immer wieder bitten wir den Himmel ‚Schick uns ein Zeichen Gottes!‘, denn wir sind auf der Suche – auf der Suche nach dem blauen Kreis im weißen Quadrat.

Magda hat ihr Smartphone mit der Navi App, ich den Wanderführer griffbereit, zur Not fragen wir nochmal nach und haben einige entspannte Pläusche. Die Briese und das Briesetal kennzeichnen die ersten Kilometer. Der Fluss fließt träge und langsam und bildet immer wieder Weiher stehenden Wassers, die mit toten Bäumen durchzogen sind und deren Oberfläche grün ist von Schlick und Wasserlinsen. Es erinnert mich an die Sümpfe aus dem Herrn der Ringe und fast erwarte ich, aus den Tümpeln ein gehauchtes ‚Mein Schaaatz‘ zu hören. Sehr speziell und nicht erwartet, die Gegend ist wahrhaftig abwechslungsreich.
Nach dem sumpfigen Briesetal durchlaufen wir in kurzer Folge luftige Kiefernwälder oder kühle Buchenhaine, absolut traumhaft. Da Wochenende ist sind wir nun nicht mehr komplett allein auf den Wegen, aber der Andrang hält sich absolut in Grenzen, was mich wundert angesichts der Nähe zu Berlin. Leider haben alle im Wanderführer aufgelisteten Restaurants entweder zu oder existieren nicht mehr und wir werden hungrig. Mitten im Wald erhalten wir die Empfehlung, in Wensickendorf am Bahnhof einzukehren und sind motiviert, die letzten Kilometer bis dahin flott zu absolvieren (‚In Ihrem Tempo sindse in zwanzich Minuten da‘). Der letzte freie Tisch auf der Terrasse wird unserer, Magda ordert Blutwurst, ich nehme das andere Extrem, Gemüsebratling, wir zischen uns jede ein kühles Getränk rein, soweit alles fein. Windig war es schon den ganzen Tag, in einiger Entfernung hören wir Donnergrollen. Nass werden ist ja okay, aber trocken werden danach wäre schön.
Wir diskutieren kurz, was wir machen, dann zückt Magda ihr Telefon und ordert im Lounge Hotel Seeterrassen am Wandlitz See ein Zimmer für uns – die nehmen uns auch ohne tagesaktuellen Test und sind sehr entspannt. Wir verkünden, dass wir in 1 bis 2 Stunden da sein werden und starten auf den nächsten Abschnitt. Kaum im Wald treffen wir zwei Leute, die jeder ein Pony führen. Tadellos gepflegte Tiere, die Mähnen in Zöpfen geflochten, die Schweife eifrig im 4 Takt des Schrittes wippend, wir grüßen kurz und sind mal wieder erstaunt, wer und was hier unterwegs ist. Der Wind bleibt mit uns, das Wetter zieht weiter und wir erreichen den Wandlitzer See. Ich würde jetzt gerne schreiben ‚Wir gingen am Ufer entlang‘ aber das geht nicht. Also das Am-Ufer-lang-Laufen, da stehen überall private Häuser und man kommt nicht ran an den See. Von meiner Mutter, die ihre Kindheit und Jugend hier verbrachte wusste ich, dass das auch früher schon so war.

Vor lauter Begeisterung laufen wir zunächst zu weit (warum hat das Hotel auch kein Schild unten am Uferweg?), bemerken das aber schnell und checken um 16 Uhr ein. Heute nur 28km gemacht, aber der Luxus einer Dusche und die Möglichkeit, die Klamotten mal durchzuziehen sind wunderbar.

Abends genießen wir ein vorzügliches Essen im Restaurant, ich föhne noch eine Runde die Klamotten damit die morgen früh trocken sind, dann heißt es ab in die Heia!

3.Tag, Sonntag, 01. August 2021

Nach der Dusche steigen wir in trockene und saubere Kleidung und fühlen uns wie Diven damit. Das Frühstücksbuffet ist großartig, wir hauen ordentlich rein und um 09:30 stehen wir vor dem Hotelportal. Weiter geht’s!

Wir laufen nördlich einer Seenkette immer am Ufer entlang; Wandlitz See, Heilige Drei Pfühle, Regenbogensee, Liepnitzsee (mit dem wunderbar türkisfarbenen Wasser), Seechen bis nach Ützdorf und dann weiter am Obersee und Hellsee lang. Hier ist nun wirklich mal Sonntags-Fußgänger-Verkehr, aber der Weg ist klar, wir müssen nicht navigieren, das Zeichen Gottes ist mit uns und wir machen ordentlich Strecke. In Lanke steht das Haus von Joseph Goebbels, dem ehemaligen Reichspropaganda Minister und ich erinnere mich, dass meine Mutter erzählte, dessen Kinder seien früher mit einer Ponykutsche durch die Gegend gefahren worden und sie und ihre Freunde seien alle neidisch gewesen. Na, der Neid hielt nicht lange.

Wir lassen die düstere Geschichte hinter uns und wenden uns lieber dem Lenné Park zu, dann geht es das Hellmühler Fließ entlang, eine wunderbare Buchenschlucht wie von Caspar David Friedrich gemalt, wo der Pfad ganz schmal wird und wir über umgestürzte Bäume klettern müssen. Als nächsten Ort erreichen wir Biesenthal. Dort hat die Taverna Mykonos geöffnet und schöne Plätze auf der Terrasse frei. Da man auf diesem Weg die Gasthäuser nehmen muss, wie sie kommen (haben wir überhaupt schon einen Supermarkt gesehen auf diesem Trip?) und die Zeit passt, machen wir Rast. Einen Choriatiki und eine Berliner Weisse (rot, nur rot, grün geht gar nicht!) später machen wir noch schnell die Wasserflaschen voll und sind wieder on the road.

Durch Biesenthal durch, am Bahnhof links, schon sind wir wieder in der Natur. Jetzt durchqueren wir den Naturpark Barnim mit lockerem Baumbestand in einem lichten Wald, der nächste Ort ist Melchow. Sonntägliche Stille liegt über dem Dorf, ein paar Leute halten einen Schwatz auf der Straße, am Feuerwehrteich (na ja, eigentlich ein Minitümpel, hoffentlich brennt es nicht) und der Dorfkirche halten wir kurz und ich bitte in einem Haus, meine Wasserflasche aufzufüllen. Dann geht es weiter.

Es ist warm, eine wunderbare Sonne scheint auf uns, wir kommen durch Schönholz, werfen einen Blick in die Bernauer Heerstraße, die Napoleon nutze auf seinem Weg nach Russland, als er noch optimistisch war, queren das Nonnenfließ, laut Beschilderung ‚eines der schönsten naturnahen Fließgewässer Brandenburgs‘ – wir finden, eine nette Umschreibung für ‚Mückenüberfall bis der Arzt kommt‘ und sind am frühen Abend in Trampe.

Nun benötigt Magda Wasser und wir fragen eine Familie, die gerade aus dem Auto steigt. ‚Wollt ihr heute noch nach Hause?‘ – ‚Nö, wir schlafen draußen‘ ‚Es gibt Wölfe in Brandenburg‘ (hat ja schon Reinald Grebe besungen, fällt mir dazu ein), da winkt Magda ab ’Die fürchten wir nicht‘. Wir bekommen einen wunderbaren Tipp von der freundlichen Frau ‚Geht nach Gerstdorf und zum Gamensee, am südlichen Ufer gibt es eine Wiese, da könnt ihr zelten. Nehmt die Landstraße, das ist schneller‘. Genau diesen See hatten wir auch im Blick gehabt und da die Landstraße parallel zum 66 Seen-Weg verläuft, sind wir nicht zu weit ab.

Drei Kilometer Landstraße und eine Ortsquerung Gerstdorfs später biegen wir den schmalen Pfad zur Wiese am Wasser ab. Wir treffen auf einen Typen mit Fahrrad und Packtaschen und ich quatsche ihn sofort an: ‚Na, du willst wohl auch hier übernachten?‘ ‚Wat denn, ihr och? Ihr habt doch janüscht dabei!‘ ‚Ha!, entgegnet Magda nur ‚Wir haben alles dabei!‘

Der nächste Morgen beginnt traumhaft.

Tag, Montag, 02.08.2021

Die Sonne scheint als ich erwache und ich gehe als erstes eine Runde schwimmen. Das Wasser ist warm, weich und fühlt sich himmlisch an. Rainer ist auch schon wach und als wir unser Frühstück bereiten erzählt er, dass er wegen Knieproblemen zurzeit nicht arbeitet, im Januar eine Umschulung macht und der Arzt ihm gesagt habe, Rad fahren sei gut, also würde er jetzt Brandenburg und Sachsen per Rad erkunden. Er ist beeindruckt von unserem ultraleichten Wandern und als Magda noch ein wenig von ihren Läufen erzählt (Yukon, finnische Tundra, Temperaturen bis -40°C) umso mehr. Dagegen kann ich mit meinen 250 Kilometer-Läufchen einpacken 😊

Er macht sich auf den Weg, während wir noch das feuchte Tarp trocknen und wir verabschieden uns herzlich. So schnell wie wir es am Vorabend aufgebaut haben, haben wir unser Camp wieder in den Rucksäcken verstaut. Heute gibt es eine kurze Etappe. Wir gehen davon aus, dass es nur noch 10, maximal 15 Kilometer bis Falkenberg sind, dort wollen wir den RE nehmen. Doch als wir auf den Weg treten sehen wir das Zeichen Gottes – ein blauer Punkt in einem weißen Quadrat empfängt uns. Ach so ist das, denken wir, da wo wir sind, ist der 66-Seen-Weg. Alles klar. Es geht nach Norden, immer am Ufer des Sees entlang. Hier reicht der Wald bis ans Wasser und campen wäre schwierig geworden. Wir sehen, was für ein Glück der letzte Rastplatz war. Als wir am Nordufer auf den ‚echten‘ 66-Seen-Weg treffen sind wir enttäuscht. Das Schild sagt Falkenberg 6,4km. Mönsch, so schnell schon?! Die Beine wären für viel mehr gut! Als wir den Weg durch den lichtdurchfluteten Wald nehmen hören wir hinter uns ein Fahrrad. Rainer, der uns grinsend und winkend überholt.

Der nächste Ort ist Cöthen. Der Schlosspark ist ein Naturpark und drinnen wächst alles genauso wild wie draußen. In der Beschreibung heißt es, man hätte vom Restaurant Carlsburg im Park einen Blick bis ins Oderbruch. Das reizt uns, aber es ist zu früh. Das Restaurant öffnet erst um 12 und wir ahnen nur, welchen wunderbaren Weitblick man von der Terrasse hätte. Immerhin öffnet ein freundlicher Koch auf mein Klopfen und füllt mir nochmal Wasser auf. Er bedauert, dass vom Service noch niemand da sei und er uns keinen Kaffee bieten kann. Am Fuße des Parks sind wir schon in Falkenberg und damit am Ende unserer Tour. Um kurz vor 11:00 betreten wir das einzige Gleis. Der nächste Zug nach Eberswalde geht in einer halben Stunde. Zeit, die Rucksäcke abzusetzen, ein letztes Foto von uns vor dem (sehr übersichtlichen) Fahrplan zu machen. Dann kommt der RE, Maske auf, wir steigen ein. Umstieg in Eberswalde und in Gesundbrunnen dann der Abschied. Ich treffe morgen Uwe bei Hamburg um mit ihm nach Schweden zu fahren und habe einen Termin zum Test, Magda fährt weiter zur Friedrichstraße.

Heutige Etappe 8km, insgesamt sind wir 108 Kilometer in 71 Stunden gelaufen. Es war großartig!

Ausblick: Wir werden den 66-Seen-Weg weiterlaufen. Etappenweise, wann immer wir Zeit finden. Ich freue mich schon!

 Dörte, 11.08.2021

Oman Desert Marathon 2019

ACHTUNG! nicht den DIVI-Builder benutzen, pagebreaks funktionieren dann nicht mehr sauber!!!

Sechs Tage Sandkasten, Dörte mittendrin!

Oman Desert Marathon 2019
Sechs Tage Sandkasten, Dörte mittendrin!
Zeitraum: 16. bis 21. November 2019
Ort: Oman, Bidiyah bis ans Arabische Meer
Länge: 165 km
Etappen: 6
Belag / Terrain: Sand und zwar weicher Sand und sehr weicher Sand (der ‚hard sand‘ aus dem Roadbook war irgendwie nicht da)
Startnr. 530
Zeit total: 36:06:15
Platzierung: overall 33 aus 50 Startern, Frauen 8 aus 17, AK 1, aber keine AK Wertung

Der ursprüngliche Plan für meinen 2019 Ultralauf war, im Rahmen der 4deserts Serie Ende September nach Chile zum Atacama Crossing zu fahren. Nachdem aber klar wurde, dass ich nach einer Trainingspause bis dahin nicht genügend fit sein würde, musste ein anderer Plan her. Nach einem Telefonat mit meinem Lauffreund Jerry war klar: dieses Jahr geht es in den Oman zum Oman Desert Marathon!

Den vollen Bericht lest ihr hier:

Donnerstag, 14. November 2019. Beim Einstieg in den Flieger nach Mascat komme ich zufällig mit einem Kanadier ins Gespräch.  Auch Kevin ist auf dem Weg zum Oman Desert Marathon und hat wie ich ein Zimmer im Radisson gebucht. Da ich zuvor dort den kostenlosen Shuttleservice angefordert habe kommen wir beide dort um 21:30 Uhr Ortszeit an und ich beziehe ein luxuriöses Zimmer, bei dem schon das Bad größer ist als manches Hotelzimmer, was ich in meinem Leben bewohnt habe. Ich schlafe wunderbar (Bett, weißes Leinen!) und genieße am nächsten Morgen das wohl beste Frühstücksbuffet meines Lebens, inklusive frisch zubereiteter Dosa, mein indisches Lieblingsessen.

Ich treffe einen Marokkaner im Lauf T-Shirt, es ist Rachid Almurabity, mehrfacher Gewinner  des Marathon de sable, ODM und weiterer Wüstenrennen. Der Typ ist eine Legende und dabei total entspannt. Ich verabschiede mich mit einem ‚See you at 10:30‘ – zu der Zeit soll uns der Bus abholen und zum Basecamp nach Bidiyah bringen – da sagt er: ‚No, we are leaving now, you have not checked out?‘ Ah, Omani time, Omani organization, ich renne auf mein Zimmer, schmeiße alle Sachen in den Koffer und bin 10 Minuten später am Bus. ‚We can go?‘ ‚No!‘, sage ich ‚I came with a canadian guy, he doesnt know about the changed timing’. Letztendlich werden noch vier Starter auf ihren Zimmern angerufen, eingesammelt und 20 Minuten später sind wir auf dem Weg zum Flughafen, wo Tommaso, der Co-Organsiator, mit einer weiteren Gruppe Teilnehmer wartet.

Bis Bidiyah sind es gut 200 km, wir fahren auf einer Autobahn, von der man als Deutscher nur träumen kann, alles ist neu, der Belag schlaglochfrei, es herrscht wenig Verkehr, wir kommen zügig voran. Nach gut 2 1/2 Stunden Fahrt müssen wir umsteigen in SUVs um über Sandpisten und eine steile Düne (an der prompt einige Autos hängenbleiben) ins Basiscamp zu gelangen. Mitten in der Wüste stehen in einem umzäunten Bereich Berberzelte, es gibt einen großen, luftig gebauten Essensraum und in kleinen, lehmverputzten  Verschlägen zwischen den Zelten befinden sich einfache Bäder. Sie bieten ein westliches WC, ein Waschbecken und eine Duscharmatur und da sie oben offen sind kann man beim Zähneputzen den Wüstenwind spüren.

Zusammen mit Emmanuelle, einer Ingenieurin aus Marseille, beziehe ich ein Zelt und wir sind entzückt. Es ist mit zwei echten Betten und kleinen Beistelltischen ausgestattet, hat ein einfaches Licht und einen Teppichboden und wir freuen uns über die Aussicht, noch eine Nacht zivilisiert schlafen zu können. Wie cool ist das denn?

Beim Abendessen machen wir Bekanntschaft mit Rob aus UK und Sune aus Dänemark, es gibt frisch gekochtes Essen, wir sitzen auf Kissen auf der Erde an den niedrigen Tischen und mampfen uns durch das omanische Buffet. Dann geht’s ab in die – ja – Betten! Noch einmal ein Bett, eine Decke, eine ebene Unterlage genießen. Luxus pur!

Stage one: The Rocks

Das warm-up mit der Wüste
16.11.19
Distanz: 20 km
Start 08:30

Am nächsten Morgen klettern wir wieder in die SUVs und fahren 20 Minuten bis zum Startpunkt. Da am 18. November Feiertag ist und drei Tage durchgefeiert wird gibt es ein offizielles Programm. Es gibt eine erfreulich kurze Zeremonie mit Fahnen schwenken, Kamelen und Pferden, dann geht es endlich an den Start! Um 8.30 Uhr fällt der Startschuss und alle rennen los, sofort erstmal einen Anstieg hoch. Die heutige Etappe ist mit 20 km die kürzeste, sozusagen das warm-up. Sie führt über einen breiten Track, eine unbefestigte Straße, auf der die einheimischen Zuschauer noch kilometerlang neben uns her fahren, alle anfeuern und begeistert zuwinken. Denn außer uns Langstrecklern starten auch noch etliche lokale Teilnehmer eines Halbmarathons und einige Kinder im 3km kids run und ich finde, es ist mächtig was los in der Wüste.

