Solange man friert, lebt man noch!

Dörte

Alles Irdische ist vergänglich

Buddha

Für mich am liebsten Dhal Bhaat

Uwe

Seit wir uns im Dezember 1989 in Kathmandu kennenlernten und danach gemeinsam durch Indien und Nepal reisten haben wir das Land immer wieder mal besucht und die Umbrüche, Fortschritte und Veränderungen über 30 Jahre mitbekommen.

Da wir zudem seit einigen Jahren die gemeinnützige Sherpa Schule in Bamti Bhandar unterstützen kam die Idee auf, dort einfach mal vorbei zu schauen und uns ein eigenes Bild zu machen.

Und so sitzen wir am Abend des 20. Dezember 2018 im Flieger und kommen nach einem Zwischenstopp in Abu Dhabi am 21.12. in Kathmandu an – genau am Jahrestag unseres Kennenlernens. Dass die Luftverschmutzung in der Innenstadt enorm ist haben wir mitbekommen und im Vorfeld 10 km außerhalb in Bouddha bzw. Bodnath ein Zimmer im Rokpa Guesthouse gebucht. Auch das Rokpa ist ein gemeinnütziges Projekt, welches Straßenkindern oder allgemein Kindern aus sozial benachteiligten Familien ein Zuhause sowie die Möglichkeit einer Schulausbildung bietet. Die von uns gebuchte Zimmerkategorie ist nicht verfügbar und so erhalten wir den Schlüssel zur Stupa Suite im Dachgeschoß, eine 2-Zimmerwohnung mit Küche und Bad, locker 90qm groß, mit Terrasse und Blick auf den Stupa in 100m Entfernung. Wir richten uns ein, besuchen noch schnell den heiligen Ort,  der seit 1979 auch Weltkulturerbe ist und genießen im Shechen Kloster um die Ecke ein vegetarisches Abendessen. Uwe ist glücklich, es gibt das nepalische Standardgericht für alle Lebenslagen ‚Dhal Bhaat‘, welches ganz schnöde nach seinen beiden Hauptzutaten Linsen und Reis benannt ist. Dazu kommt noch Saag, der heimische Spinat und ein weiteres Gemüsecurry.

Der Stupa in Bouddha ist uralt (ca. aus dem 5. Jhdt.) und eine wichtige Pilgerstätte vor allem der tibetischen Buddhisten. Die Zone unmittelbar um ihn herum ist nur Fußgängern zugänglich, der fast kreisrunde Platz ist von kleinen Läden und Restaurants gesäumt und obwohl viele Menschen dort sind und die Pilger immerzu im Uhrzeigersinn um den Stupa herumlaufen ist die Atmosphäre ruhig, friedlich und freudvoll und hat sich über 29 Jahre nicht verändert. Der weiße Unterbau ist frisch gestrichen, neue Gebetsfahnen hängen an den Seiten und leuchten von weitem. Zwischen den stetig laufenden, betenden und kreisenden Menschen liegen Straßenhunde träge in der Sonne und schlafen.

Sobald wir an einer Straße sind werden der Staub und die Luftverschmutzung spürbar und wir besorgen uns einfache Atemmasken, die zumindest vor dem allgegenwärtigen Feinstaub schützen sollen. Die Straßen sind teilweise nicht befestigt, die Regenzeit seit Wochen vorbei und alles, was nicht geschützt ist, trägt mindestens einen fein gepuderten Staubüberzug. Die Blätter der Bäume und Sträucher sind komplett bedeckt und ich frage mich, wie hier Photosynthese stattfinden kann. Unseren Plan, die 10 km bis zur Innenstadt zu Fuß zu gehen geben wir auf halbem Weg auf und nehmen einen Linienbus.

Ich erkenne die Stadt kaum wieder. Gab es früher nur alte Häuser in der traditionellen Ziegelbauweise mit verzierten Holztüren und Fensterläden, mit niedrigen Etagen, die uns Europäer zum Bücken zwingen und maximal zwei Stockwerken über dem Erdgeschoß, so hat die ‚asiatische Standardarchitektur‘ jetzt auch Kathmandu erreicht. Gebaut wird mit einem Betongerüst, welches im günstigsten Fall mit gemauerten Ziegelsteinwänden aufgefüllt wird. In den Untergeschossen gibt es nach vorne offene, mit einem Rollgitter versehene Läden, darüber 3 bis 4 Stockwerke. Die Bauten sind zweckmäßig, komplett charmefrei und da für Stadtplanung bei dem schnellen Wachstum keine Zeit bleibt auch relativ ungeordnet errichtet. Die Bevölkerung ist von ca. 19 Mio. 1990 auf rund 29 Mio. 2018 angewachsen, Landflucht spielt eine große Rolle und Kathmandu ist inzwischen auch offiziell eine Millionenstadt. Und irgendwo müssen die Menschen leben. Zudem hat das schwere Erdbeben 2015 bis heute sichtbare Spuren hinterlassen und die Notwendigkeit, neue Bauten zu errichten noch verstärkt.

