Wilde Hunde, wilde Mirabellen, wildes Camping – Mikroabenteuer vor der Haustür!

Oder, in Zahlen: 2 Frauen, 72 Stunden, 108 Kilometer und 66-Seen

Vorgeschichte

Als ich 2016 überlegte, mit Rafael Fuchsgruber und seinem Little Desert Runner’s Club nach Namibia auf meinen ersten Ultra zu gehen bat ich ihn, mir Kontakt zu einer Frau zu verschaffen, mit der ich mich austauschen könnte, um einzuschätzen, ob das was für mich ist (vor allem, ob ich das schaffe, ohne zu krepieren). So trat Magda in mein Leben und schon nach dem ersten gemeinsamen Abendessen wussten wir, dass wir uns regelmäßig sehen wollen. Und genau das machen wir seither auch wenn ich in Berlin bin.

2020 wollte sie im September einen 1.000 km Lauf machen (ja, so etwas gibt es – beides, so einen langen Lauf und Menschen, die so etwas machen) und dieser wurde gecancelt. Ich dagegen hatte monatelang mit einem total bescheuerten Epstein-Barr Virus zu kämpfen und war deswegen nicht traurig, dass keine Rennen stattfanden – ich konnte meinen Kadaver maximal einige Kilometer durch die Gegend schleppen. Als sie mich anrief, um mir zu sagen, dass ihr Rennen verschoben sei und sie sich jetzt betrinken würde, schlug ich ihr vor: ‚Lass uns 2021 einfach unser eigenes Ding machen – warum brauchen wir einen Veranstalter, der uns Fähnchen an den Weg stellt? Wir können doch selber irgendwo rumrennen und uns einfach nur freuen, weil der Wald so schön ist.‘ Am nächsten Tag schrieb sie mir: ‚Also gestern, als ich betrunken war, fand ich deine Idee schon gut, aber heute, wo ich nüchtern bin, gefällt sie mir noch viel besser!‘

Damit war das Ding klar: wir würden 2021 selbstorganisiert was machen!

Der 66-Seen-Weg

Tag 1, Freitag, 30. Juli 2021

Der 66-Seen-Weg ist ein 444km langer Rundweg um Berlin. Er startet in Potsdam, aber wir finden es langweilig, die erste Etappe durch die Stadt zu laufen und entschließen uns, mit dem RE nach Wustermark zu fahren und dort in die 2. Etappe einzusteigen. Magda hatte am Vorabend noch Ärger mit einem Mofafahrer der bis spät dauerte und bittet, dass wir noch nicht superfrüh starten. Wir treffen uns kurz vor 11:00 Uhr am Berliner Hauptbahnhof und nehmen die Bahn nach Wustermark. Im Rucksack habe ich ein Tarp, eine Bodenplane, Isomatte, Schlafsack, Regenjacke und Wechselklamotten, 2 Moskitonetze, die ich noch besorgt habe und ein wenig Lebensmittel.
Gesamtgewicht etwas über 5 kg.

Um 12:00 Uhr starten wir bei bestem Sommerwetter. 66 Seen, wir kommen – let’s go!
Zunächst geht es immer am Havelkanal entlang, die Landschaft ist offen, wir müssen gelegentlich eine Autobahn unterqueren oder eine Landstraße kreuzen, dann wird es hektisch und laut. Zwischendurch genießen wir die Wärme der Sonne und die Stille am Wasser und treffen so gut wie niemanden. Außer, nun ja, einmal, direkt nachdem wir bei Zeestow wieder in den Weg einsteigen und urplötzlich drei Frauen und fünf Hunden gegenüberstehen, die uns ankläffen und uns anspringen – also zunächst nur die Hunde……

Wir bleiben sofort stehen und erwarten, dass die Tiere zurückgerufen werden, aber nichts dergleichen passiert. Als Magda ihre Stöcke schützend vor sich stellt um sich gegen die Attacke einer sie aggressiv ankläffenden und anspringenden Handtasche abzuschirmen, rastet die Besitzerin aus. Unsere mehrfach ausgesprochenen Bitten, die Tiere zurückzunehmen werden mit Drohungen und hysterischem Gekreische beantwortet. Wir sind ratlos. Wie geht man mit solchen Menschen und den Verlängerungen ihrer sozialen Inkompetenz um? Mein Freund Andreas Meyhöfer würde zwar sagen ‚Keine Gewalt ist manchmal auch keine Lösung‘, aber wir reißen uns am Riemen und ziehen weiter, ohne die gesamte Bagage im Kanal ein mütchenkühlendes Bad nehmen zu lassen. Dieses Erlebnis bleibt glücklicherweise unsere einzige blöde Erfahrung auf dem gesamten Trip. Alle anderen Menschen, die wir treffen erweisen sich als freundlich und hilfsbereit.