Wie erwartet ist es heiß, aber erträglich, der Rucksack und der Sand erlauben nicht gerade den flüssigsten Laufstil, aber es geht voran. Rechts und links türmen sich Dünen und es geht, und so wird es über die ganze Woche bleiben, eigentlich immer irgendwie hoch oder runter. Irgendwo steht ein Kamel rum, ansonsten Sand bis zum Horizont, unter, neben mir, nur der Himmel strahlt blau über allem und die Sonne zeigt, was sie so drauf hat strahlungstechnisch.  Als vor mir vier junge Männer nebeneinander gehen – ganz offensichtlich Teilnehmer des Halbmarathons – überhole ich sie nach der Ansage ‚Gentlemen, I am going to overtake you!‘. Als ich locker an ihnen vorbeitrabe und sie sehen, dass ich deutlich älter und auch noch mit einem Rucksack bepackt bin, fangen sie spontan wieder an zu rennen, aber es nützt nichts; flugs bin ich vorbei und lasse sie hinter mir. Gute Vorbereitung ist halt alles!

Ich laufe ein Stück mit Hayam aus Ägypten bevor ich auch sie zurücklasse und nach knapp vier Stunden  ist die Finish Line erreicht. Erste Etappe: check! Mit Autos werden wir ein kurzes Stück in die Dünen gefahren zu Camp 1, wo uns, Höhepunkt des Luxus‘, eine Dusche erwartet. Die ganze Woche über werden wir einen Tanklaster voller Wasser dabei haben und damit die Möglichkeit, uns ein wenig frisch zu machen.

Wir schlafen in traditionellen Zelten aus Wolle, die geräumig sind und in denen man stehen kann. Der Boden ist mit Teppichboden ausgelegt und das wird auch bei jedem Camp so bleiben, so dass wir das ganze Rennen über, wo wir uns irgendwann wie in Sand, Schweiß und Staub mariniert fühlen werden, zumindest Sand arm logieren können.

Ein Umstand, den man bei fortschreitenden Schwächen in der persönlichen Hygiene durchaus zu schätzen weiß. Heute ist es warm, so bleibt die Zeltfront komplett offen. Sune ist mit mir zusammen in Zelt 2  untergebracht, wir richten uns ein, Essen einen Happen, quatschen ein wenig und ruhen uns aus, ich döse rum, Rob guckt vorbei, und da ich – als Höhepunkt von Dekadenz und Luxus – ein paar Espresso Sticks dabei habe, verkünde ich: ‚I am going to open the German Café!‘ und lade Rob und Sune zum Instant Espresso ein. Was für ein Genuss!

Rob findet, er gehört in unser Zelt und zieht zu uns um. Es stellt sich raus, dass Sune sein T-Shirt mit ‚Club 100‘ (für 100 absolvierte Marathons) nicht umsonst trägt. Er ist bisher 150 Marathons gelaufen (im Schnitt läuft er jedes zweites Wochenende einen) und hat sich das Hemd redlich verdient. Wir quatschen noch ein wenig übers laufen und beschließen, unser Zelt ‚Tent Hygge House‘ zu nennen.

Die Italiener, die zuvor da waren, sind zu ihren Landsleuten gezogen und das französische Paar, welches immer für sich ist, logiert in der anderen Zelt Ecke. Wir haben massig Platz. All diese Reorganisation findet organisch statt, dem Veranstalter ist alles recht, man ist da sehr entspannt. Emmanuelle schaut vorbei, sie ist mit Kevin, Fran und Hayam untergebracht und fühlt sich gut. Am Abend essen wir unser gefriergetrocknetes Trekkingfood (maximale Kalorien bei minimalem Gewicht), ich verkünde: ‚Only 145 km to go!‘, was allgemein als enorm motivierend aufgefasst wird (Ja dann! Sind wir ja schon fast da!) und nachdem es dunkel wird liegen alle im Nu in ihren Schlafsäcken. Mein Körper fühlt sich gut an auf der aufblasbaren Matte für 20.- von Amazon und obwohl es windig ist liege ich kuschelig in meinem Yeti Schlafsack, alles ist fein.

Die Matte hatte ich kurz vor der Abreise spontan geordert. Ich wollte mal eine bequemere Variante ausprobieren als die faltbare Matte von Globetrotter, die ich sonst immer hatte (die hatte ich in der Gobi, einem Rat von Rafael Fuchsgruber folgend, verkürzt um Gewicht zu sparen. Das Resultat war, dass ich natürlich an den Füßen gefroren und das Ding direkt in Ulan Bataar gelassen habe). Aber 120,- bis 160,- für eine Matte von Sea-to-Summit fand ich doch ein wenig übertrieben und dachte mir, ich probiere mal eine einfache Lösung. Bingo! Als Sune sich neben mir auf seiner teuren Isomatte umdreht klingt das wie ein heraufziehendes Naturereignis, es ist extrem laut. Ha! Denke ich, meine Matte hat nur einen Bruchteil gekostet und macht nur ein Drittel so viel Lärm!

Stage two: The Caravan

Bin ick zum Wandern hier oder zum Laufen?
17.11.19
Distanz: 25 km
Start: 06:30

Was ich wirklich mag am ODM ist die Tatsache, dass wir früh starten, um 06:30, was mir als Frühaufsteherin entgegenkommt. Ich mag das morgendliche Licht und die Stimmung in der kurzen Phase des Sonnenaufgangs wenn alles so mild aussieht. Und natürlich ist es bis 08:00 Uhr von den Temperaturen her angenehm und bis 10 Uhr erträglich, so dass das Laufen in der gnadenlosen  Mittagshitze kürzer ist.

Was für uns Westler gewöhnungsbedürftig ist, sind die widersprüchlichen  Angaben im Roadbook und im gelegentlich stattfindenden Briefing. Das Roadbook spricht von 20km, tatsächlich werden wir heute aber 25 km vor uns haben und die ersten ‚richtigen‘ Dünen erwarten uns.

Die Markierungen beim ODM werden über große, weithin sichtbare Flaggen vorgenommen, die ca. alle 500 m aufgestellt und im Grunde weithin sichtbar sind (außer der Wind steht gerade so ungünstig, dass man nur den schmalen Mast in der Ferne sieht und nicht den wehenden Stoff). Da es zunächst über kleine Dünen geht sind die nächste und übernächste Fahne gut sichtbar und ist es ein wenig wie eine Schnitzeljagd oder ein Pfadfinderspiel. Was ist der kürzeste, schnellste oder bequemste Weg zur nächsten Flagge? Das mit 50 Leuten besetzte Starterfeld ist recht übersichtlich und die schnellen Läufer geraten rasch außer Sicht, und so finde ich mich – endlich! – alleine in den sanften kleinen Dünen, die wie eine Achterbahn aus Sand immer hoch und runter gehen und hoch und runter und ich gehe hoch und laufe runter, gehe hoch und laufe runter und mache so langsam, aber sicher, Strecke. CP 1: check! Wasser aufnehmen und weiter und durch! CP 2: check, nochmal Wasser auffüllen – oh, diese ‚easy flasks‘ von Raidlight sind einfach Mist! Um nochmal einige Gramm Gewicht zu sparen hat der französische Ultralauf-Ausrüster die weichen easy flasks entwickelt. Leider kann man sie entweder nicht aufschrauben oder nicht vernünftig zuschrauben und sie halten nicht dicht und dann muss man sich fast den Arm ausrenken oder sogar den Rucksack absetzten um sie in den Fronttaschen zu verstauen. Alles nervig und fummelig.

Ich lerne sie während des Rennens hassen. Letztendlich kosten sie mich über das gesamte Rennen mindestens 20 min Zeit und damit verliere ich 2 Plätze im Klassement der Frauen!

Zum Ende der Etappe gibt es, quasi als Vorgeschmack auf die morgige Strecke, schon mal eine größere Düne, die über mehrere Stufen steil ansteigt und viel Muskelkraft erfordert.  Als ich im Camp ankomme ist es noch früh, das Zelt ist schon aufgebaut, die Duschen nicht. Eigentlich wollte ich mich frisch machen und auch die Klamotten mal durchziehen, aber der Tanklaster trifft erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit ein, als ein frischer Wind aufkommt und da mag ich mich nicht mehr duschen und die Wäsche würde auch nicht trocken werden. Ich spendiere mir drei Feuchttücher aus meinem Notvorrat und nachdem wir alle schon im Schlafsack liegen und vergebens auf ein briefing warten welches die Frage klärt ob wir morgen um 08:30 (wie im Roadbook vermerkt) oder um 06:30 (‚normale Startzeit‘, auch im Roadbook, aber an anderer Stelle vermerkt) loslegen, stellt Sune den Wecker auf 05:30, wir machen um halb neun das Licht aus und schlafen.

Stage three: The Rising Action
I feel like a runner again!
18.11.19
Distanz: 27 km
Start: natürlich um 06:30!

Das Höhenprofil dieser Etappe offenbart höhere Ausschläge und in der Beschreibung von stage 3 heißt es: Dies ist die schwierigste Etappe! Wer die schafft, der schafft auch das ganze Rennen! Na gut, denken alle: ‚Let’s go!‘

Ja, es wird steil und ja, es wird anstrengend und doch: es ist schön, so schön, dass ich finde, das Wort ‚atemberaubend‘ ist zu schwach um die Landschaft zu beschreiben. Es gibt die Weite der Wüste, die wie gemalte, vom Wind gestaltete typisch geriffelte Oberfläche des Sandes, immer wieder kleines Strauch- und Buschwerk, von dem ich nicht weiß, wovon es existiert in dieser an Wasser so armen Gegend und es gibt insgesamt sieben Anstiege auf ca. 90m hohe Dünen, die schon ordentlich in die Beine gehen.

Eine Zeit lang begleite ich Imad aus Syrien, der schon lange in Europa lebt und ein überzeugter Fan von Diktator Assad ist (das behaupte ich mal, nachdem mir dessen Gesicht von Imads Handy und von seiner Syrienfahne, die er irgendwie immer dabei hat, entgegengrinst), ein Umstand, der mich dann das Weite suchen lässt. Man sieht halt wieder, dass jemand persönlich durchaus nett und freundlich sein kann und zugleich so grausige Ansichten hegen kann – ja, es macht mir zu schaffen. Aber in einer Phase, wo wir beide etwas schwächeln (ich denke, ich bin noch nicht warm, ehrlich), helfen wir uns gegenseitig auf die Dünen rauf und das ist einfach gut. Ich merke, dass ich je länger wir unterwegs sind, umso mehr Energie bekomme und lasse Imad bald hinter mir.

Die Dünen sind auf der Wind abgewandten Seite steil, der Sand dort sehr locker (weil nicht vom Wind komprimiert), dafür geht es auf der anderen Seite über etwas härteren Sand, der besser trägt, lange Strecken hinunter. Ich breite die Arme aus wie ein Kind, das simuliert zu fliegen und singe vor mich hin, es ist ein großartiger Spaß! An jedem Anstieg klingt mir das letzte Telefonat mit Jerry in den Ohren: ‚Du brauchst keine Stöcke, auch an den Dünen kann man gut hochlaufen‘. Mein Lieber, keine Ahnung, wie du zu dieser Einschätzung kommst, aber nächstes Mal nehme ich die Dinger mit! – Ich meine, sie sind ja im Oman, aber ich habe sie im Koffer im Camp in Biddiyah zurückgelassen…..

Dann habe ich die letzte, schier riesige Düne erklommen und sehe auf der anderen Seite unten im Tal einen Wüstentrack, auf dem weit entfernt jemand nach rechts läuft. Ein Blick rundum zeigt: die Flaggen weisen zunächst nach links um nach einem Umweg auf den Track zu münden. Um sicher zu gehen, dass wir nicht abkürzen (wer würde denn so was machen?!)  stehen auf der Strecke mehrere Autos mit ODM Logo, also keine Chance, hier zu schummeln. Der Veranstalter ermahnte uns am Morgen: No derivations! You have to stay close tot he flags! – woraufhin mir Emmanulle berichtete, am ersten Tag sei sie nicht auf dem Track, sondern nah an den 50m entfernt stehenden Flaggen gelaufen und hätte die Anweisung bekommen, doch bitte die ‚Straße‘ zu nehmen  😉

Also trabe ich erst nach links, biege an der nächsten Flagge im rechten Winkel rechts ab und 80 m weiter nochmal, passiere dabei die Autos, in deren Schatten sitzend sich eine Gruppe Organisatoren entspannt. Auf mein ‚It’s not working, you cant make the desert rectangular!‘ winken sie nur freundlich ‚Yes, go, go!‘, ich winke zurück und sehe vor mir: eine fast ebene Strecke mit – natürlich! – weichem Sand. Also verfalle ich in einen leichten Jog, den ich nur kurz für Gehpausen unterbreche. Überhole Hayam, freue mich, dass ich mal wieder rennen kann, versuche, die Hitze zu ignorieren, zutzel mein Wasser leer und werfe immer wieder einen Blick auf meine Uhr. Um Akku zu sparen habe ich das GPS ausgeschaltet. Da die Uhr meine normale Schrittlänge kennt, kann sie normaler weise die zurückgelegte Distanz auch ohne GPS Signal mit großer Präzision bestimmen. Hier klappt das nicht. Durch den Sand und den Rucksack (und evtl. auch die Hitze, ich meine, wäre ja vorstellbar, oder?) behindert, mache ich kleinere Schritte und muss die Angaben der Uhr entsprechend korrigieren.

Wenn sie verkündet, ich hätte 12km zurückgelegt, sind es real 10km. Da die Uhr jetzt schon mehr als 30 km anzeigt werde ich unruhig. Ich kann weit sehen, aber nirgends Anzeichen eines Camps entdecken und zum Glück auch keine Flagge, die mich wieder auf einen Hügel treibt. Ist die Etappe doch länger als 25km? Und wieso kommt da jetzt noch ein Check Point? Dann wird mir klar: das ist kein CP, das ist das Tagesziel! Hurra! Also Gas geben und in einem durchrennen! Ich werde mit Cheers und Geheule empfangen, jemand drückt mir eine Flasche kaltes Wasser in die Hand, Fran ist vor mir angekommen und wartet auf Hayam, die wenige Minuten nach mir einläuft. Wir sind bester Stimmung und klatschen uns ab. ‚I feel like a runner again today after all that hiking yesterday!‘ strahle ich.

Das Camp ist hinter der steil neben uns aufragenden Düne und wir haben die Wahl: wir können hinlaufen oder einen Lift im Auto bekommen. Johlend entscheiden wir uns für das Vehikel und fegen mit heulendem Motor über den lockeren Sand nach oben. Hinter dem Dünenkamm erstreckt sich ein weites Tal und beim Näherkommen sehen wir, dass das Camp noch recht, nun ja rudimentär, aussieht. Kaum ausgestiegen werden wir mit der Nachricht begrüßt, dass es erst zwei Zelte gibt, weil der LKW mit den anderen Zelten im Sand stecken geblieben ist. Dafür bläst ein ordentlicher Wind.

Also setze ich mich in den Sonnen- leider nicht Windschatten eines Zeltes und mixe mir erstmal meinen Refresher Drink. Ich bin müde und döse im Sitzen einige Minuten vor mich hin.  In den Zelten ist es stickig-warm und Läufer sitzen oder liegen schlafend  im Sand. Der Wind wird immer stärker und zu einem leichten Sandsturm, so dass wir irgendwann doch alle drinnen sind. Alles ist träge und natürlich möchte jeder duschen, Klamotten wechseln und warmes Wasser haben um ein Essen zubereiten zu können – aber da es das nicht gibt und Widerstand gegen die Realität nichts nützt, sitzen alle geduldig, vor Dreck und Schweiß starrend auf dem Boden. Ich mache Witze, dass wir jetzt alle unseren Anwalt anrufen könnten und als Rob fragt: Was würdest du ihm sagen? Und ich antworte: dass er herkommen und eine Schippe mitbringen soll, machen wir weitere Scherze (‚Wir könnten doch die 10 km bis zum LKW laufen und dort das Camp machen‘) und nehmen es leicht. Wie gesagt, nützt ja nix, deswegen schlecht drauf zu kommen. Also warten wir geduldig, während der Sand langsam unsere Zelte, unsere Rucksäcke, unsere Körper erobert. Gehen in die Dünen um zu pinkeln (was eh hygienischer ist als die aufblasbaren Dixieklos, die wir mit uns rumschleppen). Bis plötzlich Fabienne, die weit vorne platzierte Schweizerin (sie wird das Rennen auf Platz 2 beenden) in die Ferne deutet und ruft: ‚Camione! Camione!‘ Sofort kommt Leben in die Truppe. Der LKW wird begrüßt wie ein lange vermisstes Familienmitglied. Rasch machen sich die indischen Arbeiter daran, den Heißwasserboiler aufzubauen und andere beginnen mit dem Errichten weiterer Zelte. Nach 45 min sitze ich mit Rob und Sune in dem Zelt welches wir kraft unseres gemeinsamen Beschlusses Zelt 2 nennen, ich steige aus den Laufklamotten in mein Camp-Shirt, blase meine formidable Matratze auf und freue mich, dass wir eine Schicht Teppich zwischen uns und dem Sand haben. Dann mache ich mir eine Kleinigkeit zu essen, bringe meinen Körper mit etwas Wasser in Kontakt und als dann der Wind nachlässt schlage ich jede Menge Sand und Staub aus meinen Sachen und denke: alles ist gut! Ein Gefühl tiefer Zufriedenheit durchdringt mich.