Wie überall an den Weltkulturerbestätten im Kathmandu-Tal müssen wir nun auch vor Betreten des Durbar Square Eintritt bezahlen. Früher kannten wir den Platz als Teil des gesellschaftlichen und sozialen Lebens. Kaum jemand hatte ein TV oder andere mediale Ablenkung und so ging man jeden Nachmittag auf den Durbar Square, saß auf den Stufen einer der Tempel und Pagoden, guckte Leute, schrieb in Unterlagen rum und war Teil des Augenblicks. Heute ist der Platz abgekoppelt vom Alltagsleben der Stadt, er ist ruhiger, aber auch musealer.

Als ich ihn betrete ist mir zum Heulen zumute. Die Spuren des Erdbebens von 2015 sind deutlich sichtbar, viele Tempel ganz oder teilweise zerstört und ich kämpfe sehr mit dem Gedanken, wie es früher hier war und ob eine Restauration möglich ist. Doch dann sehe ich, was schon wieder alles steht bzw. woran intensiv gearbeitet wird und das ermutigt mich. China und Japan leisten Unterstützung beim Wiederaufbau und speziell die Chinesen schmeißen sich voll in diese Aufgabe.

Es beeindruckt mich zu sehen, was bereits geschafft ist und ich bin sicher, dass die Aufgabe gelöst wird. Auf einer bereits instandgesetzten Pagode sitzt ein Querflöten-Militär-Orchester und musiziert, ein herzerweichender Vorgang.

Ich vergaß zu erwähnen, dass es in Nepal im Winter kalt ist. Ja, richtig kalt, vor allem nachts sobald die wärmende Sonne untergegangen ist und da es keine Heizungen gibt muss improvisiert werden, bzw. man muss dicke Jacken tragen, eine Mütze und den ganzen Winter-Ornat.

Da wir es schon hier kalt finden und es in den Bergen noch kälter sein wird kaufen wir uns warme Synthetik Jacken und ich bekomme eine wattierte Überziehhose, in der ich aussehe wie das Michelin-Mädchen, aber egal, das Ding ist leicht und wärmt.

Von der Zugluft im Bus (und evtl. auch unterstützt durch die Luftverschmutzung) hole ich mir eine Halsentzündung und bleibe am 24.12. alleine im Rokpa Guesthouse. Uwe besorgt mir eine 3 Tage Antibiotika-Kur. Ich will zur Fahrt am 26.12. in die Berge fit sein. Zum Weihnachtsessen am Abend (Dhal Bhaat mit Dhal und Bhaat) teilen wir uns ein einheimisches Weihnachtsbier. Lecker!

Im Rokpa kommt uns überraschend Nuri besuchen, der Leiter der Sherpa Schule in Bamti Bandar. Er treibt das Projekt mit viel Liebe voran und ist uns auf Anhieb sympathisch. Wir besprechen mit ihm Details unserer Fahrt nach Bamti und verleben einen äußerst anregenden und angenehmen Vormittag mit ihm. Er organisiert uns für den Morgen des 26.12. ein Auto, einen sog. ‚Jeep‘, der zwar nur 2radantrieb hat, aber eine große Bodenfreiheit. Die Strecke nach Sivalaya beträgt 200km, die Fahrtzeit 9 h, die letzten 3 davon auf einer unbefestigten Straße. Um 17 Uhr erreichen wir den Ort mit ein paar Dutzend Häusern und mieten uns in einer der Bretterbuden-Lodges ein. Das Zimmer ist winzig und kalt. Ich packe meinen wunderbaren Yeti Schlafsack (Tension comfort 800) aus und krabbele hinein. Es ist kuschelig warm. Das Beste an diesem Schlafsack ist: er ist geräumig, breit, hält warm und bietet Platz ohne Ende. Ich kann komplett in ihm verschwinden, mich in allen Richtungen bewegen und überlege, ob ich mir noch eine Sitzecke darin einrichte 😉

Beim Abendessen lernen wir Morgan kennen, einen Franzosen, der das Reisen zu seinem Lebensinhalt gemacht hat, und Dha, unseren Führer, der uns am nächsten Morgen zur Schule begleiten soll.

Bevor wir am 27.12. aufbrechen können müssen wir noch ein Permit besorgen. Da wir auf dem Weg nach Bamti an einer Ecke durch das Gauri-Shankar Natural Reserve müssen, sind wir verpflichtet, für 30 Dollar pro Nase im Büro vor Ort die Genehmigungen zu besorgen. Ich sehe das nicht ein. Schließlich bringen wir zwei Laptop-Spenden aus Deutschland mit und schleppen das Zeug selber über die Berge. Nach ein wenig Diskussion habe ich auch die drei Mitarbeiter vor Ort überzeugt und wir dürfen ohne die Permits weiter. Das gesparte Geld werden wir der Schule spenden. Dha schultert sofort meinen Rucksack und ich sage nicht nein dazu. Ich habe neben meinen Klamotten knapp 2,5 kg Süßigkeiten für die Kinder dabei, Uwe trägt die Laptops. Direkt hinter Sivalaya beginnt der Aufstieg. Stufen, Stufen, Stufen. Keine wie die andere, alle steil und meist hoch, jeder Schritt muss mit Bedacht gesetzt werden. Wir müssen von 1.800 m aufsteigen bis auf 2.600 m, können in Deurali den Kamm überqueren und auf der anderen Seite auf 2.200 m absteigen. Kurz vor Erreichen des höchsten Punktes wird mir übel. Es muss das Antibiotikum sein, welches mir auf den Magen schlägt, denn obwohl es immerzu bergauf geht finde ich die Anstrengung akzeptabel. Zum Glück geht die Übelkeit schnell vorüber und am Mittag treffen wir in Bamti ein.

