Rhein-Ruhr-Halbmarathon am 02.06.10

Irgendwie muss ich mein Formtief nach 6 Wochen Trainingspause im Frühjahr ausmerzen, also kommt der Rhein-Ruhr-Marathon am 02.06.19 gerade richtig. Einige Tage zuvor schnell noch angemeldet, rumgefragt, wer vom Verein außer mir mitläuft und dann mit Peter, Kathrin und Mark verabredet um gemeinsam mit dem Fahrrad rüber zu fahren. Peter, unser Trainer, hatte damit eine Premiere; noch nie in Jahrzehnten Läuferkarriere fuhr er zuvor per Rad zum Start eines Rennens.

Das Wetter am Sonntagmorgen: ein Traum! Blauer Himmel, Sonne und es ist zu ahnen, dass es warm wird. Wirklich warm. Die App stellt bis zu 32°C in Aussicht.  Das letzte Stück Straße vor dem Erreichen des Sportparks in Duisburg ist gesperrt und  uns kommen die soeben gestarteten Marathonis entgegen. Eine Frau geht hier bereits, den Besenwagen auf den Füßen. Wir fragen uns ob das Selbstüberschätzung ist oder sie eine Geschichte hat, dass sie unbedingt einen Marathon laufen will oder muss, kommen aber, natürlich, zu keinem Ergebnis.  Jochen aus dem Verein läuft heute seinen dritten Marathon aus seiner ‚alle 14 Tage einen‘ 3er Serie. Viel Spaß!

Räder anschließen, Wasserflasche leertrinken, Herrn und Frau Dixie besuchen, dann treffen wir Christel, auch von MMH, machen uns warm (das geht schnell) und stehen im Startblock. Kurze Hose, Flatterhemdchen, alles klimaoptimiert, plus (um aus einem Reinhard Mey Lied zu zitieren) ‚Auf dem Kopf, zum Schutz vor Hitze eine grün beschirmte Mütze‘. Christel und ich reihen uns bei 2:00h ein. Das ist langsamer als meine PB, aber es ist ja heiß und es geht um nix, nur um den Spaß.

Um 10:05 starten wir, Christel und ich bleiben dem 2h-Zugläufer auf den Fersen. Im Grunde ist das Tempo gut und ich müsste das gut über 21km halten können…… aber. Es ist heiß. Ich spüre, wie die Wärme sich staut, der Körper versucht, über Schweiß zu kühlen und nicht so erfolgreich ist wie er es gerne wäre. Wir traben durch die lockere Bebauung verschiedener Wohnviertel, die Füße trippeln über den Asphalt, der schon Hitze abstrahlt. Na prima! Nach 5km lasse ich Christel und den Zugläufer ziehen. Mir ist übel und ich muss langsamer machen wenn ich hier nicht riskieren möchte, umzukippen.  Ich akupressiere den Punkt KG26 zur Stabilisierung des Kreislaufs und nehme bei jedem VP Wasser auf. Leider war in meinem Starterbeutel kein Schwamm und erst bei km8 bekomme ich einen. Da habe ich die Idee ‚Ob ich heute abbrechen muss?‘ , den ich bei km 7 hatte, bereits hinter mir gelassen. Der Schwamm ist meine Rettung! Wer hat Schwämme entdeckt und entwickelt? Hat diese Person einen Preis erhalten und ist ausreichend gewürdigt worden? Ich leere in einem Zug zum Wohl dieses Menschen einen Becher Wasser auf ex, tauche meinen Schwamm in den Wassertrog und mache mich nass. Verdunstungskälte, wunderbar. Ich mache mir keinen Kopp wegen des verringerten Tempos. Heute will ich einfach nur gut durchkommen, Zeiten sind egal. Und je mehr ich in meinen Rhythmus komme kann ich den Blick nach außen wieder weiten.  Da haben Anwohner ihre Gartenschläuche auf die Straße verlegt und an Verkehrsschildern befestigt. Diese Sprühduschen sind wunderbar. Es wird aus Ghettoblastern oder live Mucke gespielt und es ist von Rock über Samba bis zu Schlagern alles dabei, was der Duisburger und die Duisburgerin so schätzt. Ich passiere eine Riege älterer Menschen die in einer lange Stuhlreihe am Straßenrand unter dem Schatten einer Linde sitzt, darüber ein riesiges Banner: Heidi feiert Geburtstag und grüßt die Läuferinnen und Läufer! Ich frage: ‚Wer von euch ist Heidi?‘ Eine ältere Frau in der Mitte der Reihe winkt: ‚Ich!‘ – ‚Herzlichen Glückwunsch, Heidi!‘ – ‚Danke! Guten Lauf!‘ Wir winken uns zu und es geht weiter. Dachte ich bei km 7 an den Besenwagen kommt mir bei km 10 der Gedanke an Scott Jurek. Scott ist ein amerikanischer Ultraläufer, der für seine extreme Härte bekannt ist. Bei machen seiner legendär gewonnenen Rennen ließ er sich von seinem Team eine Badewanne voll Eis irgendwo  in die Wüste karren und legte sich für einige Minuten hinein. Ich schwelge in der wunderbaren Vorstellung von kaltem Wasser, in das mein Körper eintaucht, von Eis auf meinen Beinen, schnappe mir am nächsten VP wieder zwei Becher Wasser, trinke einen aus und kippe mir den anderen über den Körper. Das fühlt sich gut an! – Für 2 bis 5 Minuten…..so wird dieser Halbmarathon ein Staffellauf. Ich denke und laufe von VP zu VP, von Gartenschlauch zu Gartenschlauch. Überholt mich da der Zugläufer für 02:15?! – Egal, einfach das Tempo machen, welches mein Körper vorschlägt, und trinken so viel er will. Je mehr ich mich darauf einlasse nur das zu fordern, was mein Körper jetzt geben kann, umso leichter wird es. Während ich eine Autobahn überquere  rast ein Krankenwagen mit Blaulicht am Feld vorbei, offenbar braucht jemand Hilfe. Bei km 14 bin ich mit einem Gefühl unterwegs, wie ich es sonst von meinen Wüstenläufen kenne: langsam, gleichmäßig, in einem Modus der mich größere Belastungen über einen langen Zeitraum ertragen lässt. Die Hitze erinnert mich tatsächlich daran wie es ist, mit einem schweren Rucksack zu laufen, der enorm aufs Tempo drückt. In diesem Gefühl geht es weiter. Ich denke: so klappt das gut! Warum habe ich nicht für den vollen Marathon gemeldet? Das kann ich jetzt noch länger durchhalten. Die nächsten Kilometer sind ok, ich trabe, überhole mehr Läufer, als mich überholen (gut für’s Selbstwertgefühl) und schnaufe weniger als diese. Die Bebauung wird spärlicher je mehr sich das Feld dem Sportpark nähert. An der letzten Ecke steht eine Steelband, deren Rhythmen so langsam sind, dass ich denke: Na, das könnte auch etwas demotivierend wirken!, aber nun ist es ja nur noch ein kurzes Stück und ich werde langsam schneller. Endspurt muss sein! Wir laufen durch den Tunnel ins Stadion des MSV Duisburg ein und ich drehe auf. Falls jemand vom Verein da ist, sollen die sehen, dass ich alles gebe! (hinterher stellt sich raus, dass wieder kein Schwein geguckt hat), noch 200m, noch 100m und dann: das Ziel! Ich überhole noch eine Läuferin und falle quasi in meine Medaille. Ende, aus, gut! Ja, der Halbe reicht für heute 😉