Stage four: The Virgin Dunes

Einblicke
19.11.19
Distanz: 28 km
Start: 06:30

Heute ist der letzte Tag der Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag und um unseren Gastgebern eine Freude zu machen, formen wir morgens vor dem Start eine 49, was aus der Drohnenperspektive aufgenommen sehr schön und sauber ausgeführt aussieht.

Dann jagen wir los! Es geht den nächsten Dünenkamm hoch und dahinter erstmal einige Kilometer den Wüstentrack vom Tag zuvor lang. Meine Beine sind frisch, ich fühle mich gut, noch ist es nicht zu heiß, ich komme voran. Dann biegt die Strecke nach links ab und es geht wieder querfeldein – ach nein querwüstenein.

Weiter vorne sehe ich Said, den Organisator, mitlaufen. Er ist barfuß und wechselt zwischen laufen und gehen ab. Irgendwann habe ich ihn eingeholt und wir laufen einige Kilometer zusammen. Ich frage ihn, wie er auf die Idee zu diesem Rennen gekommen ist, er erzählt mir von seinen Beweggründen (Leute laufend in der schöne Wüste Omans zusammenbringen), seiner Vorarbeit (drei Jahre besuchte er Etappenrennen um sich Information und Inspiration zu holen) und den Veränderungen, die er vornehmen will (2021 im Februar wird es die nächste Auflage in veränderter Form geben). Er ist ein angenehmer Gesprächspartner, unaufgeregt wie alle Omanis die ich erlebe, was er sagt hat Tiefgang  und ich merke zum wiederholten Mal, wie viel Herz in diesem Lauf steckt. Das ist immer wieder und an verschiedenen Stellen spürbar und hier wird mir klar, dass das auch dem Umstand geschuldet ist, dass der Hauptorganisator und die treibende Kraft hinter dem Rennen, so viel Herz darein legt. Es geht nicht in erster Linie um ein Business, es geht um die Menschen. Ich verspreche ihm, dass ich von meinen positiven Eindrücken und Erfahrungen berichten werde und hoffe, dass mehr Menschen die Möglichkeit wahrnehmen, diesen fantastischen Lauf zu erleben.

Kurz nach CP1, wir bewegen uns wieder in ‚kleindünigem‘ Terrain, verlässt mich Said um eine schräg stehende Flagge zu richten und ich laufe alleine weiter. Es wird langsam heiß. Ab heute wird die trockene Hitze der ersten Tage von einer feuchten Hitze abgelöst. Obwohl wir anstatt 35° oder 36° nur noch um die 32° oder 33°C haben, fühlt es sich heißer an.

Bei einer schon morgens vor dem Start gemessenen Luftfeuchte von 99% kann der Körper kaum Schweiß verdunsten. Die Wärme staut sich auf der Haut, in den klammen Klamotten und scheint alle Poren zuzudrücken. Die Dünen werden höher und steiler und als mir vor CP 2 das Wasser ausgeht und ich einen leichten Kopfschmerz bemerke denke ich, dass ich mich am Checkpoint mal 5 Minuten hinsetzen muss. In den Schatten. Als ich dort ankomme macht sich Oliver gerade wieder auf den Weg. Er ist US Amerikaner, kommt ursprünglich vom Klettern und hat die ‚seven summits‘ gemacht. Der MdS im Februar war sein erster Ultra. Ihm gefällt diese Art zu laufen und er hatte mich in den vergangenen Tagen mehrfach über die racing the planet Rennen in der Gobi und der Atacama ausgefragt . Er macht sich auf den Weg, ich fülle meine Flaschen im Sitzen (Schatten, yeah!) auf, atme durch und merke, wie es mir sofort besser geht.

Rob ist auch hier und wir entscheiden uns, gemeinsam weiter zu gehen. Ein guter Entschluss! Die Unterhaltung lenkt uns von der Hitze ab, die nun ungehindert auf uns niederballert, und natürlich auch von dem – weichen – Sand, über den wir uns bewegen. Wir haben eine Strecke mit mittelhohen Dünen zu bewältigen bevor wir über einen längeren Downhill (eigentlich Downdune) auf einen Pfad kommen, der uns durch ein Tal führt. Wir gehen die Anstiege, laufen bergab und in der Ebene und kommen einigermaßen zügig voran. Als wir bei Kilometer 27 wieder steil eine Dünenflanke hinaufgelotst werden, reicht mir Rob einen seiner Trekking Poles und wir pflügen uns gemeinsam ins Ziel. High Five! We did it!

Am nächsten Tag erwartet uns die Marathon Etappe, die erst am Nachmittag starten wird. Daher sind wir in diesem Camp länger als in den anderen. Der Aufbau der Duschen (ich brauche dringend Wasser auf meinem Körper) verzögert sich, so dass ich irgendwann zum Tanklaster gehe, mich unter den Auslaufstutzen hocke und diesen aufdrehe. Wunderbar! Großartig! Ein unbeschreibliches Gefühl. Die Laufklamotten habe ich auch durchgezogen und hänge sie außen am Zelt auf damit Sonne und Wind sie trocknen können.

Dann mache ich einen Ausflug in die Wüste.
Sitze.
Schaue.
Mache nichts.
Bin einfach da.
Spüre den Wind.
Die Sonne.
Sitze.
Bin.

Zurück im Camp und damit in der Zivilisation werde ich sofort gebeten, Interviews zu geben. Einmal wollen die Omanis ein paar Statements in Deutsch von mir haben, dann plant das griechische Team ein längeres, auf Englisch geführtes Gespräch mit mir.

‚So, how do you manage metally out there in an Ultra? Is there a trick?‘ – ‚Well‘ sage ich ‚You have to bear in mind that everything is temporary. I might feel bad now, but if I wait – for five minutes, half an hour or an hour – it will change. It might get worse…….but eventually it will improve. The trick is to not allow your mind to tell you because it feels bad now it‘s going to be like this forever.‘ Die zwei Filmemacher sind entzückt von meinem tiefgründigen, philosophischen und mit so großer Geste vorgetragenen Statement und es ist klar: das wird mich einholen…….

Gegenüber von Zelt 2, dem Hygge House, ist das medical tent. Unsere Ärztin und die Physiotherapeutin, Clodagh und Morag , beide aus UK (oder Irland?), sitzen neben ihrem Zelt, sind jederzeit ansprechbar. Im Moment haben sie nicht viel zu tun, aber die beiden jungen französischen Podologen,  Violainethe und Jérome, haben eine Warteschlange vor ihrer ‚Praxis‘ und versorgen hauptsächlich Blasen an den Füßen. Auch hier herrscht trotz der konzentrierten Arbeit eine leichte Atmosphäre. Interessanter weise sind die wehleidigsten Patienten die jungen Männer!

Kevin kommt auf dem Weg zur Fußbehandlung vorbei, winkt, ‚Going to get blister treatment!‘ –‚Ah‘, sage ich ‚You are going for medical entertainment‘ Er lacht und winkt. Eine halbe Stunde später hat er fachmännisch versorgte Füße, die in Socken stecken und ist auf dem Rückweg zu seinem Zelt.

Nach Einbruch der Dunkelheit wird neben dem Wasserboiler ein Bildschirm aufgestellt. ‚Results! Results!‘ geht ein Ruf durchs Camp. ‚What’s going to happen?‘ fragt Rob verschlafen. ‚Result entertainment!‘ sage ich, ‚Let’s check how we are doing!‘

Nach einigen Bildern von der Tagesetappe, bei  der die italienische Gruppe beim Sichten eines jeden ihrer Gruppenmitglieder mit einem lauten Freudenschrei  antwortet, erscheint eine Excel Tabelle. Als mein Name auftaucht bin ich geschockt. Platz 23 gesamt und 7. Frau. Das muss ein Fehler sein. Ich bin nicht so schnell und ich gehöre zu den älteren hier. Glück gehabt, denke ich noch. Die 20 schnellsten Läuferinnen und Läufer sollen beim Marathon morgen eine Stunde nach dem Hauptfeld starten. Das fehlt mir noch! Ich bin sehr froh, dass ich früher auf die Strecke gehen darf, schon um 15 Uhr.

Briefing!

Warum? Um 16 Uhr ist es doch weniger heiß. Ja, aber wir werden erst nachts im neuen Camp ankommen und am folgenden Morgen um 8 Uhr startet die letzte Etappe. Früher im Ziel heißt früher ins Bett, mehr Schlaf, fitter für den letzten Tag. Ganz einfach.

Stage five: The Stars

Desert, dunes & darkness or I am he maniac
20.11.2019
Distanz: 42 km
Start: 15 Uhr

Der Morgen der Marathon Etappe beginnt mit Ausschlafen und einem entspannten Frühstück. Nicht eine Handvoll Müsli in meiner Titantasse anrühren und dann löffelweise essen während ich den Rucksack packe, sondern Outdoor breakfast. Mit Fran, Hayam und Kevin sitze ich auf einem harten Stück Sand (!) auf einer Düne. Während ich in Ruhe Milchreis mit Himbeeren löffle und einen Espresso trinke, scheint mir die Sonne auf die Arme und ich unterhalte mich entspannt mit den anderen. Dann sitzen wir einfach und schauen in die Wüste. Es ist wunderbar ruhig.

Den Vormittag nutzen wir noch um ein wenig zu dösen, letzte Dinge am, im und um den Rucksack zu ordnen. Alle Kleidung ist klamm, auch die, die im Rucksack war über Nacht. In der Sonne wird das zwar wieder besser aber ich höre zum Teil leises Fluchen über feuchte Socken. Dabei hatte ich schon zu Beginn des Rennens die Parole ausgegeben ‚Alles, was trocken sein soll, muss nachts in den Schlafsack!‘  Das habe ich so gemacht mit mein Equipment ist einwandfrei.  In feuchten Socken in die Schuhe erhöht die Gefahr von Blasen enorm, das ist allen klar.

Um 13 Uhr esse ich mein Peronin-Power-Müsli. Es hat über 800 kcal und schmeckt scheußlich. Kaufe ich nie wieder. Während wir uns fertig machen, Stulpen anziehen, Schuhe zubinden, den Rucksack auf guten Sitz überprüfen, filmt das Kamerateam unsere Aktivitäten.

Um Viertel vor drei stehe ich am Start. In den letzten Tagen habe ich zum Ende der Etappen, wenn ich merkte, dass die Energie nachlässt, meinen LifeTuner eingesetzt. Der LifeTuner, das kleinste Magnetfeldsystem der Welt, unterstützt in erster Linie den Biorhythmus. Mit seiner Hilfe habe ich ohne Jetlag schon ab der ersten Nacht im Oman an den neuen Rhythmus angepasst geschlafen. Um Energie zu mobilisieren stellte ich ihn im Rennen meist auf Programm 5 oder 6 ein, was anregend ist, während ich nachts auf Programm 2 die Regeneration unterstützte. Heute mache ich ein Experiment: ich wähle Programm 6 aus und stelle die Zeitautomatik auf acht Stunden ein. Ich weiß, dass das evtl. riskant ist, denn zu lange oder zu intensiv angewendet macht das Teil bei mir schon mal vegetative Symptome, will heißen, mir wird etwas flau im Magen. Aber ich fühle mich gut und will es ausprobieren, ob es mich mit einem dauernden Energiefluss durch die Nacht trägt.

Rob und ich wollten zusammen laufen, aber wo ist er? Zwei Minuten bevor es losgehen soll kommt er atemlos angerannt, das Startsignal fällt und er rennt sofort weiter. Hui! Da muss ich mich beeilen, wenn ich da dranbleiben will. Er rennt, als gäbe es jetzt und hier nicht die längste Etappe des Rennens, sondern als wären wir irgendwo zum Abendessen verabredet und müssten bald da sein.  Die kurzen Strecken, auf denen der Sand wirklich mal hart ist, laufen wir flott und ich genieße das Gefühl eines Untergrundes, der nicht nachgibt. Leider sind diese Abschnitte nur wenige Meter lang, aber es macht so viel Spaß!

Das Licht ist heute etwas gedämpft, ab und zu gibt es leichte Wolken, ein angenehmer Wind weht, die Weite der Wüste ist beeindruckend und Rob und ich machen gut Strecke. Auf einem Dünenkamm holt er seine Kamera raus und mit einer ausladenden Geste drehe ich mich um meine Achse und rufe ‚May I present to you: the Omani Desert! A poem made into a landscape!‘ Es ist toll.

Rob hat mir seine beiden Poles gegeben. Zum Glück, schon ohne rennt er mir fast weg. Er ist begeistert ‚It feels so free today without the poles!‘ Ja, denke ich, es fühlt sich so gut an MIT den Dingern.  Der Sand ist weich, manchmal auch sehr weich, bei jedem Schritt sinken wir ein. Damit das Navigieren in der Nacht nicht zu schwierig wird (und weil der Veranstalter bestimmt keine Lust hat, Leute aus den Dünen pflücken zu müssen), folgt die Marathonstrecke einem Track. Im Grunde geht es also nur gerade durch die Wüste. Aber so einfach ist es nicht. Insgesamt haben wir 1.500 Höhenmeter  Aufstieg und 1.500 HM Abstieg zu bewältigen, oder, vereinfacht ausgedrückt: es geht immerzu hoch und runter und so gut wie nie flach geradeaus.

Ich spüre, dass Rob heute schneller ist und er fragt mich, ob es ok ist wenn er ab dem nächsten Dünenkamm alleine voraus läuft und mir dafür die Poles überlässt? Ein guter Deal, der uns beide glücklich macht. Er startet durch und ich pflüge durch die Wüste. Bergauf gehe ich, bergab laufe ich. Der weiche Sand rutscht unter den Füßen weg, das Laufen ist anstrengend. Aber mit den Stöcken stabilisiere ich meinen Geradeauslauf und gewinne mehr Vortrieb. Ich habe unglaublich viel Energie und pflüge durch die Wüste.

Die Dämmerung ist kurz und solange ich noch genügend Lichtreflexion auf dem Sand habe will ich ohne Kunstlicht laufen, aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, dass ich die Stirnlampe einschalte.  Anstatt der Flaggen haben wir riesige Flutlichter, die als Markierungen dienen und den Weg weisen, außerdem geht es eh immer den Track lang.

Ich habe das Gefühl, Energie ohne Ende zu haben. Obwohl das Laufen so mühsam ist, der Weg immer auf und ab geht. Es ist mir egal. Ich laufe die Wüste unter mir weg, ich pflüge mit den Stöcken durch den Sand. Ich überhole Leute, die sonst vor mir laufen und als ich im Dunkeln an CP 2 ankomme sagt die Ärztin: ‚Dorte (sie kann das ö nicht aussprechen), is it already you? You are so strong today!‘ Ich nicke, fülle ungeduldig mein Wasser auf und bin wieder unterwegs. Total fokussiert. Ich will laufen, nur laufen, will die Kilometer fressen und vorwärts kommen.

Nachtmarathon! Das klingt romantisch, mysteriös, besonders. Ich mag die Nachtluft, die Dunkelheit, genieße es, zwischendurch die Lampe auszuschalten und den unglaublichen Nachthimmel über mir zu sehen. Sterne, riesig, funkelnd, die Milchstraße – es ist sehr beeindruckend! Und zugleich habe ich diese Ungeduld, dieses Getriebene und will nur weiter kommen, die Kilometer abhaken, ankommen. Für diese Etappe habe ich das GPS angeschaltet, diesen Luxus gönne ich mir, ich habe eine kleine Powerbank mit und kann die Uhr nach dieser Strecke nochmal aufladen. So weiß ich diesmal präzise, wie viel ich gelaufen bin und – noch wichtiger, wie viel ich noch vor mir habe. Irgendwann fliegt Rachid an mir vorbei – das sieht so leicht aus bei ihm! Dann überholt mich ein junger Omani, wir quatschen einen Moment, er zeigt sich beeindruckt von mir, vor allem als sich herausstellt, dass ich so alt wie seine Mutter bin. Er gibt mir ein Thumbs up bevor er in der Nacht verschwindet. Dann laufe ich wieder alleine, kämpfe mit dem Sand, wechsele immer wieder die Seite wenn ich denke, dass es da drüben ein wenig leichter zu laufen aussieht. Eine bekannte Gestalt kommt vorbei. ‚Sune is it you?‘ ‚Yes! What are you doing on the track, come here‘ Er tippelt und tänzelt um Büsche und Dünen und sucht sich seinen Weg neben der Straße. Das ist nicht kürzer, aber weniger langweilig und deswegen mache ich das auch.

Ich laufe wie enthemmt, wie eine Maschine, ich arbeite die Strecke ab, ramme die Poles in den Sand und fühle mich, jetzt schon seit Stunden, kraftvoll und nicht zu stoppen.

Ab Kilometer 30 wird es langweilig. Ich meine, das Konzept ‚Wir rennen des Nachts durch die Wüste‘ habe ich verstanden. Die Strecke ist gleichförmig, das Sichtfeld ist auf den Radius der Stirnlampe begrenzt, es passiert nichts Neues. Ich sehe einige Käfer krabbeln, sonst passiert nichts. Keine Schlange, kein Skorpion scheint Dienst zu haben.

Kilometer 40! Es geht leicht bergauf. Das ist mir egal, ich laufe. Der Sand stiebt unter den Füßen, die Stöcke halten mich stabil, weiter, weiter, es muss doch bald vorbei sein. Wo ist das Camp? Ich will nur noch ankommen. Jetzt merke ich den Effekt des LifeTuners, mein Magen fühlt sich etwas flau an, mir wird leicht übel. Der Witz ist, dass mich das nicht langsamer macht. Es ist beides da: Übelkeit und Energie. Da halte ich mich doch an die Energie!