Es ist noch Unterrichtszeit und alle in den Klassenzimmern, aber wir werden sofort sehr herzlich begrüßt und mit warmen Getränken und Essen versorgt. Die Gebäude (Klassenzimmer, Mädchen- und Jungenhaus, Computerraum, Krankenstation, Küche und Essenssaal sowie Bibliothek und Kindergarten) sind alle um den zentralen Schulhof angelegt und nach dem Erdbeben z.T. neu aufgebaut worden. Nur zwei Gebäude hatten die Katstrophe überstanden und bis zum Beginn des Wiederaufbaus wurde mit Zelten improvisiert. Neben der Dining hall befindet sich die Küche, in der ein gusseiserner, mit Holz betriebener Herd steht, auf dem im Wesentlichen alle Mahlzeiten gekocht werden. Es ist warm hier drin und die Bank neben dem Feuer ab sofort mein Lieblingsplatz. Ich überlege mit Uwe, wann wir zuletzt so eine Art Herd in Betrieb gesehen haben und wir erinnern uns an unsere Kochmaschine in der Wohnung in der Manteuffelstraße in Kreuzberg, wo wir sowas hatten – nur natürlich viel kleiner.

Wir bekommen ein riesiges Gästezimmer und einen ersten Rundgang über das Gelände. Die Schule bietet 300 Schülern Platz, viele davon kommen als Tagesschüler aus den umliegenden Gegenden, aber rund 75 Kinder, Waisen oder Kinder ohne funktionierende Familie,  leben permanent hier. Es werden nur Schüler aus armen Familien aufgenommen, diese werden mit allem Notwendigen versorgt: Kleidung, Essen, Unterkunft, Schulmaterialien. Einige der Menschen die dort arbeiten waren selber mal Schüler und arbeiten nun, als Erwachsene, in der Schule. Überall ist spürbar mit wieviel Liebe und Hingabe alle bei der Sache sind und wie sehr sie die Schule und die Kinder schätzen und sich durchaus bewusst sind, was für eine Vorbildfunktion das Projekt hat. Im Gewächshaus wird Saag zur Selbstversorgung angebaut, es gibt Solaranlagen für die Brauchwassererwärmung und ein kleines Wasserkraftwerk. Beim Abendessen in der Dining Hall geht es strukturiert und ruhig zu. Überhaupt ist der Alltag für die Kinder, die in der Schule leben, stark strukturiert und sie sind – altersangemessen – auch für wechselnde Gemeinschaftsarbeiten verantwortlich.

Beim morgendlichen Appell auf dem Schulhof werden wir als Ehrengäste begrüßt und aufgefordert, etwas zu sagen. Ich überlasse das gerne Uwe und bereite schon mal das Verteilen der mitgebrachten Süßigkeiten vor. 2,5 kg Süßkram klingt viel, aber immerhin stehen hier 300 Kinder! Nach der Versammlung geht es zügig in die Klassen und wir werden eingeladen uns den Unterricht anzusehen und setzen uns in eine Englischstunde, die Bikal, der junge Direktor der Schule gibt.

Am Abend kommt Dha vorbei und wir besprechen die Tour, die wir mit ihm machen wollen. Am 2. Januar haben wir am Vormittag einen Flug von Phaplu nach Kathmandu und wollen über die Berge dorthin trekken. Dha schlägt vor, einen Tag bis nach Gumba zu wandern, dann eine weitere Nacht am Pikey Peak zu verbringen und von dort nach Phaplu zu gehen. Wir haben eine sehr detaillierte Karte, die in den vorgeschlagenen Orten keine Unterkunft anzeigt. Dha lacht nur: in Gumba werden wir privat übernachten und am Pikey Peak Base Camp gibt es inzwischen ein ‚Hotel‘ (dazu später mehr…..). Bikal möchte uns begleiten und dann kommt noch Sangey, ein Schüler, mit, so dass wir zu fünft sein werden.