Kurz darauf finden wir die ersten von vielen weiteren wild wachsenden Mirabellen am Wegesrand und schlagen uns die Bäuche voll. Das Leben ist gut!

Wir erreichen Brieselang, was nachmittäglich-verschlafen in der Sonne liegt und ziehen weiter nach Schönwalde. Auf diesem Stück haben wir teilweise das Gefühl, dass der 66-Seen-Weg lange nicht mehr begangen wurde. Das Gras steht hoch, Ranken schneiden in die Beine, wir sehen niemanden, scheuchen eine Schar Rebhühner auf und laufen kilometerlang am Havelkanal lang ohne Zeichen von Menschen zu sehen.

Gegen 17 Uhr sind wir in Schönwalde und beschließen, am Schlossgut Schönwalde Pause zu machen. Eine ausgezeichnete Idee! Der Grillkäse mit hausgemachtem Pesto ist köstlich, das lokale Bier frisch und wir versprechen, wiederzukommen.
Der nächste Abschnitt führt uns durch Wald und Feuchtgebiete. Die Mücken stürzen sich auf uns und wir wälzen uns in Autan, um sie davon abzuhalten, uns aufzufressen.

Da wir beide einen therapeutischen Hintergrund haben (Magda ist Fachärztin für Psychotherapie) unterhalten wir uns über medizinische Fragen (jaja, auch das Scheiß C-Thema) und obwohl wir aufgrund unserer Geschichte und Erfahrung z.T. unterschiedliche Einschätzungen haben können wir unsere Gedanken austauschen, hören der anderen zu und nehmen uns ernst. Was für eine angenehme Erfahrung!

Gegen 19 Uhr erreichen wir das Zentrum von Hennigsdorf, holen uns schnell im Drogeriemarkt neue Getränke und beschließen, ruhig noch ein Stück zu laufen. Es ist hell, wir haben noch Power. Hinter Hennigsdorf verläuft der Weg auf einem Radweg parallel zur stark befahrenen Landstraße und uns nervt der Autoverkehr.
Da wir schlecht einen spontanen Beitrag zur Verkehrsberuhigung leisten können schwenken wir auf einen Weg parallel zum Seeufer ein, das ist zwar länger, aber schöner zu laufen. Außerdem erkennt Magda, dass sie hier bereits mal unterwegs war und sich auskennt. Es kommen nur einige Radfahrer vorbei und wir lassen den Straßenlärm hinter uns. Und laufen. Und laufen. Langsam sinkt die Sonne und die Frage kommt auf: Wo campen? Rechts der Straße gibt es nach wenigen Metern einen Zaun, der den Zutritt zur Stolper Heide versperrt, auf dem schmalen Stück dazwischen können wir schlecht sichtgeschützt unser Tarp aufspannen. Links, Richtung See, ist der Boden sofort voller Unterholz, es wimmelt von Mücken und der Untergrund ist schlicht ungeeignet. Also weiter. Wir umrunden das Wasserwerk. Laut. Weiter. Irgendwo muss es doch mal besser werden!
Es ist inzwischen gegen 21 Uhr und im Grunde müssten wir jetzt Lager machen. Als wir uns der A111 nähern und die Autos und LKW mit Karacho über unsere Köpfe hinwegdonnern hat Magda eine Idee: ‚Lass uns an der Marina in Hennigsdorf fragen, ob wir da auf der Wiese übernachten können, ich war schonmal mit dem Boot da und die Leute sind nett.‘ – Fein! Wir sind jetzt müde und beide wortkarg, das Tempo ist nicht mehr ganz so hoch wie zu Beginn der Etappe. Dunkel ist es inzwischen auch. Glücklicherweise findet sich Magda sofort zurecht und wir sind um 22 Uhr an der Marina. Der Hafenmeister ist schon im Bett, aber eine freundliche Frau erlaubt uns, auf der Wiese zu campen.

Wir bauen im Dunkeln das Tarp auf, hängen die Moskitonetze ein, nutzen das WC der Gaststätte und legen uns dreckig, verschwitzt und total mit uns und der Welt zufrieden in die Schlafsäcke. 38 km haben wir runtergerissen. Was für ein Tag!