Um 23:30, nach 8,5 h erreiche ich das Camp. Das klingt langsam – einen Straßenmarathon laufe ich in der halben Zeit – angesichts der Umstände ist es recht flott.

Müde und zugleich überdreht steuere ich das erstbeste Zelt an. Hier scheint alles etwas chaotisch. Wahrscheinlich war die Zeit für Abbau, Transport und Aufbau des Camps zu kurz und man hat angefangen, Dinge irgendwo hinzustellen, wo man gerade war. Heißes Wasser gibt es gegenüber, aber wo sind die Klos? – Egal. Ich gehe eh lieber in die Wüste. Rob und Oliver sind bereits im Camp, Rob kam eine Stunde vor mir rein. Ich sortiere meinen Kram, breite mein Schlaflager aus und weiß, ich muss mich duschen, so verklebt und verschwitzt kann ich mich nicht hinlegen.  Ich fühle mich, als ob ich eine einen Zentimeter dicke Schicht aus Schweiß, Feuchtigkeit, Sand, Staub und irgendwelchen unangenehm reichenden Dingen aus meinem Körper auf der Haut habe. Undenkbar, so schlafen zu gehen. Der Tanklaster ist da, aber keine Duschen angeschlossen. Er steht beleuchtet in Sichtweite der Zelte. Mir ist alles egal. Nur in Unterwäsche wasche ich mich und gehe zum Wechseln der Klamotten danach hinter die nächste Düne. Dann liege ich im Schlafsack. Neonlicht scheint herein, nicht sehr wüstenromantisch. Die Längsseite des Zeltes ist offen um etwas Luft zirkulieren zu lassen, nebenan läuft bis 2 Uhr nachts ein Generator. Trotz Ohropax lässt mich der Lärm nicht schlafen. Als ich am nächsten Morgen doch halbwegs erfrischt erwache und in die feuchten Klamotten steige (was so unangenehm ist wie es klingt) treffe ich Sune. Er hat weiter hinten campiert. Da versuchten die Arbeiter bis 2 Uhr nachts die Toiletten aufzustellen, wozu sie einen LKW laufen liefen. Dann dachte man sich, dass eh alle in die Dünen gehen und um 8 Uhr wieder weg sind und sie ließen ihre Arbeit unvollendet.

Aber die Stimmung ist gut! Es ist nur noch eine Etappe bis zum Ziel, verkünde ich optimistisch. Only 23k to go!

Es wird ein Höllenritt.

Stage six: The White Sands Of The Arabian Sea

Die Todesdünen
21.11.19
Distanz: die längsten 23km meines Lebens
Start: 08:00 Uhr

Der letzte Tag! Die letzte Etappe bei einem Mehr Tage Rennen ist immer etwas Besonderes. Auf der einen Seite bin ich jetzt richtig in dem Rhythmus laufen, ausruhen, essen, schlafen , laufen drin und könnte das noch weitere Tage durchziehen, auf der anderen Seite ist alles seit dem Start auf das Erreichen des Ziels fokussiert, auf die letzten Meter, das Überschreiten der Ziellinie und das Loslassen, was nach einem so langen Wettkampf auch in einem emotionalen Loslassen und Frei-sein mündet.

Heute denke ich ‚Ja, ok, da waren einige verdammt steile und im Grunde senkrechte  Anstiege im Roadbook verzeichnet, aber was soll schon passieren, es ist die letzte Etappe und nachdem alles bisher so smooth lief, wird das hier auch noch klappen‘. Die Beine sind gut, ich überlege, meinen Rucksack noch leichter zu machen, indem ich meine 20.- Isomatte hierlasse. Als ich rumfrage, ob die irgendwer gebrauchen kann (die omanischen Athleten haben z.T. schlechte Ausrüstung), reagiert unsere sonst so freundliche Ärztin mit einem ‚It’s a self-sufficient race, you have to carry your stuff till the end:‘ ‚Yes, I agree, but I personally had sufficiently from y matress‘. Schließlich geht sie an eine junge Omanin, die sich über den Ausrüstungsgegenstand freut und kein Problem darin sieht, die gut 400 g zusätzlich zu tragen.

Eine Stunde vor dem Start gibt es im Nachbarzelt Trubel. Eine Italienerin hat sich ein Band in der Leiste gerissen und wird auf einer Trage zu einem Fahrzeug des Roten Halbmonds  gebracht und abtransportiert. Ich werde Marisha einige Tage später am Flughafen sehen, wo sie zwar im Rollstuhl sitzt, aber ungebrochen optimistisch ist. Alles wird ausheilen und sie wird wiederkommen, versichert sie mir.

Vor dem letzten Start gibt es das letzte Briefing. Wir sollen es langsam angehen lassen, die ersten 10 km seien easy, danach würde es hart werden und die letzten 8 km seien wirklich schwer. Na, nützt ja nix, was weg muss, muss weg. Tatsächlich zeigt sich der Beginn der Etappe mit sanften Wellen, flach, nichts Schwieriges, wenn man vom obligatorischen weichen Sand mal absieht. Ich bin langsamer als am Tag zuvor. Habe ich es doch übertrieben, zu viel Kraft im Marathon gelassen? Sogar das meist walkende französische Ehepaar überholt mich. Nach einigen Kilometern schwenkt die Strecke aus der Ebene eine enorme Düne hinauf. Oben geht der Blick in einen steil abfallenden Trichter, den wir glücklicherweise umrunden dürfen und auf der nächsten Düne erwartet uns CP1. Ich fülle Wasser auf und bin mal wieder von den easy flasks genervt, die fummelig im Handling sind. Fran und Hayam sind kurz vor mir los, als ich noch mit den Behältern beschäftigt bin, kurz darauf hole ich sie ein. Dann beginnen wir unsere Wüstenexpedition. Mit dem nächsten steilen Anstieg betreten wir einen abgeschiedenen und kaum besuchten Teil der Wüste. Die Dünen hier sind so steil, das Gebiet für Fahrzeuge so unzugänglich, dass uns schnell klar wird, wie selten Menschen hier eindringen. Schier endlos reiht sich eine Riesendüne an die nächste. Mit großzügigen, weiten Tälern dazwischen, aber Flanken, die so steil sind, dass wir nun senkrecht an ihnen hochkrabbeln.

Diese Anstiege sind extrem kräftezehrend und frustrierend. Man nimmt das eine Bein 30cm hoch und tritt in den Sand, rutscht daraufhin 26cm nach unten, wiederholt die Prozedur mit dem anderen Bein usw. D.h. obwohl man andauernd und mit großer Kraft auftritt, kommt man faktisch nicht voran. Der Sand rutscht einfach weg und wenige Meter zu überwinden dauert schier unendlich lange. Anfangs laufe ich die weiten Downdune Abschnitte noch, irgendwann erscheint mir auch das zu viel. Es kommt eine Düne nach der anderen, die Sandberge türmen und türmen sich. Weiter nach links sehe ich am Horizont die Telegrafenmaste an der Küstenstraße.

Das Roadbook zeigte, dass wir eine ganze Zeit parallel zur Straße laufen bevor wir endlich abbiegen dürfen. Zu wissen, die Straße ist einige Kilometer entfernt nach links, aber die Fahnen weisen nur voraus, ist frustrierend.  Wie beim Wellenreiten müssen wir die Sandkämme überwinden. Inzwischen laufen die Franzosen, Fran, Hayam und ich in einer losen Formation, bei der jeder mal vorne ist oder hinten, je nachdem wie schnell wir die Dünen erklettern und wie gut wir sind, den besten Weg zur nächsten Fahne zu finden.

Dann entdecken wir in einem Tal ein Feld aus Felsgestein. Als wir dieses überqueren stellen wir fest, dass es porös und voller Muscheln ist. Ok, das Meer ist einige Kilometer entfernt, aber wie kommen die hierher? Schnecken und Muscheln in der Wüste? Es ist ein sehr abgefahrenes Bild und ein eindrückliches Erlebnis. Trotzdem kann ich mich nicht überwinden, im Rucksack nach dem sanddicht verpackten Smartphone zu suchen um Fotos zu machen, ich will nur weiter. – Eine Erklärung für diese geologische Besonderheit liefert uns Kevin Tage später, als er am Flughafen in Mascat einen Geologen trifft. Der Fels war vor 80-90 Mio. Jahren Meeresboden, der durch tektonische Plattenbewegung jetzt in der Wüste nach oben gedrückt wird. Wie gesagt, wirklich abgefahren!

Plötzlich spüre ich einen Tropfen im Gesicht, dann einen zweiten. Für eine Minute regnet es in der Wüste. Die Tropfen bilden dicke Perlen im Sand, den sie sofort binden. Es sieht aus, als hätte man einen feuchten Pinsel genommen und die Wüste mit Wasser benetzt. Es hat etwas Magisches. Die wenigen Pflanzen wehen im Wind, als wollten sie möglichst viel des kostbaren Wassers einfangen, ich nehme die Mütze ab, um meine Haare mit Wasser zu benetzen – dann ist es schon wieder vorbei.

Hayam schleppt sich hinter mir durch den Sand und Fran, ihre Teamkollegin, die Musik hört und singend vor mir herläuft, wartet auf dem Gipfel einer Düne auf sie. Als ich keuchend aufschließe strahlt sie mich an und deutet auf die wirklich atemberaubende Sicht rundum.

Dann kommt der letzte Checkpoint! Mitten auf dem Anstieg zu dieser Düne liegt einer der beiden Griechen, die mich gestern interviewt haben und fotografiert unseren mühsamen Aufstieg. Ich habe eine Methode entwickelt, die ich ‚Dunefisting‘ nenne, bei der ich meine Fäuste senkrecht in den Boden ramme, was einfacher ist als mit der Handfläche. Als ich auf seiner Höhe bin wende ich mich ihm zu ‚I hate it!‘ Wir haben beiden meine gestrigen Worte im Sinn und lachen. Ja, mir ist schon klar, dass ich im Moment ein bisschen sehr mit dem nörgelnden Teil identifiziert bin, aber hey, es ist sauanstrengend und es ist wie es ist! Das blöde Gefühl wird schon wieder weggehen. Irgendwann.

Oben steht Jérome und schenkt Wasser aus. ‚Last Checkpoint!‘ ruft er mir zu. Ich nehme die easy flasks heraus und kann auch mit großer Kraft eine der beiden nicht öffnen. Wir lassen sie unter den 5 anwesenden Männern kreisen, keiner schafft es. Ich bin genervt. Eigentlich dürfen wir keine Wasserflaschen vom CP mitnehmen, das hieße, dass ich mit nur 600 ml auf die letzten Kilometer gehe. Klingt nicht verlockend. Jérome überlegt kurz und erlaubt mir dann eine Halbliterflasche mitzunehmen und sie im Ziel ordnungsgemäß zu entsorgen, was ich ihm verspreche.

Fran lacht mich an: It’s just another hour, then we are done!‘ ‚I wont make it in an hour.‘ ‚Well, then it‘s an hour and a half‘ ‚I wont be done in an hour and a half‘ ‚Ok, then it’s two hours‘ ‚Two hours? Yeah, that‘s realsitic‘ Damit hat Fran meine schlechte Laune aufgelöst. Es sind noch 8 Kilometer bis ins Ziel und sogar in dem wahnsinnig langsamen Tempo, das wir im Moment draufhaben bin ich in zwei Stunden auf jeden Fall da. Dieses neue Mindset gibt mir Kraft und ich laufe mit mehr Energie los. Alleine. Die Franzosen sind noch nicht da und Fran will auf jeden Fall die letzten Kilometer mit Hayam zusammen laufen.

Die Idee, dass ich in zwei Stunden am Meer bin (und wenn ich erstmal da bin, bin ich auch schnell drin, schließlich habe ich morgens schon meine Badeklamotten unter den Laufdress angezogen) beflügelt mich. Jeden Kilometer, den ich absolviere, hake ich ab. Als ich die 20 überschritten habe, juble ich laut ‚Nur noch drei!‘ Es fühlt sich gut an!

Und dann, endlich, steht die nächste Fahne weiter links und erlaubt mir, Richtung Meer zu schwenken. Ich kann es nicht sehen, aber zu wissen, es ist da, hinter den Telegrafenmasten, gibt mir einen Punkt, auf den ich mich konzentrieren kann. Es wird flacher, eine einfache Hütte steht im Sand, in der Nähe liegt ein Schafskadaver, weit vor mir sehe ich einen Läufer. Den werde ich nicht mehr einholen. Schade, jetzt, wo die Energie zurück ist, hätte ich Lust auf ein kleines Wettrennen. Kommt jetzt die Straße? Nein, noch eine Düne, noch eine….Menno! Dann sehe ich die Straße, überquere laufend den Asphalt und denke, wie ungewohnt das ist, einen Boden zu haben, der nicht wegrutscht. Drüben kann ich jetzt die Spitzen der Fahnen erkennen, die das Ziel markieren und höre Musik.

Ich laufe, laufe die letzte Düne hinunter, über Felsen, durch Sand, laufe und laufe, biege in die Zielgasse ein, sehe die Menschen hinter dem Zielbogen, die mich anfeuern, nehme meine Mütze ab, schwenke sie und lege unter Juchhu Rufen die letzten Meter zurück. Geschafft!

I DID IT!

Eine große Freude durchströmt mich.

Sofort stehe ich vier Fotografen gegenüber, Said gratuliert mir, ich bekomme eine Medaille umgehängt und während wir Fotos machen frage ich ihn, auf die Dünen weisend und eine große Höhe andeutend ‚Said, why do you hate us?‘ ‚I dont hate you, I dont hate you!‘ Wir lachen befreit, ich bin einfach nur ausgelassen und voller Energie. GESCHAFFT! Denke ich immer wieder, geschafft! Ich habe es geschafft!

‚Get some food, go for a swim and take a rest‘ kommt die Ansage und genau das mache ich. Essen, Fotos machen für meine Sponsoren und dann ziehe ich die feuchten, riechenden X-Bionic Sachen aus, schäle mich aus den Kompressionsstulpen und stürze mich ins Meer. Es ist wunderbar! Das Wasser ist warm, weich, die Wellen genau richtig. Ich schwimme und plansche ein wenig. Als ich rauskomme wasche ich unter dem Tanklaster, der glücklicher weise immer noch dabei ist, das Salzwasser ab, ziehe mir das Finisher-T Shirt an und freue mich. Klatsche mich mit den anderen ab. Jeder ist froh, es geschafft zu haben, es ist eine Mischung aus Ausgelassenheit und Zufriedenheit, loslassen, genießen.

Dann kommt die Nachricht, dass Kevin sich verlaufen hat. An einer Stelle ist er, anstatt  sich Richtung Meer zu wenden, wieder ins Landesinnere gelaufen. Ich sehe, dass die Organisatoren sich Sorgen machen. Mit zwei Autos fahren sie los. Zum Glück finden sie einen Zugang in den schwierigen Teil der Wüste, machen ihn ausfindig und setzen ihn auf die richtige Spur. Er kommt als Letzter ins Ziel und wird von allen versammelten Läufern enthusiastisch gefeiert. Alle sind drin! Alle, die heute Morgen starteten, haben das Ziel erreicht! Well done! Rachid hat – wie erwartet – den Gesamtsieg geholt. Er ist einfach gut!

Der Rest ist schnell erzählt: Mit Bussen geht es zurück ins Camp nach Bidiyah, wo wir um 20 Uhr ankommen. Mir ist es nun zu kühl zum Duschen und ich vertage das auf den nächsten Morgen. Nachts wollen Emmanuelle und ich unsere feuchten Schlafsäcke im Zelt trocknen, als es anfängt zu regnen und der Regen auch ins Zelt dringt. Die vorher feuchten Schlafsäcke sind jetzt nass (trocknen am nächsten Tag aber ganz schnell in der Sonne).

Ich erwache um 6 Uhr (in einem BETT!) mit dem Gedanken ‚Wie war dieses Lied von Patti Smith? People take a shower?‘ Ich beschließe, dass es Zeit ist für eine Dusche, für DIE Dusche! Und so geschieht es. Haare waschen, einseifen, alles inklusive. Es ist wunderbar.

Tagsüber machen wir einen Ausflug zum Wadi Bani Khalid, wo es grün ist und wir in den schmalen Schluchten glasklares Wasser sehen. Am Abend steigt im lokalen Fußballstadion die Verleihung der Preise. Es gibt eine große Bühne, Flutlicht, ein Rahmenprogramm. Emmanuelle ist Dritte geworden! Sie ist geschockt, wir freuen uns alle für sie. Danach gibt es ein opulentes Buffet, auch mit vegetarischen Spezialitäten, eine letzte Nacht im Zelt und am nächsten Morgen fahren wir zum Airport. Hier erfahre ich endlich meine Platzierung. Platz 33. overall und 8. Frau! Ich bin echt stolz.

Am Airport gehen Sune und ich frühstücken, hängen etwas rum, loggen uns ins WLAN ein und nehmen Kontakt zur Welt außerhalb der Wüste auf. Leider können wir im Flieger nicht zusammen sitzen. Ich habe allerdings in Franziska, Masterstudentin der Politikwissenschaft und auf dem Rückweg von einem Praktikum in der Deutschen Botschaft in Mascat, eine tolle Nachbarin mit der ich mich angeregt unterhalte und noch einiges Interessantes über den Oman lerne.