Am 28.12. brechen wir um viertel nach neun auf. Zunächst geht es 600m bergab bis ins Flusstal und jeden Meter, den wir hier absteigen müssen wir auf der anderen Seite wieder aufsteigen. Menno! Gibt es da keine Abkürzung? Aber es ist angenehm warm, wir kommen durch Wäldchen, queren Terrassenfelder und sehen an einem Felsen die Honigwaben wilder Bienen. Über uns kreisen immer wieder Greifvögel. In der Talsohle finden wir die Hängebrücke, die uns auf die andere Flussseite bringt und beginnen mit dem Aufstieg. Ich glaube, ich erwähnte es bereits, dass die Nepalis gerne Stufen nutzen um Wege zu gestalten? Und am liebsten in unterschiedlicher Tiefe, Höhe und Anordnung? Wir stapfen und klettern stundenlang. Das Gute ist, dass die Landschaft spätestens jede Stunde wechselt. Mal ist es waldig, dann geht es durch Felder und an einzelnen Häusern vorbei. Manchmal kommen uns Einheimische entgegen – immer mit einem Telefon am Ohr. Die Netzabdeckung in Nepal ist phänomenal und besser als in manchen Gegenden Brandenburgs und buchstäblich jeder den wir sehen hat ein Mobiltelefon. Wenn wir laufen haben wir immer wieder Ausblick auf die Berge und Dha erklärt geduldig, was welcher Berg ist.

Leute, die mich kennen wissen: ich steh nicht so auf Berge. Berge sind meiner Meinung nach die am meisten überschätze geologische Formation des Planeten und ich könnte gut ohne sie leben. Im Allgemeinen haben die Berge und ich einen Nichtangriffspakt. Ich tu ihnen nichts und sie tun mir nichts und so können wir gut ignorant nebeneinander her existieren. Hier kann ich sie nicht ignorieren, dazu bin ich zu sehr aus der Puste. Und ja, ich finde das Panorama auch ganz nett. Was mich wirklich frustriert ist, dass ich auch zwei Tage nach dem Start der Lauferei noch sehen kann, wo ich mal war. Das ist doch demotivierend! Ich will loslaufen und wenn ich ankomme, nach einem Marathon oder von mir aus einem halben, dann will ich nicht sehen, wo ich mal los bin, dann will ich weiter sein!!

Gegen halb fünf hat die Treppensteigerei ein Ende. Ganz plötzlich geht dem Berg die Puste aus und nicht uns. Wir übersteigen den Grat zur Musik von Justin Bieber, dem Lieblingsmusiker von Sangey, und sehen auf der anderen Seite einige locker verteilte Häuser in der Nachmittagssonne liegen. Gumba! Wir sind da! Mit wenigen Schritten erreichen wir ein kleines Haus, ein wuscheliger Hund, der aussieht wie eine Lightversion eines Bären, kommt uns mit enthusiastischem Schwanzwedeln entgegen und begrüßt uns freundlich indem er allen um die Beine rennt. Balu  heißt er – Bär, was ich sehr treffend finde.

Wir treten durch die niedrige Tür in den Wohnraum. In einer Ecke befindet sich der Herd, daneben steht eine Bank mit einem niedrigen Tisch. Wir setzen uns. Das Ehepaar welches hier wohnt sind Tante und Onkel von Sangey, der ein paar Tage mit seinen Verwandten verbringen wird. Wir haben unterwegs nichts gegessen und sind entsprechend hungrig. Im Nu steht ein Berg Pellkartoffeln vor uns und ein Schüsselchen mit scharfer Soße. Wir puhlen die Kartoffeln und dippen sie in den Chutney – köstlich! Es wird Sherpa Tee gereicht, Suchay genannt. Alle warnten immer davor. Er sei nichts für Europäer, wir würden sowas nicht mögen und überhaupt. Ich finde, er passt hierher und ich finde, er schmeckt mir. Suchay wird mit Butter und Salz verquirlt, die Sherpas sagen, er sei gut gegen Höhenkrankheit. Wir trinken mehrere Gläser des angenehm heißen Getränks. Ich sitze neben dem Ofen und versuche meine Füße aufzutauen. Ich hatte beim Packen in Deutschland zwei Paar Wollsocken in der Hand. Aus Gründen, die ich nun nicht mehr nachvollziehen kann, hat keines davon den Weg in den Rucksack gefunden. Ich habe nur Baumwollsocken mit. Na, muss reichen! Der Herd bollert vor sich hin, es wird endlos Holz nachgeschoben, ein kurzes Ofenrohr bringt die Gase nach draußen. Zum Heizen ist das natürlich nicht besonders effektiv. Schon etwas weg vom Herd friert man sich Körperteile fast ab, zudem raucht es immer wieder und zwar in den Raum hinein. Der Qualm beißt in den Augen. Um ihn abzulassen wird immer mal wieder die Tür geöffnet. So oszilliert man permanent um das Gleichgewicht von ‚weder ersticken noch erfrieren‘ und reguliert die Frischluftzufuhr. Bikal hat offenbar genauso Schwierigkeiten wie ich, die Rauchgase zu ertragen, er hustet und reibt sich die Augen. Wenn das sogar den Einheimischen so geht!

