Stage three: The Rising Action

Stage three: The Rising Action
I feel like a runner again!
18.11.19
Distanz: 27 km
Start: natürlich um 06:30!

Das Höhenprofil dieser Etappe offenbart höhere Ausschläge und in der Beschreibung von stage 3 heißt es: Dies ist die schwierigste Etappe! Wer die schafft, der schafft auch das ganze Rennen! Na gut, denken alle: ‚Let’s go!‘

Ja, es wird steil und ja, es wird anstrengend und doch: es ist schön, so schön, dass ich finde, das Wort ‚atemberaubend‘ ist zu schwach um die Landschaft zu beschreiben. Es gibt die Weite der Wüste, die wie gemalte, vom Wind gestaltete typisch geriffelte Oberfläche des Sandes, immer wieder kleines Strauch- und Buschwerk, von dem ich nicht weiß, wovon es existiert in dieser an Wasser so armen Gegend und es gibt insgesamt sieben Anstiege auf ca. 90m hohe Dünen, die schon ordentlich in die Beine gehen.

Eine Zeit lang begleite ich Imad aus Syrien, der schon lange in Europa lebt und ein überzeugter Fan von Diktator Assad ist (das behaupte ich mal, nachdem mir dessen Gesicht von Imads Handy und von seiner Syrienfahne, die er irgendwie immer dabei hat, entgegengrinst), ein Umstand, der mich dann das Weite suchen lässt. Man sieht halt wieder, dass jemand persönlich durchaus nett und freundlich sein kann und zugleich so grausige Ansichten hegen kann – ja, es macht mir zu schaffen. Aber in einer Phase, wo wir beide etwas schwächeln (ich denke, ich bin noch nicht warm, ehrlich), helfen wir uns gegenseitig auf die Dünen rauf und das ist einfach gut. Ich merke, dass ich je länger wir unterwegs sind, umso mehr Energie bekomme und lasse Imad bald hinter mir.

Die Dünen sind auf der Wind abgewandten Seite steil, der Sand dort sehr locker (weil nicht vom Wind komprimiert), dafür geht es auf der anderen Seite über etwas härteren Sand, der besser trägt, lange Strecken hinunter. Ich breite die Arme aus wie ein Kind, das simuliert zu fliegen und singe vor mich hin, es ist ein großartiger Spaß! An jedem Anstieg klingt mir das letzte Telefonat mit Jerry in den Ohren: ‚Du brauchst keine Stöcke, auch an den Dünen kann man gut hochlaufen‘. Mein Lieber, keine Ahnung, wie du zu dieser Einschätzung kommst, aber nächstes Mal nehme ich die Dinger mit! – Ich meine, sie sind ja im Oman, aber ich habe sie im Koffer im Camp in Biddiyah zurückgelassen…..

Dann habe ich die letzte, schier riesige Düne erklommen und sehe auf der anderen Seite unten im Tal einen Wüstentrack, auf dem weit entfernt jemand nach rechts läuft. Ein Blick rundum zeigt: die Flaggen weisen zunächst nach links um nach einem Umweg auf den Track zu münden. Um sicher zu gehen, dass wir nicht abkürzen (wer würde denn so was machen?!)  stehen auf der Strecke mehrere Autos mit ODM Logo, also keine Chance, hier zu schummeln. Der Veranstalter ermahnte uns am Morgen: No derivations! You have to stay close tot he flags! – woraufhin mir Emmanulle berichtete, am ersten Tag sei sie nicht auf dem Track, sondern nah an den 50m entfernt stehenden Flaggen gelaufen und hätte die Anweisung bekommen, doch bitte die ‚Straße‘ zu nehmen  😉

Also trabe ich erst nach links, biege an der nächsten Flagge im rechten Winkel rechts ab und 80 m weiter nochmal, passiere dabei die Autos, in deren Schatten sitzend sich eine Gruppe Organisatoren entspannt. Auf mein ‚It’s not working, you cant make the desert rectangular!‘ winken sie nur freundlich ‚Yes, go, go!‘, ich winke zurück und sehe vor mir: eine fast ebene Strecke mit – natürlich! – weichem Sand. Also verfalle ich in einen leichten Jog, den ich nur kurz für Gehpausen unterbreche. Überhole Hayam, freue mich, dass ich mal wieder rennen kann, versuche, die Hitze zu ignorieren, zutzel mein Wasser leer und werfe immer wieder einen Blick auf meine Uhr. Um Akku zu sparen habe ich das GPS ausgeschaltet. Da die Uhr meine normale Schrittlänge kennt, kann sie normaler weise die zurückgelegte Distanz auch ohne GPS Signal mit großer Präzision bestimmen. Hier klappt das nicht. Durch den Sand und den Rucksack (und evtl. auch die Hitze, ich meine, wäre ja vorstellbar, oder?) behindert, mache ich kleinere Schritte und muss die Angaben der Uhr entsprechend korrigieren.