In München habe ich nur wenig Zeit, der Flug nach Düsseldorf geht 45 Minuten nach Ankunft dort. Ich fahre mit Sune zum nächsten Terminal und dann verabschiedet er mich: ‘You are more in a hurry than me, go!‘ Ich betrete die Rolltreppe und jogge, langsam, gleichmäßig und mühelos nach oben, biege noch einmal ab, bin am Gate und kann sofort das Flugzeug boarden. Alles im Fluss!

In Düsseldorf holt mich Uwe ab, wir fahren sofort zum Inder, wo ich Berge esse. Das bleibt noch einige Tage so. Insgesamt habe ich im Oman und in den Tagen danach 2kg verloren, wie bei all den Rennen zuvor auch. Aber ich fühle mich körperlich nicht müde. Die erste Woche laufe ich nur kurz und regenerativ, ab der zweiten Woche steige ich langsam wieder ins Training ein. Ich bin großartig in Form!

Danke an alle, die diesen Lauf möglich gemacht haben! Allen voran an Said Alhajri, der mit Herz das Rennen organisiert hat. Aber auch Dank an die ganze Crew, die uns betreut und angespornt und nach Kräften unterstützt hat. Es war eine großartige Erfahrung!

Danke an BioKat und NorSan für ihr Sponsoring! Mehr gleich unter Ausrüstung!

Wie habe ich trainiert? Ich habe keinen strikten Plan, sondern ein Gerüst, wie ich über mehrere Monate mein Training intensiviere. Dazu gehören kurze, schnelle und natürlich auch lange Läufe (aber nicht mehr als 30km) und das Tragen eines Rucksacks, bei dem ich das Gewicht langsam steigere. Ich mache meist 4 bis 5  Laufeinheiten in der Woche und ein- bis zweimal EMS Training bei Body Street zum Muskelaufbau. Ich weiß, dass  die Studienlage zur Wirksamkeit dieses Trainings unklar ist, meine Erfahrung damit ist jedoch positiv und ich habe es  aus diesem Grund in mein Training integriert. Da ich keine Vierzig mehr bin (mein Standardspruch im Rennen: I am not fourty any longer!) brauche ich genügend Regeneration und plane einen, teilweise zwei Ruhetage je Woche ein. Wenn ich wie mit dem Drachenlauf oder dem Bottroper Herbstwaldlauf Wettkämpfe vor dem  Etappenrennen habe plane ich die als Training, d.h. es geht da nicht um die Zeit, sondern es ist eine Intensiv-Einheit. Man muss Prioritäten setzen und kann nicht überall maximal fit sein.

Wen es interessiert, hier ist eine Aufstellung der von mir verwendeten Ausrüstung

  • Schlafsack Yeti Passion III  Yeti hatte uns über den LDRC Little Desert Runner’s Club die letzten beiden Jahre gesponsert und deswegen habe ich den Passion III. Ein noch leichterer hätte es auch getan, es war nachts nicht kalt
  • Glymnis Camping Isomatte Wie gesagt, €20,- über Amazon, leicht, bequem, die richtige Wahl, würde ich sofort wieder kaufen, mit integriertem Kopfkissen – wie cool ist das denn?!
  • Raidlight Responsiv 25L habe ich über die spanische Firma trekk inn bestellt und für um die €100,- bekommen (kostete mal €170.- oder so, ist das Modell vom letzten Jahr), eine Nr. kleiner wäre auch gegangen, aber gab‘s nicht oder wäre teurer gewesen. Wiegt wenig, trägt sich gut – aber die easy flasks…..die habe ich direkt bei Raidlight reklamiert und immerhin eine Antwort und eine Gutschrift bekommen
  • X-Bionic twyce Hose und Shirt Da ich nicht mit Rafael und dem LDRC unterwegs war, gab es kein Sponsoring von X-Bionic. Ich habe das Set bei Amazon bestellt. Blau war am preiswertesten und ich mag blau….. Der Schnitt wurde dieses Jahr verbessert, das Material ist toll temperaturausgleichend und ich mag enganliegende Kleidung. Die Armlinge sind auch von X-Bionic, ich schätze es, dass sie so multifunktional sind: Sonnenschutz, Kälteschutz, mit Wasser getränkt kühlen sie, abends kann ich ein T Shirt damit aufrüsten, ich würde nie ohne Armlinge auf ein multi-stage-race gehen!
  • Hoka one one Clifton Der ist schon 2 Jahre alt, war gut! Kombiniert mit den auch schon 2 Jahre alten Sandgamaschen von Raidlight.
  • Socken X-Bionic und Injinji 2 Paar X-Bionic und 1 Paar injinji, damit kann man immer spielen. Bin z.T. mit 2 Socken übereinander, z.T mit einem Paar gelaufen. Früher bin auch mit Wrightsocks gelaufen, die haben bereits 2 Schichten, aber nachdem ich damit in der Gobi eine Blase bekam (ich bekomme sehr selten Blasen) hat meine Zuneigung gelitten
  • Royal Bay Kompressionsstulpen Die habe ich mal vor Jahren beim Berlin Marathon entdeckt. Leicht, unglaublich langlebig – mit diesen blauen hier war ich schon 2017 in Namibia – unschlagbar günstig, meine absoluten Lieblingskompressionsstulpen
  • Lyo food Machen Trekking food ohne Chemie, in Bio-Qualität und auch vegetarisch. Mein Standardabendessen ist Barley Risotto with Avocado Mousse
  • Basismüsli Schneekoppe von Aldi Süd Ja, ernsthaft. Aldi Süd, von denen ist auch die Cashew-Cranberry-Mischung, von der ich immer eine Packung dabei habe. Und ungezuckerte getrocknete Ananas
  • Davert Mühle instant Mahlzeiten Habe ich bei dm entdeckt. Wiegen 67g, geben ca. 230 kcal, also sind im Grunde nur ein Snack. Habe ich als Mittagessen genommen wenn ich im Camp war. Da kann ich nach der Anstrengung nur wenig essen und diese Mahlzeiten waren genau richtig! Bio, ohne Konservierungsstoffe oder Geschmacksverstärker, vegetarisch, viele Sorten, mache ich wieder
  • Ultra Sports Riegel Während der Etappe
  • Power Bar Riegel Während der Etappe
  • Xenofit Riegel Während der Etappe
  • Xenofit Pulver Vertrage ich besser als den Buffer von Ultrasports, den ich früher benutzt habe. Schmeckt etwas säuerlich und frisch, habe ich in JEDES Wasser gemischt und alle paar Minuten getrunken während ich draußen war
  • Refresher von Ultra Sports Direkt nach Ende der Etappe. Frisch, schmeckt gut, mag ich
  • SanOmega vegan Das beste Omega 3 Öl, das ich kenne! Ich nehme es seit 3 Jahren regelmäßig und habe wirklich eine Flasche mitgenommen. Entzündungshemmend,  Herz schützend, Regeneration unterstützend, ein tolles Produkt! Gibt es aus Fischen oder vegan aus Mikroalgen gewonnen. Sprecht mich für mehr Infos gerne an, ich habe mich viel mit Studien und der Biochemie der Omega3 Öle beschäftigt.  Oder wendet den Rabattcode EM423 bei Bestellungen unter www.norsan.de  an
  • LifeTunerW von BioKat Dieses Teil wiegt nur 45g und ist meine Geheimwaffe und bei allen Ultras dabei. Ich nutze ihn, um bei Bedarf das System hochzufahren oder um die Regeneration zu unterstützen und auch um bei Fernreisen den Jetlag zu mildern. Bei Bedarf wirkt er auch schmerzstillend oder entzündungshemmend. Kein Doping! – auch hier, kontaktiert mich bei Interesse,  oder nutzt den Code DOERTE25  und erhaltet damit 25,- Rabatt  auf den Preis von 375,-  Hier ist der link: www.bio-kat.de/shop
  • Garmin forerunner 235 Diese Uhr habe ich für das Rennen in Namibia 2017 gekauft. Nach 1,5 Jahren (am Tag nach dem Berlin Marathon) ging sie kaputt, ich reklamierte und bekam eine neue. Herzfrequenzmessung am Handgelenk, guter Akku, schöne Uhr, würde ich wieder kaufen

Die nächsten Termine und mehr Infos zum Rennen, auch massig Fotos und kleine Youtube Clips unter www.marathonoman.com  Die Filme von Stage 5 und 6 zeigen auch mich. Fotos und Filme sind unter news zu sehen.

Für weitere Fragen stehe ich zur Verfügung unter Schreinert@berlin.de

© 08.12.2019 Dörte Schreinert

Hitzeschlacht bei 32°C

Rhein-Ruhr-Halbmarathon am 02.06.10

Irgendwie muss ich mein Formtief nach 6 Wochen Trainingspause im Frühjahr ausmerzen, also kommt der Rhein-Ruhr-Marathon am 02.06.19 gerade richtig. Einige Tage zuvor schnell noch angemeldet, rumgefragt, wer vom Verein außer mir mitläuft und dann mit Peter, Kathrin und Mark verabredet um gemeinsam mit dem Fahrrad rüber zu fahren. Peter, unser Trainer, hatte damit eine Premiere; noch nie in Jahrzehnten Läuferkarriere fuhr er zuvor per Rad zum Start eines Rennens.

Das Wetter am Sonntagmorgen: ein Traum! Blauer Himmel, Sonne und es ist zu ahnen, dass es warm wird. Wirklich warm. Die App stellt bis zu 32°C in Aussicht.  Das letzte Stück Straße vor dem Erreichen des Sportparks in Duisburg ist gesperrt und  uns kommen die soeben gestarteten Marathonis entgegen. Eine Frau geht hier bereits, den Besenwagen auf den Füßen. Wir fragen uns ob das Selbstüberschätzung ist oder sie eine Geschichte hat, dass sie unbedingt einen Marathon laufen will oder muss, kommen aber, natürlich, zu keinem Ergebnis.  Jochen aus dem Verein läuft heute seinen dritten Marathon aus seiner ‚alle 14 Tage einen‘ 3er Serie. Viel Spaß!

Räder anschließen, Wasserflasche leertrinken, Herrn und Frau Dixie besuchen, dann treffen wir Christel, auch von MMH, machen uns warm (das geht schnell) und stehen im Startblock. Kurze Hose, Flatterhemdchen, alles klimaoptimiert, plus (um aus einem Reinhard Mey Lied zu zitieren) ‚Auf dem Kopf, zum Schutz vor Hitze eine grün beschirmte Mütze‘. Christel und ich reihen uns bei 2:00h ein. Das ist langsamer als meine PB, aber es ist ja heiß und es geht um nix, nur um den Spaß.

Um 10:05 starten wir, Christel und ich bleiben dem 2h-Zugläufer auf den Fersen. Im Grunde ist das Tempo gut und ich müsste das gut über 21km halten können…… aber. Es ist heiß. Ich spüre, wie die Wärme sich staut, der Körper versucht, über Schweiß zu kühlen und nicht so erfolgreich ist wie er es gerne wäre. Wir traben durch die lockere Bebauung verschiedener Wohnviertel, die Füße trippeln über den Asphalt, der schon Hitze abstrahlt. Na prima! Nach 5km lasse ich Christel und den Zugläufer ziehen. Mir ist übel und ich muss langsamer machen wenn ich hier nicht riskieren möchte, umzukippen.  Ich akupressiere den Punkt KG26 zur Stabilisierung des Kreislaufs und nehme bei jedem VP Wasser auf. Leider war in meinem Starterbeutel kein Schwamm und erst bei km8 bekomme ich einen. Da habe ich die Idee ‚Ob ich heute abbrechen muss?‘ , den ich bei km 7 hatte, bereits hinter mir gelassen. Der Schwamm ist meine Rettung! Wer hat Schwämme entdeckt und entwickelt? Hat diese Person einen Preis erhalten und ist ausreichend gewürdigt worden? Ich leere in einem Zug zum Wohl dieses Menschen einen Becher Wasser auf ex, tauche meinen Schwamm in den Wassertrog und mache mich nass. Verdunstungskälte, wunderbar. Ich mache mir keinen Kopp wegen des verringerten Tempos. Heute will ich einfach nur gut durchkommen, Zeiten sind egal. Und je mehr ich in meinen Rhythmus komme kann ich den Blick nach außen wieder weiten.  Da haben Anwohner ihre Gartenschläuche auf die Straße verlegt und an Verkehrsschildern befestigt. Diese Sprühduschen sind wunderbar. Es wird aus Ghettoblastern oder live Mucke gespielt und es ist von Rock über Samba bis zu Schlagern alles dabei, was der Duisburger und die Duisburgerin so schätzt. Ich passiere eine Riege älterer Menschen die in einer lange Stuhlreihe am Straßenrand unter dem Schatten einer Linde sitzt, darüber ein riesiges Banner: Heidi feiert Geburtstag und grüßt die Läuferinnen und Läufer! Ich frage: ‚Wer von euch ist Heidi?‘ Eine ältere Frau in der Mitte der Reihe winkt: ‚Ich!‘ – ‚Herzlichen Glückwunsch, Heidi!‘ – ‚Danke! Guten Lauf!‘ Wir winken uns zu und es geht weiter. Dachte ich bei km 7 an den Besenwagen kommt mir bei km 10 der Gedanke an Scott Jurek. Scott ist ein amerikanischer Ultraläufer, der für seine extreme Härte bekannt ist. Bei machen seiner legendär gewonnenen Rennen ließ er sich von seinem Team eine Badewanne voll Eis irgendwo  in die Wüste karren und legte sich für einige Minuten hinein. Ich schwelge in der wunderbaren Vorstellung von kaltem Wasser, in das mein Körper eintaucht, von Eis auf meinen Beinen, schnappe mir am nächsten VP wieder zwei Becher Wasser, trinke einen aus und kippe mir den anderen über den Körper. Das fühlt sich gut an! – Für 2 bis 5 Minuten…..so wird dieser Halbmarathon ein Staffellauf. Ich denke und laufe von VP zu VP, von Gartenschlauch zu Gartenschlauch. Überholt mich da der Zugläufer für 02:15?! – Egal, einfach das Tempo machen, welches mein Körper vorschlägt, und trinken so viel er will. Je mehr ich mich darauf einlasse nur das zu fordern, was mein Körper jetzt geben kann, umso leichter wird es. Während ich eine Autobahn überquere  rast ein Krankenwagen mit Blaulicht am Feld vorbei, offenbar braucht jemand Hilfe. Bei km 14 bin ich mit einem Gefühl unterwegs, wie ich es sonst von meinen Wüstenläufen kenne: langsam, gleichmäßig, in einem Modus der mich größere Belastungen über einen langen Zeitraum ertragen lässt. Die Hitze erinnert mich tatsächlich daran wie es ist, mit einem schweren Rucksack zu laufen, der enorm aufs Tempo drückt. In diesem Gefühl geht es weiter. Ich denke: so klappt das gut! Warum habe ich nicht für den vollen Marathon gemeldet? Das kann ich jetzt noch länger durchhalten. Die nächsten Kilometer sind ok, ich trabe, überhole mehr Läufer, als mich überholen (gut für’s Selbstwertgefühl) und schnaufe weniger als diese. Die Bebauung wird spärlicher je mehr sich das Feld dem Sportpark nähert. An der letzten Ecke steht eine Steelband, deren Rhythmen so langsam sind, dass ich denke: Na, das könnte auch etwas demotivierend wirken!, aber nun ist es ja nur noch ein kurzes Stück und ich werde langsam schneller. Endspurt muss sein! Wir laufen durch den Tunnel ins Stadion des MSV Duisburg ein und ich drehe auf. Falls jemand vom Verein da ist, sollen die sehen, dass ich alles gebe! (hinterher stellt sich raus, dass wieder kein Schwein geguckt hat), noch 200m, noch 100m und dann: das Ziel! Ich überhole noch eine Läuferin und falle quasi in meine Medaille. Ende, aus, gut! Ja, der Halbe reicht für heute 😉

Suchend blicke ich mich um, scanne den Rasen, auf dem Läuferinnen und Läufer sitzen und in Gruppen beieinander stehen ab, suche ein vertrautes Gesicht, das blaue Hemd von Marathon Mülheim. Nix. War ich sooo langsam? War ich nicht, 2h10min ist zwar meine zweitlangsamste HM Zeit  nach dem Berg- und Hügelhalbmarathon in der Eifel am 1. Mai, aber bei dem Wetter bin ich absolut im Frieden damit. Eben wird aus dem Sani Zelt jemand Richtung Krankenwagen geschoben und mir ist klar, dass das hier wohl für ein paar Leute etwas über Limit war. Ich verlasse den Innenraum, hole mir draußen mein alkoholfreies Bier  und mein Finisher-Shirt und sammle meinen Beutel an der Kleideraufbewahrung ein. Dann beschließe ich, doch noch mal auf dem Rasen nach Vereinskolleginnen und –kollegen zu gucken. Sofort stolpere ich über Peter, der schwört, die GANZE Zeit am Ziel gestanden und trotzdem meinen Zieleinlauf, den triumphalen, verpasst zu haben (ich war zu schnell, ganz klar). Kathrin trudelt ein, Mark, die Marathonstaffel. Alle sind platt, fertig und mit ihrer Leistung zufrieden. Wir machen Fotos und erleben, wie einige Fallschirmspringer erst langsam über dem Stadion einschweben um dann spektakulär auf dem Rasen zu landen. Sie sehen ein wenig aus wie Stormtrooper in ihren weißen Anzügen. Sie tauchen über der Tribüne auf und landen punktgenau mitten im Stadion. Eine irre Dynamik – so nah habe ich das noch nie gesehen!