Sangey ist ungefähr 10 Jahre und der beste Schüler seiner Klasse wie uns der Schulleiter stolz erklärt und der Junge interessiert sich buchstäblich für alles, von Buddhismus über das Weltall bis zu einheimischen Pflanzen, deren medizinische Verwendung er uns unterwegs immer wieder erläutert hatte. Es freut mich, dass er so offen und unbefangen ist und wirklich gute Chancen hat, dank der Sherpa Schule eine positive Perspektive für sein Leben zu entwickeln. Ich hatte am Morgen noch mit Bishnu Maya über unsere Motivation diskutiert, die Schule zu unterstützen und ihr gesagt, dass ich an Investitionen in Gesundheit und Bildung, an Investition in Menschen, glaube und sicher bin, dass die Gesellschaft in Nepal sich weiter entwickeln kann wenn es Projekte wie die Sherpa Schule gibt. Schließlich haben alle Menschen Fähigkeiten und je besser die Bedingungen sind, diese zu entdecken und zu leben, umso mehr profitiert auch eine Gemeinschaft davon und nicht nur der Einzelne.

Irgendwann wird beschlossen, Abendessen zu kochen. ‚Dhal Bhaat is ok?‘ Uwe bekommt leuchtende Augen ‚Sure!‘ Mit einfachsten Werkzeugen wird Gemüse geschnibbelt und die wenigen Töpfe auf dem Herd hin und hergeschoben. Nach einer Stunde, in der wir noch Chang trinken müssen, ein aus Hirse vergorenes warmes alkoholisches Getränk, welches ich ‚Bergpunsch‘ nenne, ist das Essen fertig. Wir essen eine ordentliche Portion und werden zum Schlafen in das Nachbarzimmer geleitet, das Gemeinschaftsschlafzimmer des Hauses. Hier schläft schon, in einem Körbchen mit einer warmen Decke zugedeckt, ein halbwüchsiges Hühnchen. Als die anderen Hühner in den Nachtstall getrieben wurden, fing man dieses hier separat und lässt es nun im Wohnhaus übernachten – es sei zu kalt draußen. Ich denke an die Hühner in Legebatterien, deren Eier wir in Deutschland essen und wie toll das Leben der Hühner hier ist. Sie sehen gesund aus, dürfen den ganzen Tag draußen sein und sogar wenn sie irgendwann doch mal im Topf landen, so haben sie zuvor ein artgerechtes Leben gehabt.

Am nächsten Morgen ist es draußen unter 0°C (und drinnen nur wenig mehr). Als ich in die klare Morgenluft trete, die die Wärme des Tages noch nicht ahnen lässt, um zum Abtritt zu gehen kommt Balu an und leckt mich begeistert ab. Sein dicker Pelz hat ihn draußen gut geschützt. Zum Frühstück gibt es Tsampa – Gerstenmehl, vermischt mit Butter und Suchay. Auch über dieses Gericht heißt es, es sei für Westler ungenießbar. Stimmt natürlich nicht, es ist lecker, halt eine Art Himalaya-Porridge. Er macht ungeheuer satt und gibt Power um über die Berge zu kommen.

Heute müssen wir nicht so viel Aufsteigen, wir sind schon auf ca. 3.000 m und müssen ‚nur‘ auf 3.600. Der Weg führt länger über einen Bergkamm. Kurz nach dem Aufbruch treffen wir einen Mann, der eine Säge und 2,5 m Plastikrohr herumträgt. Er schließt sich uns an und ich denke noch, wo er wohl hinwill und ob es sich lohnt, ein Stück Plastikrohr verkaufen zu wollen. Will er gar nicht. Die Wasserleitung, die u.a. unsere Herberge der letzten Nacht versorgt, ist irgendwo geborsten und er sucht das Leck um es zu reparieren. Irgendwann bleibt er zurück. Wir haben ein ständig wechselndes Panorama vor den Augen. Nadelwald und Rhododendronwälder wechseln sich mit einer durch Landwirtschaft geprägten Kulturlandschaft ab, wir passieren brach liegende Terrassenfelder, treffen angepflockte Kühe, weidende Ziegen, kommen an verfallenden Häusern vorbei, die beim Erdbeben beschädigt und danach aufgegeben wurden.

Nach Stunden halten wir an einem Privathaus (Verwandte von Dha, der hier jeden zu kennen scheint) und machen Pause. Das freundliche Ehepaar kocht uns Tee, die Hühner kratzen und picken im Staub, die Hofhündin hat zwei Junge, die neugierig zu uns kommen und irgendwo meckert eine Ziege – ein ganz normaler Haushalt auf dem Land. Wir erfrischen uns, blinzeln in die Sonne und steigen nach der Pause weiter auf. In einer schattigen Bergflanke ist es so kalt, dass die Bachläufe gefroren sind und wir uns langsam einen Weg über das glatte Eis suchen müssen. Die Bäume sind mit Flechten behangen. Die Atmosphäre ist mystisch. ‚Fangorn!‘ denke ich, denn tatsächlich erinnert der Wald an den Herrn der Ringe. Kaum haben wir eine Kehre genommen und die Sonnenseite des Berges erreicht, sind Eis und Schnee fast verschwunden. Allerdings hat es hier einen Brand gegeben, weite Teile der Vegetation sind zerstört und erholen sich erst langsam wieder. Wir sind auf deutlich über 3.000 m und ich spüre, wie die Luft dünner wird und die Bewegung anstrengender. Noch sind wir unterhalb der Baumgrenze, die wir heute noch überschreiten werden.

