Stage one: The Rocks

Stage one: The Rocks

Das warm-up mit der Wüste
16.11.19
Distanz: 20 km
Start 08:30

Am nächsten Morgen klettern wir wieder in die SUVs und fahren 20 Minuten bis zum Startpunkt. Da am 18. November Feiertag ist und drei Tage durchgefeiert wird gibt es ein offizielles Programm. Es gibt eine erfreulich kurze Zeremonie mit Fahnen schwenken, Kamelen und Pferden, dann geht es endlich an den Start! Um 8.30 Uhr fällt der Startschuss und alle rennen los, sofort erstmal einen Anstieg hoch. Die heutige Etappe ist mit 20 km die kürzeste, sozusagen das warm-up. Sie führt über einen breiten Track, eine unbefestigte Straße, auf der die einheimischen Zuschauer noch kilometerlang neben uns her fahren, alle anfeuern und begeistert zuwinken. Denn außer uns Langstrecklern starten auch noch etliche lokale Teilnehmer eines Halbmarathons und einige Kinder im 3km kids run und ich finde, es ist mächtig was los in der Wüste.

Wie erwartet ist es heiß, aber erträglich, der Rucksack und der Sand erlauben nicht gerade den flüssigsten Laufstil, aber es geht voran. Rechts und links türmen sich Dünen und es geht, und so wird es über die ganze Woche bleiben, eigentlich immer irgendwie hoch oder runter. Irgendwo steht ein Kamel rum, ansonsten Sand bis zum Horizont, unter, neben mir, nur der Himmel strahlt blau über allem und die Sonne zeigt, was sie so drauf hat strahlungstechnisch.  Als vor mir vier junge Männer nebeneinander gehen – ganz offensichtlich Teilnehmer des Halbmarathons – überhole ich sie nach der Ansage ‚Gentlemen, I am going to overtake you!‘. Als ich locker an ihnen vorbeitrabe und sie sehen, dass ich deutlich älter und auch noch mit einem Rucksack bepackt bin, fangen sie spontan wieder an zu rennen, aber es nützt nichts; flugs bin ich vorbei und lasse sie hinter mir. Gute Vorbereitung ist halt alles!

Ich laufe ein Stück mit Hayam aus Ägypten bevor ich auch sie zurücklasse und nach knapp vier Stunden  ist die Finish Line erreicht. Erste Etappe: check! Mit Autos werden wir ein kurzes Stück in die Dünen gefahren zu Camp 1, wo uns, Höhepunkt des Luxus‘, eine Dusche erwartet. Die ganze Woche über werden wir einen Tanklaster voller Wasser dabei haben und damit die Möglichkeit, uns ein wenig frisch zu machen.

Wir schlafen in traditionellen Zelten aus Wolle, die geräumig sind und in denen man stehen kann. Der Boden ist mit Teppichboden ausgelegt und das wird auch bei jedem Camp so bleiben, so dass wir das ganze Rennen über, wo wir uns irgendwann wie in Sand, Schweiß und Staub mariniert fühlen werden, zumindest Sand arm logieren können.

Ein Umstand, den man bei fortschreitenden Schwächen in der persönlichen Hygiene durchaus zu schätzen weiß. Heute ist es warm, so bleibt die Zeltfront komplett offen. Sune ist mit mir zusammen in Zelt 2  untergebracht, wir richten uns ein, Essen einen Happen, quatschen ein wenig und ruhen uns aus, ich döse rum, Rob guckt vorbei, und da ich – als Höhepunkt von Dekadenz und Luxus – ein paar Espresso Sticks dabei habe, verkünde ich: ‚I am going to open the German Café!‘ und lade Rob und Sune zum Instant Espresso ein. Was für ein Genuss!

Rob findet, er gehört in unser Zelt und zieht zu uns um. Es stellt sich raus, dass Sune sein T-Shirt mit ‚Club 100‘ (für 100 absolvierte Marathons) nicht umsonst trägt. Er ist bisher 150 Marathons gelaufen (im Schnitt läuft er jedes zweites Wochenende einen) und hat sich das Hemd redlich verdient. Wir quatschen noch ein wenig übers laufen und beschließen, unser Zelt ‚Tent Hygge House‘ zu nennen.

Die Italiener, die zuvor da waren, sind zu ihren Landsleuten gezogen und das französische Paar, welches immer für sich ist, logiert in der anderen Zelt Ecke. Wir haben massig Platz. All diese Reorganisation findet organisch statt, dem Veranstalter ist alles recht, man ist da sehr entspannt. Emmanuelle schaut vorbei, sie ist mit Kevin, Fran und Hayam untergebracht und fühlt sich gut. Am Abend essen wir unser gefriergetrocknetes Trekkingfood (maximale Kalorien bei minimalem Gewicht), ich verkünde: ‚Only 145 km to go!‘, was allgemein als enorm motivierend aufgefasst wird (Ja dann! Sind wir ja schon fast da!) und nachdem es dunkel wird liegen alle im Nu in ihren Schlafsäcken. Mein Körper fühlt sich gut an auf der aufblasbaren Matte für 20.- von Amazon und obwohl es windig ist liege ich kuschelig in meinem Yeti Schlafsack, alles ist fein.

Die Matte hatte ich kurz vor der Abreise spontan geordert. Ich wollte mal eine bequemere Variante ausprobieren als die faltbare Matte von Globetrotter, die ich sonst immer hatte (die hatte ich in der Gobi, einem Rat von Rafael Fuchsgruber folgend, verkürzt um Gewicht zu sparen. Das Resultat war, dass ich natürlich an den Füßen gefroren und das Ding direkt in Ulan Bataar gelassen habe). Aber 120,- bis 160,- für eine Matte von Sea-to-Summit fand ich doch ein wenig übertrieben und dachte mir, ich probiere mal eine einfache Lösung. Bingo! Als Sune sich neben mir auf seiner teuren Isomatte umdreht klingt das wie ein heraufziehendes Naturereignis, es ist extrem laut. Ha! Denke ich, meine Matte hat nur einen Bruchteil gekostet und macht nur ein Drittel so viel Lärm!