Wir suchen unsere Sachen zusammen und verlassen das Stadion. Peter holt sich am Ehrenzelt noch den Pokal für den Gewinn seiner AK ab, dann sitzen wir noch einen Moment zusammen in der Sonne. Schließlich klettern wir vier Radfahrer auf die Räder und fahren los. Was mir jetzt wehtut, ist der Hintern! Nicht die Beine…….ich bin halt ewig nicht Rad gefahren. Das letzte Stück nehme ich über das neue Stück des RS 1, des Radschnellwegs. Als ich im Ruhrquartier den Aufzug nutzen möchte um mit dem Fahrrad runterzukommen auf Straßenniveau ist dieser – mal wieder – defekt. Also schleppe ich mein Fahrrad die Treppe runter. Wer HM einen schafft, kann auch  sein Fahrrad tragen, denke ich mir. Als ich aber höre, wie die Leute hinter mir sich abmühen, beschließe ich, doch mal eine Mail an die Stadt zu schreiben.

Dann lege ich mich in die Eiswanne.

Dörte, 04.06.2019

38. Lohner’s Vulkan Halbmarathon in Mendig am 1. Mai 2019

Am 1. Mai gehen manche Leute demonstrieren, tanzen um den Maibaum oder machen mit der Familie einen Spaziergang. Sowas ist natürlich für Uwe und mich zu langweilig, also beschlossen wir, mal was zu machen am 1. Mai. Was Richtiges. Mit Sport.

Uwe entschied sich, am Radrennen in Frankfurt/Eschborn teilzunehmen und ich schaute, was es in der Gegend an Laufveranstaltungen gibt und landete auf der Webseite von Lohner’s Vulkan Marathon. Natürlich trieb mir das falsche Apostroph Schweiß auf die Stirn, aber zum Glück hielt es mich nicht ab, mich anzumelden. Eine gute Idee!

Dienstag, den 30.04. fuhren wir nach Koblenz, übernachteten dort und brachen früh in unterschiedliche Richtungen auf. Ich fuhr mit der Bahn nach Mendig und traf um kurz nach 9:00 Uhr am Veranstaltungsort ein. Hier fand ich sehr engagierte, supernette Helfer, eine perfekte Orga und gute Stimmung vor. Der Start war für 10 Uhr angesetzt. Der Wetterbericht erzählte immer was von ‚sonnig, bis 15°C‘, aber es war frisch und bewölkt und ich fluchte beim Aufwärmen innerlich, dass ich nur leichte Klamotten anhatte.

Pünktlich um 10 Uhr wurde gestartet und kaum hatten wir das Stadion nach einer 300m Runde – übrigens der einzig flache Teil der gesamten Strecke – umrundet, ging‘s nach draussen, sofort einen Hügel runter – und der Himmel wurde blau, die Sonne zeigte sich und ich war perfekt gekleidet! Dann folgte ein 4,5 km langer Anstieg, zunächst durch die Felder, dann in den Wald. Hier wurde der Boden dann Trailmässiger und wir fraßen Stück für Stück die Kilometer. Bei Km 6,5 hatten wir den höchsten Punkt erreicht, nun ging es 4,5, km bergab. Als wir aus dem Wald kamen führte die Strecke durch Rapsfelder, die zu beiden Seiten des Weges schulterhoch standen, vor uns lag malerisch Mendig auf einem Hügel und zwischen dem gelben Raps standen einzelne Mai grüne Bäume. Whow! Was für eine Kulisse! Es machte tierischen Spaß! Wir liefen durch den Ort und auf der anderen Seite wieder raus und bei Km 11 erreichten wir den niedrigsten Punkt des Rennens. Zum Glück sind die Steigungen der 2. Hälfte des Rennens zahmer, denn jetzt spürte ich schon, dass meine Vorbereitung eher so suboptimal bis kaum existent war. Im Januar, nach Nepal, war ich super fit und Hügeltraining war easy. Dann bekam ich einen Infekt und konnte 6 Wochen nicht laufen. Als ich vor 3 Wochen wieder begann hatte ich deutlich an Form eingebüßt. Seitdem habe ich in Spanien über Ostern 2 mal Hügeltraining à 8km gemacht und bin maximal 16km an Strecke gelaufen. Aber obwohl ich tatsächlich auch erstmalig bei einem HM mal Gehpausen einlegte, ging es doch recht gut. An den wichtigen Stellen standen immer Helfer um den Weg zu weisen und anzufeuern und die tolle Landschaft und das Postkartenwetter (nennt man das noch so? Müsste das nicht Instagram kompatibel heißen?) waren eine tolle Kulisse.

Tja, und dann steuerte ich den letzten VP an (‚Apfelschorle? Wasser?‘ – ‚Gerne und genau in dieser Reihenfolge!‘) und der letzte Anstieg kam in Sicht. Kurz, aber knackig! Dann noch kurz über die Straße und rein ins Stadion und nochmal 50m gespurtet und dann war ich im Ziel. 02:19:34 ist natürlich mit Abstand meine langsamste HM Zeit, aber s.o. Im Endergebnis Platz 6 in der AK, aber die vorderen Plätze waren in allen Klassen mit ‚Einheimischen Bergziegen‘ belegt. Von nüscht kommt nüscht.

Fazit: Es hat Superspaß gemacht und ich würde das glatt nochmal machen!

Und Uwe? Der war sehr gut in Form und hat ein souveränes Rennen geliefert. Daumen hoch!

Jeder kann Marathon laufen!

‚Marathon, die Königsdisziplin!‘ und ‚Boah, der Mann mit dem Hammer bei Kilometer 30!‘ und dann das Fazit ‚Das könnte ich nicht!‘

Doch.

Ich glaube, dass prinzipiell jeder Marathon laufen kann. Wieso? Es gibt da einige Hinweise in unserer Evolution. Auch wenn wir es heute nicht mehr so mitkriegen, wo wir überall mit dem Auto hinfahren, für 2 Stockwerke den Fahrstuhl nehmen und den größten Teil des Tages sitzend verbringen, der Mensch ist wie kaum ein anderes Wesen dafür geschaffen, langes Distanzen zu Fuß gehend oder rennend zurückzulegen. Der Mensch kann im Allgemeinen, auch ohne viel Training, lange Distanzen gehen, bis zu 1.500 m rennen und einige Hundert Meter schwimmen. Das ist ziemlich vielseitig und einzigartig, da die meisten anderen Spezies auf eine Sache ausgerichtet sind.

Die anthropologische Forschung der letzten Jahre brachte die Theorie hervor, dass unsere Vorfahren Hetzjäger waren, die ihre Beutetiere so lange verfolgten, bis sie vor Erschöpfung zusammenbrachen. Klingt erstmal komisch. Wie sollten wir eine Gazelle verfolgen? Ein so schnelles Tier? Die Gazelle, wie fast alle anderen potenziellen Beutetiere ist auf kurze Distanzen schnell, aber sie ist nicht ausdauernd. Ihr fehlt, wie den meisten anderen Tieren, die Fähigkeit über Schweißdrüsen Flüssigkeit abzusondern und Verdunstungskälte zu generieren, ihre Körpertemperatur steigt bei anhaltender Flucht bis sie kollabiert. Das ist auch der Grund warum bei Ausdauerrennen Mensch gegen Pferd der Mensch oft so gut abschneidet. Natürlich ist das Pferd größer und sowohl schnell als auch ausdauernd. Aber es hat viel weniger Schweißdrüsen und ist anfälliger für Überhitzung. Menschen haben hingegen ein sehr gutes System der Hitzeregulation und können deswegen auch größere und im Grunde schnellere Tiere ‚totlaufen‘. In einigen Regionen Afrikas gibt es bis heute die Technik des Herzjagens, wo z.T. über Tage ein ausgewähltes Tier gehetzt wird.

Auch wenn wir nicht wissen, ob diese Theorie stimmt oder ob es noch andere Varianten gibt – klar ist, der Bewegungsapparat und die Fähigkeit der Temperaturkontrolle ermöglichen es uns, lange Strecken zurückzulegen – und zwar bis ins hohe Alter. Der Mensch ist zum Laufen gemacht, er ist optimiert für diese Art der Bewegung!

Bei den meisten Sportarten haben die Leute mit 30 Jahren quasi das Greisenalter erreicht und müssen ihre Karriere beenden. Beim Laufen nimmt die Leistungskurve interessanterweise viel langsamer ab. Ja, mit fortschreitendem Alter können keine Spitzenzeiten mehr erreicht werden, aber die Ausdauer für lange Distanzen ist enorm und deswegen sehen wir durchaus ältere Laufer, gerade im Ultrabereich, die auch gegen jüngere sehr erfolgreich antreten. Das hat nicht nur mit der berühmten mentalen Stärke zu tun, sondern mit unserer genetisch bedingten Fähigkeit, Ausdauerleistung zu vollbringen.

Wenn wir also davon ausgehen, dass aufgrund unserer Evolution prinzipiell erstmal alle Menschen laufen können (denn unsere Vorfahren wurden lange darauf hin selektiert), warum sollte es dann nicht möglich sein, auch heute eine längere Distanz zu laufen?

Genau. Sag ich doch.

Immerhin ist Laufsport sehr populär. Kein Wunder, man braucht im Wesentlichen ein paar gute Schuhe, ein Flatterhemdchen, eine Bux und los geht’s, fast egal wo man sich befindet, laufen geht irgendwie immer. In den 70iger Jahren waren die Teilnehmerfelder bei Marathonveranstaltungen sehr klein, dafür waren die gelaufenen Zeiten im Schnitt deutlich schneller als heute. Ja und? Das zeigt ja lediglich, dass Marathon früher eher etwas elitär war und heute zum Massensport geworden ist. Manche alte Haudegen rümpfen die Nase über das ‚sinkende Niveau‘ (‚Früher war alles schneller‘), aber letztlich zeigen die steigenden Zahlen der aktiven Läufer nur, dass immer mehr Menschen ihrer Genetik folgen und sich von den Mythen um’s Laufen nicht abhalten lassen.

Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen ersten Marathon. Wie lange es dauerte, bis ich mich traute, mich in Berlin anzumelden. Weil ich auch diesen Riesenrespekt hatte und Angst, mich zu übernehmen. Und wie war es? Ich habe jede einzelne Sekunde genossen, war euphorisiert, hatte keinen Einbruch und dachte im Ziel: Hätte auch noch weitergehen können. War ich gut vorbereitet? Na klar! Ich hatte einen Trainer und einen Trainingsplan und alles ist fast bis auf die Sekunde aufgegangen. Nach dem Rennen habe ich gesagt

‚Hätte ich eher gewusst, dass Marathon laufen so einfach ist, ich hätte das schon viel eher gemacht‘

Und das ist es für mich. Da wird ein Mythos aufgebaut und was weiß ich von Härte und Durchhaltewillen und der Schmerz ist dein Freund geredet, aber im Grunde ist es gute Vorbereitung. That’s it. Mit Zeit, Energie, Willen und einem Plan ist das prinzipiell für fast jeden möglich. Die Frage ist, ob einer das WILL, aber das ist ein anderes Blatt.

Na klar habe ich auch mal den Einbruch bei Kilometer 33 gehabt und bin in der zweiten Hälfte nicht schneller, sondern langsamer gewesen, aber geschenkt, so doll war die Quälerei nun auch nicht. Nach meinem Berlin Marathon 2018 hatte ich noch nicht mal Muskelkater. Weil ich gut trainiert war, immerhin hatte ich im Monat zuvor den Ultramarathon in der Gobi absolviert.

Und wer Marathon laufen kann, kann auch Ultramarathon laufen. Das ist fast das Gleiche, nur halt…länger. Man muss einfach nur weiter laufen. Oder wie bei den Etappenrennen von racing the planet halt 250km in einer Woche. Mit Rucksack. Kann man alles trainieren. Und ehrlich: Nur eine Minderheit rennt da die ganze Zeit, die meisten Läufer gehen z.B. alle Bergauf Passagen. Und das Tempo ist im Hauptfeld natürlich auch geringer als bei einem Straßenlauf. Beim Ultralaufen ist vor allem wichtig, wie gut jemand in den Pausen regenerieren kann. Das ist z.T. genetisch angelegt aber wie fast alles, auch beeinflussbar.

Dazu später mal mehr.

Wenn du laufen willst, tu es. Wenn du länger laufen willst, tu es. Du kannst es, der Mensch ist dazu gemacht.

Nepalreise vom 20.12.18 bis 06.01.19

Solange man friert, lebt man noch!

Dörte

Alles Irdische ist vergänglich

Buddha

Für mich am liebsten Dhal Bhaat

Uwe

Seit wir uns im Dezember 1989 in Kathmandu kennenlernten und danach gemeinsam durch Indien und Nepal reisten haben wir das Land immer wieder mal besucht und die Umbrüche, Fortschritte und Veränderungen über 30 Jahre mitbekommen.

Da wir zudem seit einigen Jahren die gemeinnützige Sherpa Schule in Bamti Bhandar unterstützen kam die Idee auf, dort einfach mal vorbei zu schauen und uns ein eigenes Bild zu machen.

Und so sitzen wir am Abend des 20. Dezember 2018 im Flieger und kommen nach einem Zwischenstopp in Abu Dhabi am 21.12. in Kathmandu an – genau am Jahrestag unseres Kennenlernens. Dass die Luftverschmutzung in der Innenstadt enorm ist haben wir mitbekommen und im Vorfeld 10 km außerhalb in Bouddha bzw. Bodnath ein Zimmer im Rokpa Guesthouse gebucht. Auch das Rokpa ist ein gemeinnütziges Projekt, welches Straßenkindern oder allgemein Kindern aus sozial benachteiligten Familien ein Zuhause sowie die Möglichkeit einer Schulausbildung bietet. Die von uns gebuchte Zimmerkategorie ist nicht verfügbar und so erhalten wir den Schlüssel zur Stupa Suite im Dachgeschoß, eine 2-Zimmerwohnung mit Küche und Bad, locker 90qm groß, mit Terrasse und Blick auf den Stupa in 100m Entfernung. Wir richten uns ein, besuchen noch schnell den heiligen Ort,  der seit 1979 auch Weltkulturerbe ist und genießen im Shechen Kloster um die Ecke ein vegetarisches Abendessen. Uwe ist glücklich, es gibt das nepalische Standardgericht für alle Lebenslagen ‚Dhal Bhaat‘, welches ganz schnöde nach seinen beiden Hauptzutaten Linsen und Reis benannt ist. Dazu kommt noch Saag, der heimische Spinat und ein weiteres Gemüsecurry.

Der Stupa in Bouddha ist uralt (ca. aus dem 5. Jhdt.) und eine wichtige Pilgerstätte vor allem der tibetischen Buddhisten. Die Zone unmittelbar um ihn herum ist nur Fußgängern zugänglich, der fast kreisrunde Platz ist von kleinen Läden und Restaurants gesäumt und obwohl viele Menschen dort sind und die Pilger immerzu im Uhrzeigersinn um den Stupa herumlaufen ist die Atmosphäre ruhig, friedlich und freudvoll und hat sich über 29 Jahre nicht verändert. Der weiße Unterbau ist frisch gestrichen, neue Gebetsfahnen hängen an den Seiten und leuchten von weitem. Zwischen den stetig laufenden, betenden und kreisenden Menschen liegen Straßenhunde träge in der Sonne und schlafen.

Sobald wir an einer Straße sind werden der Staub und die Luftverschmutzung spürbar und wir besorgen uns einfache Atemmasken, die zumindest vor dem allgegenwärtigen Feinstaub schützen sollen. Die Straßen sind teilweise nicht befestigt, die Regenzeit seit Wochen vorbei und alles, was nicht geschützt ist, trägt mindestens einen fein gepuderten Staubüberzug. Die Blätter der Bäume und Sträucher sind komplett bedeckt und ich frage mich, wie hier Photosynthese stattfinden kann. Unseren Plan, die 10 km bis zur Innenstadt zu Fuß zu gehen geben wir auf halbem Weg auf und nehmen einen Linienbus.

Ich erkenne die Stadt kaum wieder. Gab es früher nur alte Häuser in der traditionellen Ziegelbauweise mit verzierten Holztüren und Fensterläden, mit niedrigen Etagen, die uns Europäer zum Bücken zwingen und maximal zwei Stockwerken über dem Erdgeschoß, so hat die ‚asiatische Standardarchitektur‘ jetzt auch Kathmandu erreicht. Gebaut wird mit einem Betongerüst, welches im günstigsten Fall mit gemauerten Ziegelsteinwänden aufgefüllt wird. In den Untergeschossen gibt es nach vorne offene, mit einem Rollgitter versehene Läden, darüber 3 bis 4 Stockwerke. Die Bauten sind zweckmäßig, komplett charmefrei und da für Stadtplanung bei dem schnellen Wachstum keine Zeit bleibt auch relativ ungeordnet errichtet. Die Bevölkerung ist von ca. 19 Mio. 1990 auf rund 29 Mio. 2018 angewachsen, Landflucht spielt eine große Rolle und Kathmandu ist inzwischen auch offiziell eine Millionenstadt. Und irgendwo müssen die Menschen leben. Zudem hat das schwere Erdbeben 2015 bis heute sichtbare Spuren hinterlassen und die Notwendigkeit, neue Bauten zu errichten noch verstärkt.