Der Weg schlängelt sich mit geringer Steigung an der Bergflanke entlang, wir laufen in der Sonne, der Wind ist kühl und leicht, ideal um sich draußen zu bewegen. Ungefähr eine dreiviertel Stunde brauchen wir, dann kommt unser heutiges Ziel in Sicht: Pikey Peak Base Camp, die einzige Übernachtungs- und Verpflegungsstelle hier oben. Ein geschecktes Yak steht etwas abseits vom Haus, die Sonne scheint uns intensiv ins Gesicht. Dha hatte zuvor in Aussicht gestellt, dass es hier oben immer kalt und windig sei, aber bisher – in der Sonne –  ist es einfach nur angenehm.

Ich habe noch nie ein Yak von Nahem gesehen. Wie auch? Die Viecher sind optimiert für das Leben in der Höhe und echte Yaks existieren erst oberhalb von 2.500 Metern (ja, im Tierpark in Friedrichsfelde gibt es welche, aber halt ‚Flachland Yaks‘). Wir sitzen auf der Terrasse und blicken auf das Tier runter, welches sich langsam nähert. Rasch nehme ich die wenigen Stufen nach unten, gehe ruhig auf das Tier zu, welches sich ganz friedlich verhält, tätschle seinen Kopf – da nimmt es seine Hörner und zielt nach mir.

Yak-Attack! Was tun? Erstmal Zeit gewinnen, also packe ich das Yak bei den Hörnern, drehe seinen Kopf zur einen Seite und mache mich zur anderen aus dem Staub. Zum Glück ist das Tier nicht geneigt, mich zu verfolgen. Ok, so ganz domestiziert sind sie offenbar nicht. Erst als ich Tage später mal wieder ohne lange Unterhose bin, fällt mir der lange blaue Fleck am Unterschenkel auf. Hat es mich doch gekriegt, aber zum Glück waren die 2 Lagen Hosen dick genug!    

Kaum ist die Sonne weg wird es kalt, sehr kalt. Wir sitzen in der Küche auf der Bank und kuscheln uns zu viert unter 3 Decken, die um uns herum drapiert sind. Der Herd hier hat kein Ofenrohr, d.h. die Luft ist voller Rauch und meine Augen tränen. Die Lüftungspausen sind wegen der Kälte extrem kurz. Dem Sherpa-Paar macht das gar nichts, sie husten nicht mal! Wir erfahren, dass beide 75 Jahre alt sind und seit 13 Jahren hier oben leben und das Base Camp ausgebaut haben um den Portern, die auf ihren Touren z.T. im Freien genächtigt haben, eine Herberge zu bieten. Die Frau ist neun Tage zuvor Uroma geworden und hat noch nie ein Hospital von innen gesehen. Sie spricht nur Sherpa Sprache, beherrscht noch nicht mal Nepali, hat eine Reibeisenstimme und beste Laune. Was soll ich ihr über die Schädlichkeit von Rauchgasen erzählen? Lächerlich!

Der Mann spielt etwas auf einer traditionellen Laute und amüsiert sich, dass wir alle ablehnen, uns auch daran zu versuchen. Wir gehen früh schlafen. Der Plan ist, morgen früh um 6 Uhr auf den Pikey Peak (4.070 m) zu steigen und von dort direkt weiter zu gehen. Aber es kommt anders. In der Nacht setzen Kopfschmerzen bei mir ein und mir ist klar, dass ich höhenkrank werde. Es ist kalt, der Yeti-Schlafsack kommt bei -8° bis -10°C an seine Grenzen, aber was mir zusetzt ist das Hämmern im Kopf. Ich entscheide, nicht noch weiter aufzusteigen. Die drei Männer gehen morgens alleine hoch auf den Gipfel und kommen zum Frühstück zurück. Uwe ist total euphorisiert. Berge! Ja, ich hatte es auch schon gesehen 😉

Obwohl ich weder Hunger noch Appetit habe esse ich etwas Tsampa. Danach bin ich zwar noch etwas wackelig, aber in der Lage, zu laufen.

Wir müssen nochmal leicht aufsteigen und unterhalb des Gipfels des Pikey Peak langwandern und mir geht es so gut, dass ich das Panorama durchaus genießen kann. Wir sehen im Osten 100 km entfernt Kanchenjunga und im Westen das in 200km Distanz liegende Annapurna Massiv und vor uns liegt der Everest. Doch, hat was.

MERKE: Wenn es imposant aussieht, ist es nicht der Everest, sondern der Lhotse oder ein anderer Berg. Wenn es unspektakulär aussieht, dann ist es der Everest:

Auf der sonnenabgewandten Seite des Berges liegt Schnee. Wir haben ein steiles Stück vor uns und müssen den Weg, der hier noch weniger als ein Pfad ist, suchen. Und dann stoßen wir auf etwas, was mein Herz klopfen lässt: Spuren einer Raubkatze! ‚Tiger‘ sagt Dha nur, aber ob es nun ein Tiger oder ein Schneeleopard ist, können wir nicht sagen. Ich bin euphorisch. Ich meine, was gibt es sonst für Neuigkeiten, wenn es um Tiger geht? Dass sie vom Aussterben bedroht sind, es immer weniger Lebensraum gibt etc. Aber hier, hier! sind welche langgelaufen, denn genau genommen sind es eine große und eine kleinere Spur. Ich bin glücklich. Das ist für mich der Höhepunkt der Reise. Berge hin oder her – die sind ja eh da, aber das hier, das ist speziell!