Tag 2, Sonnabend, 31. Juli 2021

Ich erwache und mein Blick fällt durch die offene Rückseite des Tarps auf ein Tier, welches zum Wasser rennt, ein Tier, welches sich mit fließender Eleganz bewegt, ein Tier, welches ich in Deutschland noch nie in der freien Natur gesehen habe: ein Otter. Whow! Ich bin geflasht und sofort hellwach. Eine Inspektion der Duschräume ergibt, dass ich einen Token bräuchte, um an eine heiße Dusche zu kommen und finden niemanden, der mir zwei solcher Dinger verkaufen würde. Aber wir sind am Wasser, es muss doch hier irgendwo eine Möglichkeit geben, mal einen kurzen Dip zu nehmen? Und klar, ganz am Ende des Geländes gibt es einen Einstieg in den Kanal. Ich schmeiße die Klamotten ab, tauche meinen Körper ins Wasser – ah! Ist das gut! – komme raus, rubble mich ab und bin im Nu wieder sozialkompatibel und dezent gekleidet. Als Magda auf meine Empfehlung kurz darauf auch ein Bad nimmt, kommt ein Anglerboot vorbei. Die Leute winken, was soll sie machen? – Winkt sie halt zurück 😉

Es gibt einen Picknickplatz mit einem riesigen Tisch und Bänken, alles unseres jetzt! Magda nimmt ihren Jetboil -Kocher in Betrieb, ein saugutes Teil, wir teilen uns ein Traveller Müsli und meine wunderbaren Bio-Espressosticks, bauen unser Camp ab und sind um 10:00 Uhr wieder unterwegs.

Birkenwerder ist das nächste Ziel. Wir durchqueren es zügig und nicht ganz auf der vorgesehen Route. Die Beschilderung des Weges ist nicht durchgehend, bzw. nicht durchgehend gut. Immer wieder bitten wir den Himmel ‚Schick uns ein Zeichen Gottes!‘, denn wir sind auf der Suche – auf der Suche nach dem blauen Kreis im weißen Quadrat.

Magda hat ihr Smartphone mit der Navi App, ich den Wanderführer griffbereit, zur Not fragen wir nochmal nach und haben einige entspannte Pläusche. Die Briese und das Briesetal kennzeichnen die ersten Kilometer. Der Fluss fließt träge und langsam und bildet immer wieder Weiher stehenden Wassers, die mit toten Bäumen durchzogen sind und deren Oberfläche grün ist von Schlick und Wasserlinsen. Es erinnert mich an die Sümpfe aus dem Herrn der Ringe und fast erwarte ich, aus den Tümpeln ein gehauchtes ‚Mein Schaaatz‘ zu hören. Sehr speziell und nicht erwartet, die Gegend ist wahrhaftig abwechslungsreich.
Nach dem sumpfigen Briesetal durchlaufen wir in kurzer Folge luftige Kiefernwälder oder kühle Buchenhaine, absolut traumhaft. Da Wochenende ist sind wir nun nicht mehr komplett allein auf den Wegen, aber der Andrang hält sich absolut in Grenzen, was mich wundert angesichts der Nähe zu Berlin. Leider haben alle im Wanderführer aufgelisteten Restaurants entweder zu oder existieren nicht mehr und wir werden hungrig. Mitten im Wald erhalten wir die Empfehlung, in Wensickendorf am Bahnhof einzukehren und sind motiviert, die letzten Kilometer bis dahin flott zu absolvieren (‚In Ihrem Tempo sindse in zwanzich Minuten da‘). Der letzte freie Tisch auf der Terrasse wird unserer, Magda ordert Blutwurst, ich nehme das andere Extrem, Gemüsebratling, wir zischen uns jede ein kühles Getränk rein, soweit alles fein. Windig war es schon den ganzen Tag, in einiger Entfernung hören wir Donnergrollen. Nass werden ist ja okay, aber trocken werden danach wäre schön.
Wir diskutieren kurz, was wir machen, dann zückt Magda ihr Telefon und ordert im Lounge Hotel Seeterrassen am Wandlitz See ein Zimmer für uns – die nehmen uns auch ohne tagesaktuellen Test und sind sehr entspannt. Wir verkünden, dass wir in 1 bis 2 Stunden da sein werden und starten auf den nächsten Abschnitt. Kaum im Wald treffen wir zwei Leute, die jeder ein Pony führen. Tadellos gepflegte Tiere, die Mähnen in Zöpfen geflochten, die Schweife eifrig im 4 Takt des Schrittes wippend, wir grüßen kurz und sind mal wieder erstaunt, wer und was hier unterwegs ist. Der Wind bleibt mit uns, das Wetter zieht weiter und wir erreichen den Wandlitzer See. Ich würde jetzt gerne schreiben ‚Wir gingen am Ufer entlang‘ aber das geht nicht. Also das Am-Ufer-lang-Laufen, da stehen überall private Häuser und man kommt nicht ran an den See. Von meiner Mutter, die ihre Kindheit und Jugend hier verbrachte wusste ich, dass das auch früher schon so war.