Suchend blicke ich mich um, scanne den Rasen, auf dem Läuferinnen und Läufer sitzen und in Gruppen beieinander stehen ab, suche ein vertrautes Gesicht, das blaue Hemd von Marathon Mülheim. Nix. War ich sooo langsam? War ich nicht, 2h10min ist zwar meine zweitlangsamste HM Zeit  nach dem Berg- und Hügelhalbmarathon in der Eifel am 1. Mai, aber bei dem Wetter bin ich absolut im Frieden damit. Eben wird aus dem Sani Zelt jemand Richtung Krankenwagen geschoben und mir ist klar, dass das hier wohl für ein paar Leute etwas über Limit war. Ich verlasse den Innenraum, hole mir draußen mein alkoholfreies Bier  und mein Finisher-Shirt und sammle meinen Beutel an der Kleideraufbewahrung ein. Dann beschließe ich, doch noch mal auf dem Rasen nach Vereinskolleginnen und –kollegen zu gucken. Sofort stolpere ich über Peter, der schwört, die GANZE Zeit am Ziel gestanden und trotzdem meinen Zieleinlauf, den triumphalen, verpasst zu haben (ich war zu schnell, ganz klar). Kathrin trudelt ein, Mark, die Marathonstaffel. Alle sind platt, fertig und mit ihrer Leistung zufrieden. Wir machen Fotos und erleben, wie einige Fallschirmspringer erst langsam über dem Stadion einschweben um dann spektakulär auf dem Rasen zu landen. Sie sehen ein wenig aus wie Stormtrooper in ihren weißen Anzügen. Sie tauchen über der Tribüne auf und landen punktgenau mitten im Stadion. Eine irre Dynamik – so nah habe ich das noch nie gesehen!

Wir suchen unsere Sachen zusammen und verlassen das Stadion. Peter holt sich am Ehrenzelt noch den Pokal für den Gewinn seiner AK ab, dann sitzen wir noch einen Moment zusammen in der Sonne. Schließlich klettern wir vier Radfahrer auf die Räder und fahren los. Was mir jetzt wehtut, ist der Hintern! Nicht die Beine…….ich bin halt ewig nicht Rad gefahren. Das letzte Stück nehme ich über das neue Stück des RS 1, des Radschnellwegs. Als ich im Ruhrquartier den Aufzug nutzen möchte um mit dem Fahrrad runterzukommen auf Straßenniveau ist dieser – mal wieder – defekt. Also schleppe ich mein Fahrrad die Treppe runter. Wer HM einen schafft, kann auch  sein Fahrrad tragen, denke ich mir. Als ich aber höre, wie die Leute hinter mir sich abmühen, beschließe ich, doch mal eine Mail an die Stadt zu schreiben.

Dann lege ich mich in die Eiswanne.

Dörte, 04.06.2019