Vollkommen beglückt steigen wir rasch weiter ab und erreichen nach einer Stunde eine kleine Lodge. Hier lehnen Hoka-Laufschuhe an der Wand und ich frage mich, wer wohl damit rumrennt? – Der junge Wirt! Er ist mit einigen Franzosen von Kathmandu zum Everest gelaufen. Respekt! Nepal ist übrigens das einzige Land, wo die Leute auf meine Selbstoffenbarung ‚Ich mache Ultramarathons, 250 km in einer Woche‘ mit Desinteresse reagieren. Und auch wenn ich danach hinzufüge ‚With 10kg rucksack!‘ nehmen sie das kommentarlos zur Kenntnis. Definitiv kein Land für Narzissten…..

Wir steigen an diesem Tag stundenlang nur ab und erreichen am Nachmittag Phaplu. Hier verabschieden wir uns von Bikal und Dha und mieten uns ein geräumiges Zimmer in der Everest Lodge. Wir haben große, gemütliche Betten, die mit dicken Decken bestückt sind unter denen wir uns nach einem Abendessen (natürlich Dhal Bhaat) einmummeln. Den nächsten Tag nehmen wir ‚frei‘ und entspannen. Schlendern in den Nachbarort Salleri, trinken einen Suchay im Mid Way Guesthouse und unterhalten uns so nett mit den Leuten, dass wir später zum Abendessen wiederkommen. Natürlich gibt es Dhal Bhaat.

Am nächsten Tag haben wir den 10 Uhr Flug nach Kathmandu gebucht. Unsere Vermieterin teilt uns mit, dass er Verspätung haben wird weil Transportflüge Vorrang hätten, aber der Travelagent würde bei ihr anrufen und Bescheid geben, wenn wir zum Flughafen kommen sollen. Dorf halt. Der Flugplatz ist 100 m von der Lodge entfernt und wir spazieren morgens mal vorbei. Die Security Mitarbeiter sitzen in der Sonne, ein Huhn scharrt im Sand, drei junge Hunde spielen vor dem ‚Terminal Building‘. Das heißt wirklich so, obwohl es nur ein einfacher Bau ist. Wir sehen wie ein Hubschrauber mit Baumaterial beladen wird und unter Produktion jeder Menge Wind und Staub abhebt. Das Material geht zum Everest! Wohl zum Ausbau des Base Camps. Der Transport per Heli ist tatsächlich preiswerter als mit Mensch oder Yak.

Wir sehen den Heli abheben und entscheiden uns im kleinen Momo Restaurant noch zwei Portionen zu bestellen. Während wir auf das Essen warten sehen wir drei Frauen aus unserer Lodge am Flugplatz eintreffen. Scheint irgendwann loszugehen! Uwe zieht los, unser Gepäck aus der Lodge holen. Auf dem Weg dorthin kommt ihm schon die nette Vermieterin entgegen, die uns suchte. Hier geht halt nichts und niemand verloren. Jetzt dürfen wir auch zur Abfertigung kommen. Das Gepäck wird einzeln gewogen, kurz begutachtet (das ist unter ‚Security‘) und von Trägern auf das Rollfeld gebracht. Dort stehen wir und warten auf die Maschine.

Die heran nahende Twin Otter kommt aus westlicher Richtung ins Tal, macht eine 180° Drehung und landet perfekt in der Mitte der Runway. Das Manöver ist filmreif. Die Tür geht auf, eine winzige Treppe wird ausgeklappt, einige Menschen steigen aus, wir stellen uns wie Schüler in einer Reihe auf, unser Gepäck wird verladen, wir erklimmen das Flugzeug. Drinnen kann ich nicht aufrecht stehen. Ich mutmaße, in der Stellenbeschreibung für die Flugbegleiter steht ‚max. 165cm Körpergröße‘. Im Nu sitzen alle, die Tür schließt sich, der Pilot rückt seine Sonnenbrille zurecht und das Flugzeugchen rollt zum Ende der Startbahn. Nun werden die Motoren aufgedreht, das Teil grollt vor sich hin und zittert unter der gebremsten Kraft. Dann lässt offenbar im Cockpit jemand die Handbremse los, jedenfalls nimmt die Maschine schnell Fahrt auf und ratzfatz sind wir in der Luft – lange vor dem Ende der Startbahn. Es rüttelt, lärmt und wackelt. Nie habe ich Fliegen unmittelbarer und intensiver erlebt. Es ist ein geradezu jugendlicher Spaß. Da es keine Druckkabine gibt können wir nicht so hoch fliegen und schlängeln uns um die Berge herum. Viel zu schnell ist Kathmandu erreicht. Wir drehen noch eine Runde über Patan, dann setzt der Pilot unmittelbar aus einer 90° Kurve kommend sauber mittig auf der Landebahn auf. Hätte ich ne Airline hätte er nun ein Jobangebot.