Vor lauter Begeisterung laufen wir zunächst zu weit (warum hat das Hotel auch kein Schild unten am Uferweg?), bemerken das aber schnell und checken um 16 Uhr ein. Heute nur 28km gemacht, aber der Luxus einer Dusche und die Möglichkeit, die Klamotten mal durchzuziehen sind wunderbar.

Abends genießen wir ein vorzügliches Essen im Restaurant, ich föhne noch eine Runde die Klamotten damit die morgen früh trocken sind, dann heißt es ab in die Heia!

3.Tag, Sonntag, 01. August 2021

Nach der Dusche steigen wir in trockene und saubere Kleidung und fühlen uns wie Diven damit. Das Frühstücksbuffet ist großartig, wir hauen ordentlich rein und um 09:30 stehen wir vor dem Hotelportal. Weiter geht’s!

Wir laufen nördlich einer Seenkette immer am Ufer entlang; Wandlitz See, Heilige Drei Pfühle, Regenbogensee, Liepnitzsee (mit dem wunderbar türkisfarbenen Wasser), Seechen bis nach Ützdorf und dann weiter am Obersee und Hellsee lang. Hier ist nun wirklich mal Sonntags-Fußgänger-Verkehr, aber der Weg ist klar, wir müssen nicht navigieren, das Zeichen Gottes ist mit uns und wir machen ordentlich Strecke. In Lanke steht das Haus von Joseph Goebbels, dem ehemaligen Reichspropaganda Minister und ich erinnere mich, dass meine Mutter erzählte, dessen Kinder seien früher mit einer Ponykutsche durch die Gegend gefahren worden und sie und ihre Freunde seien alle neidisch gewesen. Na, der Neid hielt nicht lange.

Wir lassen die düstere Geschichte hinter uns und wenden uns lieber dem Lenné Park zu, dann geht es das Hellmühler Fließ entlang, eine wunderbare Buchenschlucht wie von Caspar David Friedrich gemalt, wo der Pfad ganz schmal wird und wir über umgestürzte Bäume klettern müssen. Als nächsten Ort erreichen wir Biesenthal. Dort hat die Taverna Mykonos geöffnet und schöne Plätze auf der Terrasse frei. Da man auf diesem Weg die Gasthäuser nehmen muss, wie sie kommen (haben wir überhaupt schon einen Supermarkt gesehen auf diesem Trip?) und die Zeit passt, machen wir Rast. Einen Choriatiki und eine Berliner Weisse (rot, nur rot, grün geht gar nicht!) später machen wir noch schnell die Wasserflaschen voll und sind wieder on the road.

Durch Biesenthal durch, am Bahnhof links, schon sind wir wieder in der Natur. Jetzt durchqueren wir den Naturpark Barnim mit lockerem Baumbestand in einem lichten Wald, der nächste Ort ist Melchow. Sonntägliche Stille liegt über dem Dorf, ein paar Leute halten einen Schwatz auf der Straße, am Feuerwehrteich (na ja, eigentlich ein Minitümpel, hoffentlich brennt es nicht) und der Dorfkirche halten wir kurz und ich bitte in einem Haus, meine Wasserflasche aufzufüllen. Dann geht es weiter.

Es ist warm, eine wunderbare Sonne scheint auf uns, wir kommen durch Schönholz, werfen einen Blick in die Bernauer Heerstraße, die Napoleon nutze auf seinem Weg nach Russland, als er noch optimistisch war, queren das Nonnenfließ, laut Beschilderung ‚eines der schönsten naturnahen Fließgewässer Brandenburgs‘ – wir finden, eine nette Umschreibung für ‚Mückenüberfall bis der Arzt kommt‘ und sind am frühen Abend in Trampe.

Nun benötigt Magda Wasser und wir fragen eine Familie, die gerade aus dem Auto steigt. ‚Wollt ihr heute noch nach Hause?‘ – ‚Nö, wir schlafen draußen‘ ‚Es gibt Wölfe in Brandenburg‘ (hat ja schon Reinald Grebe besungen, fällt mir dazu ein), da winkt Magda ab ’Die fürchten wir nicht‘. Wir bekommen einen wunderbaren Tipp von der freundlichen Frau ‚Geht nach Gerstdorf und zum Gamensee, am südlichen Ufer gibt es eine Wiese, da könnt ihr zelten. Nehmt die Landstraße, das ist schneller‘. Genau diesen See hatten wir auch im Blick gehabt und da die Landstraße parallel zum 66 Seen-Weg verläuft, sind wir nicht zu weit ab.