Wenn sie verkündet, ich hätte 12km zurückgelegt, sind es real 10km. Da die Uhr jetzt schon mehr als 30 km anzeigt werde ich unruhig. Ich kann weit sehen, aber nirgends Anzeichen eines Camps entdecken und zum Glück auch keine Flagge, die mich wieder auf einen Hügel treibt. Ist die Etappe doch länger als 25km? Und wieso kommt da jetzt noch ein Check Point? Dann wird mir klar: das ist kein CP, das ist das Tagesziel! Hurra! Also Gas geben und in einem durchrennen! Ich werde mit Cheers und Geheule empfangen, jemand drückt mir eine Flasche kaltes Wasser in die Hand, Fran ist vor mir angekommen und wartet auf Hayam, die wenige Minuten nach mir einläuft. Wir sind bester Stimmung und klatschen uns ab. ‚I feel like a runner again today after all that hiking yesterday!‘ strahle ich.

Das Camp ist hinter der steil neben uns aufragenden Düne und wir haben die Wahl: wir können hinlaufen oder einen Lift im Auto bekommen. Johlend entscheiden wir uns für das Vehikel und fegen mit heulendem Motor über den lockeren Sand nach oben. Hinter dem Dünenkamm erstreckt sich ein weites Tal und beim Näherkommen sehen wir, dass das Camp noch recht, nun ja rudimentär, aussieht. Kaum ausgestiegen werden wir mit der Nachricht begrüßt, dass es erst zwei Zelte gibt, weil der LKW mit den anderen Zelten im Sand stecken geblieben ist. Dafür bläst ein ordentlicher Wind.

Also setze ich mich in den Sonnen- leider nicht Windschatten eines Zeltes und mixe mir erstmal meinen Refresher Drink. Ich bin müde und döse im Sitzen einige Minuten vor mich hin.  In den Zelten ist es stickig-warm und Läufer sitzen oder liegen schlafend  im Sand. Der Wind wird immer stärker und zu einem leichten Sandsturm, so dass wir irgendwann doch alle drinnen sind. Alles ist träge und natürlich möchte jeder duschen, Klamotten wechseln und warmes Wasser haben um ein Essen zubereiten zu können – aber da es das nicht gibt und Widerstand gegen die Realität nichts nützt, sitzen alle geduldig, vor Dreck und Schweiß starrend auf dem Boden. Ich mache Witze, dass wir jetzt alle unseren Anwalt anrufen könnten und als Rob fragt: Was würdest du ihm sagen? Und ich antworte: dass er herkommen und eine Schippe mitbringen soll, machen wir weitere Scherze (‚Wir könnten doch die 10 km bis zum LKW laufen und dort das Camp machen‘) und nehmen es leicht. Wie gesagt, nützt ja nix, deswegen schlecht drauf zu kommen. Also warten wir geduldig, während der Sand langsam unsere Zelte, unsere Rucksäcke, unsere Körper erobert. Gehen in die Dünen um zu pinkeln (was eh hygienischer ist als die aufblasbaren Dixieklos, die wir mit uns rumschleppen). Bis plötzlich Fabienne, die weit vorne platzierte Schweizerin (sie wird das Rennen auf Platz 2 beenden) in die Ferne deutet und ruft: ‚Camione! Camione!‘ Sofort kommt Leben in die Truppe. Der LKW wird begrüßt wie ein lange vermisstes Familienmitglied. Rasch machen sich die indischen Arbeiter daran, den Heißwasserboiler aufzubauen und andere beginnen mit dem Errichten weiterer Zelte. Nach 45 min sitze ich mit Rob und Sune in dem Zelt welches wir kraft unseres gemeinsamen Beschlusses Zelt 2 nennen, ich steige aus den Laufklamotten in mein Camp-Shirt, blase meine formidable Matratze auf und freue mich, dass wir eine Schicht Teppich zwischen uns und dem Sand haben. Dann mache ich mir eine Kleinigkeit zu essen, bringe meinen Körper mit etwas Wasser in Kontakt und als dann der Wind nachlässt schlage ich jede Menge Sand und Staub aus meinen Sachen und denke: alles ist gut! Ein Gefühl tiefer Zufriedenheit durchdringt mich.