Wir nehmen eine Taxe nach Dhulikel, gut 30 km außerhalb von Kathmandu. Es liegt wunderbar an einer Bergflanke und bietet tolle Ausblicke auf den Langtang Himal. Wir wollen die letzten Tage in Ruhe verbringen und haben uns im Bhattidanda Homestay fresh and natural eingebucht. Das Haus wird von einer Familie betrieben, die ursprünglich sehr arm war.  Die Geschichte von Fulmaya Tamang wird in einem Büchlein beschrieben welches ausliegt. Aus einer armen Familie kommend hat sie mit ihrem Mann über Jahre versucht durch harte körperliche Arbeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen und ihre Kinder durchzubringen, hat Hunger erlebt, Obdachlosigkeit und Verzweiflung. Dann fand sie im Dreck auf der Straße eine ‚gelbe Kette‘, mit der zunächst ihre Tochter spielte bis es ihr langweilig war und die auch die Nachbarin nicht tragen wollte weil es sie zu sehr an die Kette eines Hundes erinnerte. Man ahnt es und genauso war es: die Kette war aus Gold und wurde sofort in 4 Ladungen Ziegelsteine zum Hausbau verwandelt. Fulmaya gründete eine Frauenkooperative, kümmerte sich um Bildungsfragen und das Erlangen von Mikrodarlehen, inspirierte andere Menschen, ihr Leben zu verbessern und erhielt inzwischen einen Preis für ihr soziales Engagement und ihr Unternehmertum. Wir sind sehr beeindruckt von dieser Frau, die ein ausdrucksstarkes Gesicht und eine positive Ausstrahlung hat.

Leider ist der Neubau in dem wir wohnen so zugig, dass es unter sämtlichen Ritzen pfeift als nachts Fallwinde einsetzen. Mir wird unter der kilogrammschweren Decke zwar warm, aber Uwe nicht. Er muss sich in seinen Schlafsack flüchten. Am nächsten Morgen entscheiden wir, uns eine neue Unterkunft zu suchen. Wir ehren das Schicksal der Frau, aber es wird nicht dadurch ungeschehen, dass wir nun auch leiden. Ein Stück die Straße runter hat das Gaia ein schönes Zimmer für uns. Wir quartieren uns um und machen uns auf den Weg zu unserem letzten Ausflug. Wir laufen die 10 km bis zum Namo Buddha Stupa und danach auf der Rückseite des Berges nochmal 10 km bis Panauti. Das war eine der besten Ideen dieser Reise! Auf diesem Weg finden wir Nepal noch so, wie es vor 30 Jahren war.

Terrassenförmige Felder werden von Hand, ohne Einsatz von Maschinen beackert. Hühner, Ziegen und Büffel leben am Haus, erntefrisches  Obst und Gemüse werden an der Straße verkauft, Mais getrocknet. Schulkinder in Uniform rennen von der Schule nach Hause. In einem winzigen Chai-Shop nehmen wir Tee und Coconut Crunchies ein und es scheint, hier ist die Zeit stehen geblieben. Niemand könnte sagen, ob es nun 2019 oder 1919 ist.

Panauti ist eine Entdeckung! Die Stadt steht nur deswegen nicht unter UNESCO Weltkulturerbe weil es im Kathmandu Tal (höchste Dichte an Welterbestätten weltweit!) schon so viel gibt. Die Konkurrenz ist schlicht zu groß! Das Stadtzentrum besteht ausschließlich aus alten Häusern. Roter Backstein, in den verzierte hölzerne Türen und Fenster eingelassen sind. So sah Kathmandu auch mal aus!

Wir sind begeistert. Dann nehmen wir einen Bus und machen uns auf den Rückweg nach Dhulikel. Hier haben wir noch ein denkwürdiges Erlebnis. Häufig haben wir während unseres Aufenthaltes mit sehr offenen, motovierten jungen Menschen gesprochen, die uns sehr beeindruckt haben. Als wir spazieren gehen liegen am Straßenrand einige kleine Geldscheine und eine nepalische Fahne, einige Meter daneben spielen Kinder. Ich denke, dass das jemand beim Motorradfahren verloren hat, bin aber irritiert, dass niemand es bisher aufhob. Uwe weist auf die Sachen und fragt die Kinder ‚Is this yours?‘ und ein ca. 8jähriges Mädchen sagt ‚Yes!‘ –‚?‘ ‚I put it here, I wanted to see what the people are going to take, the flag or the money!‘  Ein Experiment! Ein Feldversuch zur Priorität von Werten! Wir sind beeindruckt und uns einig: ein Land mit solchen Menschen hat eine Zukunft. Dann sinkt die Sonne hinter dem Langtang Gebirge und der letzte Abend bricht an.

Zum ‚last supper‘ gibt es – natürlich – nochmal Dhal Bhaat und ein einheimisches Bier. Wir trinken auf die tollen erlebten Abenteuer und die hellen Köpfe Nepals!

Weitere Infos zur Schule unter Sherpa-Schule-Bamti.de

© Dörte Schreinert, 09.01.2019