Drei Kilometer Landstraße und eine Ortsquerung Gerstdorfs später biegen wir den schmalen Pfad zur Wiese am Wasser ab. Wir treffen auf einen Typen mit Fahrrad und Packtaschen und ich quatsche ihn sofort an: ‚Na, du willst wohl auch hier übernachten?‘ ‚Wat denn, ihr och? Ihr habt doch janüscht dabei!‘ ‚Ha!, entgegnet Magda nur ‚Wir haben alles dabei!‘

Der nächste Morgen beginnt traumhaft.

Tag, Montag, 02.08.2021

Die Sonne scheint als ich erwache und ich gehe als erstes eine Runde schwimmen. Das Wasser ist warm, weich und fühlt sich himmlisch an. Rainer ist auch schon wach und als wir unser Frühstück bereiten erzählt er, dass er wegen Knieproblemen zurzeit nicht arbeitet, im Januar eine Umschulung macht und der Arzt ihm gesagt habe, Rad fahren sei gut, also würde er jetzt Brandenburg und Sachsen per Rad erkunden. Er ist beeindruckt von unserem ultraleichten Wandern und als Magda noch ein wenig von ihren Läufen erzählt (Yukon, finnische Tundra, Temperaturen bis -40°C) umso mehr. Dagegen kann ich mit meinen 250 Kilometer-Läufchen einpacken 😊

Er macht sich auf den Weg, während wir noch das feuchte Tarp trocknen und wir verabschieden uns herzlich. So schnell wie wir es am Vorabend aufgebaut haben, haben wir unser Camp wieder in den Rucksäcken verstaut. Heute gibt es eine kurze Etappe. Wir gehen davon aus, dass es nur noch 10, maximal 15 Kilometer bis Falkenberg sind, dort wollen wir den RE nehmen. Doch als wir auf den Weg treten sehen wir das Zeichen Gottes – ein blauer Punkt in einem weißen Quadrat empfängt uns. Ach so ist das, denken wir, da wo wir sind, ist der 66-Seen-Weg. Alles klar. Es geht nach Norden, immer am Ufer des Sees entlang. Hier reicht der Wald bis ans Wasser und campen wäre schwierig geworden. Wir sehen, was für ein Glück der letzte Rastplatz war. Als wir am Nordufer auf den ‚echten‘ 66-Seen-Weg treffen sind wir enttäuscht. Das Schild sagt Falkenberg 6,4km. Mönsch, so schnell schon?! Die Beine wären für viel mehr gut! Als wir den Weg durch den lichtdurchfluteten Wald nehmen hören wir hinter uns ein Fahrrad. Rainer, der uns grinsend und winkend überholt.

Der nächste Ort ist Cöthen. Der Schlosspark ist ein Naturpark und drinnen wächst alles genauso wild wie draußen. In der Beschreibung heißt es, man hätte vom Restaurant Carlsburg im Park einen Blick bis ins Oderbruch. Das reizt uns, aber es ist zu früh. Das Restaurant öffnet erst um 12 und wir ahnen nur, welchen wunderbaren Weitblick man von der Terrasse hätte. Immerhin öffnet ein freundlicher Koch auf mein Klopfen und füllt mir nochmal Wasser auf. Er bedauert, dass vom Service noch niemand da sei und er uns keinen Kaffee bieten kann. Am Fuße des Parks sind wir schon in Falkenberg und damit am Ende unserer Tour. Um kurz vor 11:00 betreten wir das einzige Gleis. Der nächste Zug nach Eberswalde geht in einer halben Stunde. Zeit, die Rucksäcke abzusetzen, ein letztes Foto von uns vor dem (sehr übersichtlichen) Fahrplan zu machen. Dann kommt der RE, Maske auf, wir steigen ein. Umstieg in Eberswalde und in Gesundbrunnen dann der Abschied. Ich treffe morgen Uwe bei Hamburg um mit ihm nach Schweden zu fahren und habe einen Termin zum Test, Magda fährt weiter zur Friedrichstraße.

Heutige Etappe 8km, insgesamt sind wir 108 Kilometer in 71 Stunden gelaufen. Es war großartig!

Ausblick: Wir werden den 66-Seen-Weg weiterlaufen. Etappenweise, wann immer wir Zeit finden. Ich freue mich schon!

 Dörte, 11.08.2021