Wie überall an den Weltkulturerbestätten im Kathmandu-Tal müssen wir nun auch vor Betreten des Durbar Square Eintritt bezahlen. Früher kannten wir den Platz als Teil des gesellschaftlichen und sozialen Lebens. Kaum jemand hatte ein TV oder andere mediale Ablenkung und so ging man jeden Nachmittag auf den Durbar Square, saß auf den Stufen einer der Tempel und Pagoden, guckte Leute, schrieb in Unterlagen rum und war Teil des Augenblicks. Heute ist der Platz abgekoppelt vom Alltagsleben der Stadt, er ist ruhiger, aber auch musealer.

Als ich ihn betrete ist mir zum Heulen zumute. Die Spuren des Erdbebens von 2015 sind deutlich sichtbar, viele Tempel ganz oder teilweise zerstört und ich kämpfe sehr mit dem Gedanken, wie es früher hier war und ob eine Restauration möglich ist. Doch dann sehe ich, was schon wieder alles steht bzw. woran intensiv gearbeitet wird und das ermutigt mich. China und Japan leisten Unterstützung beim Wiederaufbau und speziell die Chinesen schmeißen sich voll in diese Aufgabe.

Es beeindruckt mich zu sehen, was bereits geschafft ist und ich bin sicher, dass die Aufgabe gelöst wird. Auf einer bereits instandgesetzten Pagode sitzt ein Querflöten-Militär-Orchester und musiziert, ein herzerweichender Vorgang.

Ich vergaß zu erwähnen, dass es in Nepal im Winter kalt ist. Ja, richtig kalt, vor allem nachts sobald die wärmende Sonne untergegangen ist und da es keine Heizungen gibt muss improvisiert werden, bzw. man muss dicke Jacken tragen, eine Mütze und den ganzen Winter-Ornat.

Da wir es schon hier kalt finden und es in den Bergen noch kälter sein wird kaufen wir uns warme Synthetik Jacken und ich bekomme eine wattierte Überziehhose, in der ich aussehe wie das Michelin-Mädchen, aber egal, das Ding ist leicht und wärmt.

Von der Zugluft im Bus (und evtl. auch unterstützt durch die Luftverschmutzung) hole ich mir eine Halsentzündung und bleibe am 24.12. alleine im Rokpa Guesthouse. Uwe besorgt mir eine 3 Tage Antibiotika-Kur. Ich will zur Fahrt am 26.12. in die Berge fit sein. Zum Weihnachtsessen am Abend (Dhal Bhaat mit Dhal und Bhaat) teilen wir uns ein einheimisches Weihnachtsbier. Lecker!

Im Rokpa kommt uns überraschend Nuri besuchen, der Leiter der Sherpa Schule in Bamti Bandar. Er treibt das Projekt mit viel Liebe voran und ist uns auf Anhieb sympathisch. Wir besprechen mit ihm Details unserer Fahrt nach Bamti und verleben einen äußerst anregenden und angenehmen Vormittag mit ihm. Er organisiert uns für den Morgen des 26.12. ein Auto, einen sog. ‚Jeep‘, der zwar nur 2radantrieb hat, aber eine große Bodenfreiheit. Die Strecke nach Sivalaya beträgt 200km, die Fahrtzeit 9 h, die letzten 3 davon auf einer unbefestigten Straße. Um 17 Uhr erreichen wir den Ort mit ein paar Dutzend Häusern und mieten uns in einer der Bretterbuden-Lodges ein. Das Zimmer ist winzig und kalt. Ich packe meinen wunderbaren Yeti Schlafsack (Tension comfort 800) aus und krabbele hinein. Es ist kuschelig warm. Das Beste an diesem Schlafsack ist: er ist geräumig, breit, hält warm und bietet Platz ohne Ende. Ich kann komplett in ihm verschwinden, mich in allen Richtungen bewegen und überlege, ob ich mir noch eine Sitzecke darin einrichte 😉

Beim Abendessen lernen wir Morgan kennen, einen Franzosen, der das Reisen zu seinem Lebensinhalt gemacht hat, und Dha, unseren Führer, der uns am nächsten Morgen zur Schule begleiten soll.

Bevor wir am 27.12. aufbrechen können müssen wir noch ein Permit besorgen. Da wir auf dem Weg nach Bamti an einer Ecke durch das Gauri-Shankar Natural Reserve müssen, sind wir verpflichtet, für 30 Dollar pro Nase im Büro vor Ort die Genehmigungen zu besorgen. Ich sehe das nicht ein. Schließlich bringen wir zwei Laptop-Spenden aus Deutschland mit und schleppen das Zeug selber über die Berge. Nach ein wenig Diskussion habe ich auch die drei Mitarbeiter vor Ort überzeugt und wir dürfen ohne die Permits weiter. Das gesparte Geld werden wir der Schule spenden. Dha schultert sofort meinen Rucksack und ich sage nicht nein dazu. Ich habe neben meinen Klamotten knapp 2,5 kg Süßigkeiten für die Kinder dabei, Uwe trägt die Laptops. Direkt hinter Sivalaya beginnt der Aufstieg. Stufen, Stufen, Stufen. Keine wie die andere, alle steil und meist hoch, jeder Schritt muss mit Bedacht gesetzt werden. Wir müssen von 1.800 m aufsteigen bis auf 2.600 m, können in Deurali den Kamm überqueren und auf der anderen Seite auf 2.200 m absteigen. Kurz vor Erreichen des höchsten Punktes wird mir übel. Es muss das Antibiotikum sein, welches mir auf den Magen schlägt, denn obwohl es immerzu bergauf geht finde ich die Anstrengung akzeptabel. Zum Glück geht die Übelkeit schnell vorüber und am Mittag treffen wir in Bamti ein.

Es ist noch Unterrichtszeit und alle in den Klassenzimmern, aber wir werden sofort sehr herzlich begrüßt und mit warmen Getränken und Essen versorgt. Die Gebäude (Klassenzimmer, Mädchen- und Jungenhaus, Computerraum, Krankenstation, Küche und Essenssaal sowie Bibliothek und Kindergarten) sind alle um den zentralen Schulhof angelegt und nach dem Erdbeben z.T. neu aufgebaut worden. Nur zwei Gebäude hatten die Katstrophe überstanden und bis zum Beginn des Wiederaufbaus wurde mit Zelten improvisiert. Neben der Dining hall befindet sich die Küche, in der ein gusseiserner, mit Holz betriebener Herd steht, auf dem im Wesentlichen alle Mahlzeiten gekocht werden. Es ist warm hier drin und die Bank neben dem Feuer ab sofort mein Lieblingsplatz. Ich überlege mit Uwe, wann wir zuletzt so eine Art Herd in Betrieb gesehen haben und wir erinnern uns an unsere Kochmaschine in der Wohnung in der Manteuffelstraße in Kreuzberg, wo wir sowas hatten – nur natürlich viel kleiner.

Wir bekommen ein riesiges Gästezimmer und einen ersten Rundgang über das Gelände. Die Schule bietet 300 Schülern Platz, viele davon kommen als Tagesschüler aus den umliegenden Gegenden, aber rund 75 Kinder, Waisen oder Kinder ohne funktionierende Familie,  leben permanent hier. Es werden nur Schüler aus armen Familien aufgenommen, diese werden mit allem Notwendigen versorgt: Kleidung, Essen, Unterkunft, Schulmaterialien. Einige der Menschen die dort arbeiten waren selber mal Schüler und arbeiten nun, als Erwachsene, in der Schule. Überall ist spürbar mit wieviel Liebe und Hingabe alle bei der Sache sind und wie sehr sie die Schule und die Kinder schätzen und sich durchaus bewusst sind, was für eine Vorbildfunktion das Projekt hat. Im Gewächshaus wird Saag zur Selbstversorgung angebaut, es gibt Solaranlagen für die Brauchwassererwärmung und ein kleines Wasserkraftwerk. Beim Abendessen in der Dining Hall geht es strukturiert und ruhig zu. Überhaupt ist der Alltag für die Kinder, die in der Schule leben, stark strukturiert und sie sind – altersangemessen – auch für wechselnde Gemeinschaftsarbeiten verantwortlich.

Beim morgendlichen Appell auf dem Schulhof werden wir als Ehrengäste begrüßt und aufgefordert, etwas zu sagen. Ich überlasse das gerne Uwe und bereite schon mal das Verteilen der mitgebrachten Süßigkeiten vor. 2,5 kg Süßkram klingt viel, aber immerhin stehen hier 300 Kinder! Nach der Versammlung geht es zügig in die Klassen und wir werden eingeladen uns den Unterricht anzusehen und setzen uns in eine Englischstunde, die Bikal, der junge Direktor der Schule gibt.

Am Abend kommt Dha vorbei und wir besprechen die Tour, die wir mit ihm machen wollen. Am 2. Januar haben wir am Vormittag einen Flug von Phaplu nach Kathmandu und wollen über die Berge dorthin trekken. Dha schlägt vor, einen Tag bis nach Gumba zu wandern, dann eine weitere Nacht am Pikey Peak zu verbringen und von dort nach Phaplu zu gehen. Wir haben eine sehr detaillierte Karte, die in den vorgeschlagenen Orten keine Unterkunft anzeigt. Dha lacht nur: in Gumba werden wir privat übernachten und am Pikey Peak Base Camp gibt es inzwischen ein ‚Hotel‘ (dazu später mehr…..). Bikal möchte uns begleiten und dann kommt noch Sangey, ein Schüler, mit, so dass wir zu fünft sein werden.

Am 28.12. brechen wir um viertel nach neun auf. Zunächst geht es 600m bergab bis ins Flusstal und jeden Meter, den wir hier absteigen müssen wir auf der anderen Seite wieder aufsteigen. Menno! Gibt es da keine Abkürzung? Aber es ist angenehm warm, wir kommen durch Wäldchen, queren Terrassenfelder und sehen an einem Felsen die Honigwaben wilder Bienen. Über uns kreisen immer wieder Greifvögel. In der Talsohle finden wir die Hängebrücke, die uns auf die andere Flussseite bringt und beginnen mit dem Aufstieg. Ich glaube, ich erwähnte es bereits, dass die Nepalis gerne Stufen nutzen um Wege zu gestalten? Und am liebsten in unterschiedlicher Tiefe, Höhe und Anordnung? Wir stapfen und klettern stundenlang. Das Gute ist, dass die Landschaft spätestens jede Stunde wechselt. Mal ist es waldig, dann geht es durch Felder und an einzelnen Häusern vorbei. Manchmal kommen uns Einheimische entgegen – immer mit einem Telefon am Ohr. Die Netzabdeckung in Nepal ist phänomenal und besser als in manchen Gegenden Brandenburgs und buchstäblich jeder den wir sehen hat ein Mobiltelefon. Wenn wir laufen haben wir immer wieder Ausblick auf die Berge und Dha erklärt geduldig, was welcher Berg ist.

Leute, die mich kennen wissen: ich steh nicht so auf Berge. Berge sind meiner Meinung nach die am meisten überschätze geologische Formation des Planeten und ich könnte gut ohne sie leben. Im Allgemeinen haben die Berge und ich einen Nichtangriffspakt. Ich tu ihnen nichts und sie tun mir nichts und so können wir gut ignorant nebeneinander her existieren. Hier kann ich sie nicht ignorieren, dazu bin ich zu sehr aus der Puste. Und ja, ich finde das Panorama auch ganz nett. Was mich wirklich frustriert ist, dass ich auch zwei Tage nach dem Start der Lauferei noch sehen kann, wo ich mal war. Das ist doch demotivierend! Ich will loslaufen und wenn ich ankomme, nach einem Marathon oder von mir aus einem halben, dann will ich nicht sehen, wo ich mal los bin, dann will ich weiter sein!!

Gegen halb fünf hat die Treppensteigerei ein Ende. Ganz plötzlich geht dem Berg die Puste aus und nicht uns. Wir übersteigen den Grat zur Musik von Justin Bieber, dem Lieblingsmusiker von Sangey, und sehen auf der anderen Seite einige locker verteilte Häuser in der Nachmittagssonne liegen. Gumba! Wir sind da! Mit wenigen Schritten erreichen wir ein kleines Haus, ein wuscheliger Hund, der aussieht wie eine Lightversion eines Bären, kommt uns mit enthusiastischem Schwanzwedeln entgegen und begrüßt uns freundlich indem er allen um die Beine rennt. Balu  heißt er – Bär, was ich sehr treffend finde.

Wir treten durch die niedrige Tür in den Wohnraum. In einer Ecke befindet sich der Herd, daneben steht eine Bank mit einem niedrigen Tisch. Wir setzen uns. Das Ehepaar welches hier wohnt sind Tante und Onkel von Sangey, der ein paar Tage mit seinen Verwandten verbringen wird. Wir haben unterwegs nichts gegessen und sind entsprechend hungrig. Im Nu steht ein Berg Pellkartoffeln vor uns und ein Schüsselchen mit scharfer Soße. Wir puhlen die Kartoffeln und dippen sie in den Chutney – köstlich! Es wird Sherpa Tee gereicht, Suchay genannt. Alle warnten immer davor. Er sei nichts für Europäer, wir würden sowas nicht mögen und überhaupt. Ich finde, er passt hierher und ich finde, er schmeckt mir. Suchay wird mit Butter und Salz verquirlt, die Sherpas sagen, er sei gut gegen Höhenkrankheit. Wir trinken mehrere Gläser des angenehm heißen Getränks. Ich sitze neben dem Ofen und versuche meine Füße aufzutauen. Ich hatte beim Packen in Deutschland zwei Paar Wollsocken in der Hand. Aus Gründen, die ich nun nicht mehr nachvollziehen kann, hat keines davon den Weg in den Rucksack gefunden. Ich habe nur Baumwollsocken mit. Na, muss reichen! Der Herd bollert vor sich hin, es wird endlos Holz nachgeschoben, ein kurzes Ofenrohr bringt die Gase nach draußen. Zum Heizen ist das natürlich nicht besonders effektiv. Schon etwas weg vom Herd friert man sich Körperteile fast ab, zudem raucht es immer wieder und zwar in den Raum hinein. Der Qualm beißt in den Augen. Um ihn abzulassen wird immer mal wieder die Tür geöffnet. So oszilliert man permanent um das Gleichgewicht von ‚weder ersticken noch erfrieren‘ und reguliert die Frischluftzufuhr. Bikal hat offenbar genauso Schwierigkeiten wie ich, die Rauchgase zu ertragen, er hustet und reibt sich die Augen. Wenn das sogar den Einheimischen so geht!

Sangey ist ungefähr 10 Jahre und der beste Schüler seiner Klasse wie uns der Schulleiter stolz erklärt und der Junge interessiert sich buchstäblich für alles, von Buddhismus über das Weltall bis zu einheimischen Pflanzen, deren medizinische Verwendung er uns unterwegs immer wieder erläutert hatte. Es freut mich, dass er so offen und unbefangen ist und wirklich gute Chancen hat, dank der Sherpa Schule eine positive Perspektive für sein Leben zu entwickeln. Ich hatte am Morgen noch mit Bishnu Maya über unsere Motivation diskutiert, die Schule zu unterstützen und ihr gesagt, dass ich an Investitionen in Gesundheit und Bildung, an Investition in Menschen, glaube und sicher bin, dass die Gesellschaft in Nepal sich weiter entwickeln kann wenn es Projekte wie die Sherpa Schule gibt. Schließlich haben alle Menschen Fähigkeiten und je besser die Bedingungen sind, diese zu entdecken und zu leben, umso mehr profitiert auch eine Gemeinschaft davon und nicht nur der Einzelne.

Irgendwann wird beschlossen, Abendessen zu kochen. ‚Dhal Bhaat is ok?‘ Uwe bekommt leuchtende Augen ‚Sure!‘ Mit einfachsten Werkzeugen wird Gemüse geschnibbelt und die wenigen Töpfe auf dem Herd hin und hergeschoben. Nach einer Stunde, in der wir noch Chang trinken müssen, ein aus Hirse vergorenes warmes alkoholisches Getränk, welches ich ‚Bergpunsch‘ nenne, ist das Essen fertig. Wir essen eine ordentliche Portion und werden zum Schlafen in das Nachbarzimmer geleitet, das Gemeinschaftsschlafzimmer des Hauses. Hier schläft schon, in einem Körbchen mit einer warmen Decke zugedeckt, ein halbwüchsiges Hühnchen. Als die anderen Hühner in den Nachtstall getrieben wurden, fing man dieses hier separat und lässt es nun im Wohnhaus übernachten – es sei zu kalt draußen. Ich denke an die Hühner in Legebatterien, deren Eier wir in Deutschland essen und wie toll das Leben der Hühner hier ist. Sie sehen gesund aus, dürfen den ganzen Tag draußen sein und sogar wenn sie irgendwann doch mal im Topf landen, so haben sie zuvor ein artgerechtes Leben gehabt.

Am nächsten Morgen ist es draußen unter 0°C (und drinnen nur wenig mehr). Als ich in die klare Morgenluft trete, die die Wärme des Tages noch nicht ahnen lässt, um zum Abtritt zu gehen kommt Balu an und leckt mich begeistert ab. Sein dicker Pelz hat ihn draußen gut geschützt. Zum Frühstück gibt es Tsampa – Gerstenmehl, vermischt mit Butter und Suchay. Auch über dieses Gericht heißt es, es sei für Westler ungenießbar. Stimmt natürlich nicht, es ist lecker, halt eine Art Himalaya-Porridge. Er macht ungeheuer satt und gibt Power um über die Berge zu kommen.

Heute müssen wir nicht so viel Aufsteigen, wir sind schon auf ca. 3.000 m und müssen ‚nur‘ auf 3.600. Der Weg führt länger über einen Bergkamm. Kurz nach dem Aufbruch treffen wir einen Mann, der eine Säge und 2,5 m Plastikrohr herumträgt. Er schließt sich uns an und ich denke noch, wo er wohl hinwill und ob es sich lohnt, ein Stück Plastikrohr verkaufen zu wollen. Will er gar nicht. Die Wasserleitung, die u.a. unsere Herberge der letzten Nacht versorgt, ist irgendwo geborsten und er sucht das Leck um es zu reparieren. Irgendwann bleibt er zurück. Wir haben ein ständig wechselndes Panorama vor den Augen. Nadelwald und Rhododendronwälder wechseln sich mit einer durch Landwirtschaft geprägten Kulturlandschaft ab, wir passieren brach liegende Terrassenfelder, treffen angepflockte Kühe, weidende Ziegen, kommen an verfallenden Häusern vorbei, die beim Erdbeben beschädigt und danach aufgegeben wurden.

Nach Stunden halten wir an einem Privathaus (Verwandte von Dha, der hier jeden zu kennen scheint) und machen Pause. Das freundliche Ehepaar kocht uns Tee, die Hühner kratzen und picken im Staub, die Hofhündin hat zwei Junge, die neugierig zu uns kommen und irgendwo meckert eine Ziege – ein ganz normaler Haushalt auf dem Land. Wir erfrischen uns, blinzeln in die Sonne und steigen nach der Pause weiter auf. In einer schattigen Bergflanke ist es so kalt, dass die Bachläufe gefroren sind und wir uns langsam einen Weg über das glatte Eis suchen müssen. Die Bäume sind mit Flechten behangen. Die Atmosphäre ist mystisch. ‚Fangorn!‘ denke ich, denn tatsächlich erinnert der Wald an den Herrn der Ringe. Kaum haben wir eine Kehre genommen und die Sonnenseite des Berges erreicht, sind Eis und Schnee fast verschwunden. Allerdings hat es hier einen Brand gegeben, weite Teile der Vegetation sind zerstört und erholen sich erst langsam wieder. Wir sind auf deutlich über 3.000 m und ich spüre, wie die Luft dünner wird und die Bewegung anstrengender. Noch sind wir unterhalb der Baumgrenze, die wir heute noch überschreiten werden.

Der Weg schlängelt sich mit geringer Steigung an der Bergflanke entlang, wir laufen in der Sonne, der Wind ist kühl und leicht, ideal um sich draußen zu bewegen. Ungefähr eine dreiviertel Stunde brauchen wir, dann kommt unser heutiges Ziel in Sicht: Pikey Peak Base Camp, die einzige Übernachtungs- und Verpflegungsstelle hier oben. Ein geschecktes Yak steht etwas abseits vom Haus, die Sonne scheint uns intensiv ins Gesicht. Dha hatte zuvor in Aussicht gestellt, dass es hier oben immer kalt und windig sei, aber bisher – in der Sonne –  ist es einfach nur angenehm.

Ich habe noch nie ein Yak von Nahem gesehen. Wie auch? Die Viecher sind optimiert für das Leben in der Höhe und echte Yaks existieren erst oberhalb von 2.500 Metern (ja, im Tierpark in Friedrichsfelde gibt es welche, aber halt ‚Flachland Yaks‘). Wir sitzen auf der Terrasse und blicken auf das Tier runter, welches sich langsam nähert. Rasch nehme ich die wenigen Stufen nach unten, gehe ruhig auf das Tier zu, welches sich ganz friedlich verhält, tätschle seinen Kopf – da nimmt es seine Hörner und zielt nach mir.

Yak-Attack! Was tun? Erstmal Zeit gewinnen, also packe ich das Yak bei den Hörnern, drehe seinen Kopf zur einen Seite und mache mich zur anderen aus dem Staub. Zum Glück ist das Tier nicht geneigt, mich zu verfolgen. Ok, so ganz domestiziert sind sie offenbar nicht. Erst als ich Tage später mal wieder ohne lange Unterhose bin, fällt mir der lange blaue Fleck am Unterschenkel auf. Hat es mich doch gekriegt, aber zum Glück waren die 2 Lagen Hosen dick genug!    

Kaum ist die Sonne weg wird es kalt, sehr kalt. Wir sitzen in der Küche auf der Bank und kuscheln uns zu viert unter 3 Decken, die um uns herum drapiert sind. Der Herd hier hat kein Ofenrohr, d.h. die Luft ist voller Rauch und meine Augen tränen. Die Lüftungspausen sind wegen der Kälte extrem kurz. Dem Sherpa-Paar macht das gar nichts, sie husten nicht mal! Wir erfahren, dass beide 75 Jahre alt sind und seit 13 Jahren hier oben leben und das Base Camp ausgebaut haben um den Portern, die auf ihren Touren z.T. im Freien genächtigt haben, eine Herberge zu bieten. Die Frau ist neun Tage zuvor Uroma geworden und hat noch nie ein Hospital von innen gesehen. Sie spricht nur Sherpa Sprache, beherrscht noch nicht mal Nepali, hat eine Reibeisenstimme und beste Laune. Was soll ich ihr über die Schädlichkeit von Rauchgasen erzählen? Lächerlich!

Der Mann spielt etwas auf einer traditionellen Laute und amüsiert sich, dass wir alle ablehnen, uns auch daran zu versuchen. Wir gehen früh schlafen. Der Plan ist, morgen früh um 6 Uhr auf den Pikey Peak (4.070 m) zu steigen und von dort direkt weiter zu gehen. Aber es kommt anders. In der Nacht setzen Kopfschmerzen bei mir ein und mir ist klar, dass ich höhenkrank werde. Es ist kalt, der Yeti-Schlafsack kommt bei -8° bis -10°C an seine Grenzen, aber was mir zusetzt ist das Hämmern im Kopf. Ich entscheide, nicht noch weiter aufzusteigen. Die drei Männer gehen morgens alleine hoch auf den Gipfel und kommen zum Frühstück zurück. Uwe ist total euphorisiert. Berge! Ja, ich hatte es auch schon gesehen 😉

Obwohl ich weder Hunger noch Appetit habe esse ich etwas Tsampa. Danach bin ich zwar noch etwas wackelig, aber in der Lage, zu laufen.

Wir müssen nochmal leicht aufsteigen und unterhalb des Gipfels des Pikey Peak langwandern und mir geht es so gut, dass ich das Panorama durchaus genießen kann. Wir sehen im Osten 100 km entfernt Kanchenjunga und im Westen das in 200km Distanz liegende Annapurna Massiv und vor uns liegt der Everest. Doch, hat was.

MERKE: Wenn es imposant aussieht, ist es nicht der Everest, sondern der Lhotse oder ein anderer Berg. Wenn es unspektakulär aussieht, dann ist es der Everest:

Auf der sonnenabgewandten Seite des Berges liegt Schnee. Wir haben ein steiles Stück vor uns und müssen den Weg, der hier noch weniger als ein Pfad ist, suchen. Und dann stoßen wir auf etwas, was mein Herz klopfen lässt: Spuren einer Raubkatze! ‚Tiger‘ sagt Dha nur, aber ob es nun ein Tiger oder ein Schneeleopard ist, können wir nicht sagen. Ich bin euphorisch. Ich meine, was gibt es sonst für Neuigkeiten, wenn es um Tiger geht? Dass sie vom Aussterben bedroht sind, es immer weniger Lebensraum gibt etc. Aber hier, hier! sind welche langgelaufen, denn genau genommen sind es eine große und eine kleinere Spur. Ich bin glücklich. Das ist für mich der Höhepunkt der Reise. Berge hin oder her – die sind ja eh da, aber das hier, das ist speziell!

Vollkommen beglückt steigen wir rasch weiter ab und erreichen nach einer Stunde eine kleine Lodge. Hier lehnen Hoka-Laufschuhe an der Wand und ich frage mich, wer wohl damit rumrennt? – Der junge Wirt! Er ist mit einigen Franzosen von Kathmandu zum Everest gelaufen. Respekt! Nepal ist übrigens das einzige Land, wo die Leute auf meine Selbstoffenbarung ‚Ich mache Ultramarathons, 250 km in einer Woche‘ mit Desinteresse reagieren. Und auch wenn ich danach hinzufüge ‚With 10kg rucksack!‘ nehmen sie das kommentarlos zur Kenntnis. Definitiv kein Land für Narzissten…..

Wir steigen an diesem Tag stundenlang nur ab und erreichen am Nachmittag Phaplu. Hier verabschieden wir uns von Bikal und Dha und mieten uns ein geräumiges Zimmer in der Everest Lodge. Wir haben große, gemütliche Betten, die mit dicken Decken bestückt sind unter denen wir uns nach einem Abendessen (natürlich Dhal Bhaat) einmummeln. Den nächsten Tag nehmen wir ‚frei‘ und entspannen. Schlendern in den Nachbarort Salleri, trinken einen Suchay im Mid Way Guesthouse und unterhalten uns so nett mit den Leuten, dass wir später zum Abendessen wiederkommen. Natürlich gibt es Dhal Bhaat.

Am nächsten Tag haben wir den 10 Uhr Flug nach Kathmandu gebucht. Unsere Vermieterin teilt uns mit, dass er Verspätung haben wird weil Transportflüge Vorrang hätten, aber der Travelagent würde bei ihr anrufen und Bescheid geben, wenn wir zum Flughafen kommen sollen. Dorf halt. Der Flugplatz ist 100 m von der Lodge entfernt und wir spazieren morgens mal vorbei. Die Security Mitarbeiter sitzen in der Sonne, ein Huhn scharrt im Sand, drei junge Hunde spielen vor dem ‚Terminal Building‘. Das heißt wirklich so, obwohl es nur ein einfacher Bau ist. Wir sehen wie ein Hubschrauber mit Baumaterial beladen wird und unter Produktion jeder Menge Wind und Staub abhebt. Das Material geht zum Everest! Wohl zum Ausbau des Base Camps. Der Transport per Heli ist tatsächlich preiswerter als mit Mensch oder Yak.

Wir sehen den Heli abheben und entscheiden uns im kleinen Momo Restaurant noch zwei Portionen zu bestellen. Während wir auf das Essen warten sehen wir drei Frauen aus unserer Lodge am Flugplatz eintreffen. Scheint irgendwann loszugehen! Uwe zieht los, unser Gepäck aus der Lodge holen. Auf dem Weg dorthin kommt ihm schon die nette Vermieterin entgegen, die uns suchte. Hier geht halt nichts und niemand verloren. Jetzt dürfen wir auch zur Abfertigung kommen. Das Gepäck wird einzeln gewogen, kurz begutachtet (das ist unter ‚Security‘) und von Trägern auf das Rollfeld gebracht. Dort stehen wir und warten auf die Maschine.

Die heran nahende Twin Otter kommt aus westlicher Richtung ins Tal, macht eine 180° Drehung und landet perfekt in der Mitte der Runway. Das Manöver ist filmreif. Die Tür geht auf, eine winzige Treppe wird ausgeklappt, einige Menschen steigen aus, wir stellen uns wie Schüler in einer Reihe auf, unser Gepäck wird verladen, wir erklimmen das Flugzeug. Drinnen kann ich nicht aufrecht stehen. Ich mutmaße, in der Stellenbeschreibung für die Flugbegleiter steht ‚max. 165cm Körpergröße‘. Im Nu sitzen alle, die Tür schließt sich, der Pilot rückt seine Sonnenbrille zurecht und das Flugzeugchen rollt zum Ende der Startbahn. Nun werden die Motoren aufgedreht, das Teil grollt vor sich hin und zittert unter der gebremsten Kraft. Dann lässt offenbar im Cockpit jemand die Handbremse los, jedenfalls nimmt die Maschine schnell Fahrt auf und ratzfatz sind wir in der Luft – lange vor dem Ende der Startbahn. Es rüttelt, lärmt und wackelt. Nie habe ich Fliegen unmittelbarer und intensiver erlebt. Es ist ein geradezu jugendlicher Spaß. Da es keine Druckkabine gibt können wir nicht so hoch fliegen und schlängeln uns um die Berge herum. Viel zu schnell ist Kathmandu erreicht. Wir drehen noch eine Runde über Patan, dann setzt der Pilot unmittelbar aus einer 90° Kurve kommend sauber mittig auf der Landebahn auf. Hätte ich ne Airline hätte er nun ein Jobangebot.

Wir nehmen eine Taxe nach Dhulikel, gut 30 km außerhalb von Kathmandu. Es liegt wunderbar an einer Bergflanke und bietet tolle Ausblicke auf den Langtang Himal. Wir wollen die letzten Tage in Ruhe verbringen und haben uns im Bhattidanda Homestay fresh and natural eingebucht. Das Haus wird von einer Familie betrieben, die ursprünglich sehr arm war.  Die Geschichte von Fulmaya Tamang wird in einem Büchlein beschrieben welches ausliegt. Aus einer armen Familie kommend hat sie mit ihrem Mann über Jahre versucht durch harte körperliche Arbeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen und ihre Kinder durchzubringen, hat Hunger erlebt, Obdachlosigkeit und Verzweiflung. Dann fand sie im Dreck auf der Straße eine ‚gelbe Kette‘, mit der zunächst ihre Tochter spielte bis es ihr langweilig war und die auch die Nachbarin nicht tragen wollte weil es sie zu sehr an die Kette eines Hundes erinnerte. Man ahnt es und genauso war es: die Kette war aus Gold und wurde sofort in 4 Ladungen Ziegelsteine zum Hausbau verwandelt. Fulmaya gründete eine Frauenkooperative, kümmerte sich um Bildungsfragen und das Erlangen von Mikrodarlehen, inspirierte andere Menschen, ihr Leben zu verbessern und erhielt inzwischen einen Preis für ihr soziales Engagement und ihr Unternehmertum. Wir sind sehr beeindruckt von dieser Frau, die ein ausdrucksstarkes Gesicht und eine positive Ausstrahlung hat.

Leider ist der Neubau in dem wir wohnen so zugig, dass es unter sämtlichen Ritzen pfeift als nachts Fallwinde einsetzen. Mir wird unter der kilogrammschweren Decke zwar warm, aber Uwe nicht. Er muss sich in seinen Schlafsack flüchten. Am nächsten Morgen entscheiden wir, uns eine neue Unterkunft zu suchen. Wir ehren das Schicksal der Frau, aber es wird nicht dadurch ungeschehen, dass wir nun auch leiden. Ein Stück die Straße runter hat das Gaia ein schönes Zimmer für uns. Wir quartieren uns um und machen uns auf den Weg zu unserem letzten Ausflug. Wir laufen die 10 km bis zum Namo Buddha Stupa und danach auf der Rückseite des Berges nochmal 10 km bis Panauti. Das war eine der besten Ideen dieser Reise! Auf diesem Weg finden wir Nepal noch so, wie es vor 30 Jahren war.

Terrassenförmige Felder werden von Hand, ohne Einsatz von Maschinen beackert. Hühner, Ziegen und Büffel leben am Haus, erntefrisches  Obst und Gemüse werden an der Straße verkauft, Mais getrocknet. Schulkinder in Uniform rennen von der Schule nach Hause. In einem winzigen Chai-Shop nehmen wir Tee und Coconut Crunchies ein und es scheint, hier ist die Zeit stehen geblieben. Niemand könnte sagen, ob es nun 2019 oder 1919 ist.

Panauti ist eine Entdeckung! Die Stadt steht nur deswegen nicht unter UNESCO Weltkulturerbe weil es im Kathmandu Tal (höchste Dichte an Welterbestätten weltweit!) schon so viel gibt. Die Konkurrenz ist schlicht zu groß! Das Stadtzentrum besteht ausschließlich aus alten Häusern. Roter Backstein, in den verzierte hölzerne Türen und Fenster eingelassen sind. So sah Kathmandu auch mal aus!

Wir sind begeistert. Dann nehmen wir einen Bus und machen uns auf den Rückweg nach Dhulikel. Hier haben wir noch ein denkwürdiges Erlebnis. Häufig haben wir während unseres Aufenthaltes mit sehr offenen, motovierten jungen Menschen gesprochen, die uns sehr beeindruckt haben. Als wir spazieren gehen liegen am Straßenrand einige kleine Geldscheine und eine nepalische Fahne, einige Meter daneben spielen Kinder. Ich denke, dass das jemand beim Motorradfahren verloren hat, bin aber irritiert, dass niemand es bisher aufhob. Uwe weist auf die Sachen und fragt die Kinder ‚Is this yours?‘ und ein ca. 8jähriges Mädchen sagt ‚Yes!‘ –‚?‘ ‚I put it here, I wanted to see what the people are going to take, the flag or the money!‘  Ein Experiment! Ein Feldversuch zur Priorität von Werten! Wir sind beeindruckt und uns einig: ein Land mit solchen Menschen hat eine Zukunft. Dann sinkt die Sonne hinter dem Langtang Gebirge und der letzte Abend bricht an.

Zum ‚last supper‘ gibt es – natürlich – nochmal Dhal Bhaat und ein einheimisches Bier. Wir trinken auf die tollen erlebten Abenteuer und die hellen Köpfe Nepals!

Weitere Infos zur Schule unter Sherpa-Schule-Bamti.de

© Dörte Schreinert, 09.01.2019